Süddeutsche Zeitung

DEL:Cup der guten Hoffnung

Auf Initiative eines TV-Senders sollen die DEL-Klubs in Turnierform den Eishockey-Alltag simulieren. Nur acht von 14 Klubs wagen das Experiment.

Von Johannes Schnitzler

Um 7.59 Uhr am Donnerstag ging laut Wetterdienst die Sonne über Mannheim auf. Sie muss besonders hell geleuchtet haben, denn um 9.39 Uhr verschickten die Adler Mannheim folgende Mitteilung: Nach Monaten, in denen die Corona-Pandemie das deutsche Eishockey lahmgelegt habe, gebe es nun "ein Licht am Ende des schier endlos erscheinenden Tunnels". Aus tiefster Finsternis blinzelten die Adler ganz vorsichtig in dieses Licht. Nicht dass am Ende dieses Tunnels doch ein Zug herangedonnert kommt. Aber auch auf den zweiten Blick war sich Manager Jan-Axel Alavaara sicher: "Die Zeit der Ungewissheit ist nun endlich vorbei."

Alavaara verzückte die Aussicht darauf, dass tatsächlich wieder eine Chance auf erstklassiges Eishockey besteht. Eine vage Chance zwar, und nicht die Deutsche Eishockey Liga (DEL), sondern die Telekom mit ihrem Kanal Magentasport hatte die womöglich rettende Idee. Aber nach Monaten, in denen die DEL vorwiegend damit beschäftigt war, Hilfen von der Politik einzufordern, nimmt man, was man kriegen kann. Die Fackel der guten Hoffnung heißt: Magentasport-Cup. Und der geht so: In zwei Gruppen spielen je vier Teams jeder gegen jeden, die zwei jeweils besten ermitteln die Finalisten. Los geht es am 11. November, drei Tage nach dem Deutschland Cup - und fast auf den Tag genau acht Monate nach dem Saisonabbruch. Das Finale soll am 12. Dezember stattfinden, sechs Tage vor dem eventuellen Start in eine neue DEL-Saison. Soll? Eventuell? Es gibt da durchaus noch ein paar Fragezeichen.

Die Telekom als Impulsgeber bringt das Produkt Eishockey zurück auf die öffentliche Bildfläche und legt noch ein bisschen Anschubfinanzierung drauf. Nach SZ-Informationen bewegt sich diese pro Klub aber deutlich unterhalb der sechsstelligen Marke. Die Telekom ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, was man - vorsichtig ausgedrückt - von den DEL-Klubs nicht uneingeschränkt behaupten kann. Deshalb haben sechs der 14 Klubs auf ihre Teilnahme verzichtet: neben den Kölner Haien der ERC Ingolstadt, Augsburg, Straubing, Iserlohn und Nürnberg. Man müsse "in Anbetracht der Situation doch vernünftig bleiben", sagt Augsburgs Hauptgesellschafter Lothar Sigl.

Sigl ist neben Jürgen Arnold (Ingolstadt), Wolfgang Brück (Iserlohn) und Mannheims Daniel Hopp Mitglied des Aufsichtsrats der DEL - wenn man so will, sind drei Viertel des Aufsichtsrats von der Idee nicht überzeugt. Er könne "nicht verlässlich mit dringend notwendigen Zuschauereinnahmen zur Refinanzierung des Wettbewerbs planen", sagt Sigl, denn die Spiele werden in leeren Hallen stattfinden. Zu den laufenden Betriebskosten kämen Haftungsansprüche, falls Partien ausfallen. Einige Klubs verhandeln mit ihren Profis derzeit noch über einen weiteren Gehaltsverzicht als die ohnehin vereinbarten 25 Prozent. Wolfgang Brück, geschäftsführender Gesellschafter der Iserlohn Roosters, sagt lapidar: "Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen eine Teilnahme für uns derzeit nicht zu." Straubings Geschäftsführerin Gaby Sennebogen begründet die Absage der Tigers mit dem nicht absehbaren gesundheitlichen Risiko, während Ingolstadt wissen lässt, dass die Panther bis zum 11. November keinen spielfähigen Kader haben werden. Nicht nur Straubing, muss man dazu wissen, fiel in den vergangenen Wochen durch eine rege Verleihtätigkeit auf: Unter anderem ließen die Tigers Sena Acolatse und Mitchell Heard vorübergehend in die dritte Liga nach Passau ziehen, Nationalverteidiger Marcel Brandt geht sogar in die fünfte Liga zum EV Dingolfing. Nürnberg leiht gleich acht Spieler aus, darunter den DEL-Rekordtorschützen Patrick Reimer (Kaufbeuren). Köln gab die Nationalspieler Moritz und Marcel Müller an den Zweitligisten Kassel ab.

"Unser Augenmerk gilt unverändert dem immer noch denkbaren Start der DEL", sagt Augsburgs Lothar Sigl. "Wir versuchen weiterhin alles in unserer Macht Stehende, irgendwie in die Saison 2020/21 starten zu können." Sigl und die anderen fünf Klubverantwortlichen wollen zunächst einmal ihr Geld zusammenhalten.

Felix Schütz, Olympiazweiter von Pyeongchang und vergangene Saison noch in Straubing unter Vertrag, hat unterdessen den Glauben an eine DEL-Saison verloren und sich fest dem Zweitligisten Landshut verpflichtet. Er wolle einfach nur noch Eishockey spielen, sagt Schütz und kritisiert das Taktieren der DEL-Verantwortlichen: "Wir haben jetzt ein halbes Jahr verpasst und sind eigentlich nicht vorangekommen. Jetzt versucht man, irgendwas aus der Not zu machen. Man hat gesehen, dass die Kompetenz nicht da ist", sagte der Nationalspieler der Agentur dpa. Schütz, Gründungsmitglied der Spielervereinigung Eishockey, hätte sich eine engere Einbindung der Profis gewünscht: "Dann hätte man einen Plan A haben können, einen Plan B und einen Plan C. Da hätte man wahrscheinlich die beste Lösung finden können." Auch DEB-Präsident Franz Reindl wählte im Magazin Eishockey News Sepiatöne: "Eine Absage (der DEL-Saison) würde eine Kettenreaktion auslösen." Reindl gab sogar seine gewohnte diplomatische Zurückhaltung auf und keilte gegen die DEL: "Wir müssen uns überlegen, ob der Sport in der Art, wie wir ihn betreiben, überleben kann. Das ist grundsätzlich ja gar kein Geschäftsmodell. Es wird tendenziell mehr ausgegeben als eingenommen." Sein Vizepräsident, Mannheims Geschäftsführer Daniel Hopp, war am Donnerstag deutlich heller gestimmt: "Der Wille, wieder Eishockey zu spielen, er war bei allen Beteiligten immer erkennbar."

Mannheim müsste man sein. Wo die Sonne scheint.

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SZ vom 23.10.2020
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