Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Niederlage Nummer 21

Die Eisbären Berlin, deutscher Eishockey-Meister, verlieren auch in Ingolstadt. Der Klub ist nicht einmal mehr Mittelmaß der Liga. Externe Impulse sind kaum mehr möglich - die Sportliche Leitung hat nicht mehr viel Handlungsspielraum.

Von Christian Bernhard, Ingolstadt

Der dicke Eisbeutel an Marcel Noebels rechtem Ellbogen machte deutlich, dass sich der Nationalspieler wieder einmal nicht geschont hatte. Der Stürmer der Eisbären Berlin war auch am zweiten Weihnachtsfeiertag vorangegangenen, er erzielte ein Tor, und wenn er nicht auf dem Eis stand, dann ging er auf der Bank emotional mit. Gereicht hat es auch diesmal nicht. Die Eisbären verloren ihr Auswärtsspiel beim ERC Ingolstadt 2:4, der deutsche Meister steckt weiter in den Tabellenniederungen der Deutschen Eishockey Liga fest.

Noebels, 30, wirkte gefasst, als er in der Ingolstädter Arena vor die Kabinentür trat und über die Saisonniederlage Nummer 21 der Eisbären redete. Von einem "sehr guten Spiel" sprach er, das lange Zeit ziemlich ausgeglichen gewesen sei, aber "zu den wichtigen Zeitpunkten" habe sein Team leider individuelle Fehler gemacht: "Und dafür haben wir den Preis bezahlt."

In den vergangenen Jahren lag eine der großen Eisbären-Stärken darin, dass sie exakt in jenen entscheidenden Momenten besonders präsent und konzentriert wirkten; diese Qualität hat ihnen in den vergangenen zwei Spielzeiten jeweils den nationalen Titel beschert. Doch vom Glanz der Meisterjahre ist nichts zu sehen, das Selbstbewusstsein des Champions ist verflogen. Die Berliner sind nicht einmal mehr Mittelmaß der Liga - und dieses Analyse gilt schon die ganze Saison über. Als sich die Eisbären-Spieler nach der Schlusssirene vor der Ingolstädter Kurve um ihren Torhüter Juho Markkanen versammelten, schlug ihnen aus dem ERC-Block der Ruf "Absteiger, Absteiger" entgegen.

Ob leise, laute oder einfühlsame Töne - keine Variante des Trainers hat bisher Erfolg

Der Berliner Trainer Serge Aubin gab sich während des Spiels und auch bei der anschließenden Pressekonferenz so wie immer: stoisch. Unabhängig vom Ergebnis zeigte er sich mit dem Einsatz, den seine Mannschaft aufgebracht hatte, zufrieden und äußerte sich optimistisch, dass sich mit solch einer Leistung bald "gute Dinge" ergeben würden, wie er sagte. Seine Ausführungen beendete er mit der lakonischen Bemerkung: "So ist Eishockey eben manchmal."

Für die Eisbären ist Eishockey allerdings momentan vor allem eines: frustrierend. Nach mehr als der Hälfte der Hauptrunde haben sie in 33 Partien nur sieben Drei-Punkte-Siege verbucht. Zum Vergleich: Der Rivale Red Bull München, derzeit souveräner Tabellenführer, den die Eisbären noch im Mai in der Playoff-Endspielserie bezwungen hatten, hat 22 Drei-Punkte-Siege eingespielt. In Ingolstadt hatte Aubin nach eigenem Bekunden "zwei gute Eishockeyklubs" gesehen. Der feine Unterschied dabei: Das eine gute Team, Ingolstadt, ist nun Tabellenzweiter, das andere ist nur wenige Punkte von den Abstiegsrängen entfernt und hat von den vergangenen 15 Spielen lediglich gegen Bietigheim und Augsburg, die beiden Tabellenletzten der Liga, nach 60 Minuten gewonnen.

Aus dem Mannschaftskreis ist zu vernehmen, dass Aubin in den vergangenen Wochen intern unterschiedliche Tonlagen angeschlagen hat, von der leisen, einfühlsamen bis hin zur lauten, etwas aggressiveren. Keine Variante brachte bisher nachhaltigen Erfolg. Bereits nach dem 1:2 in Frankfurt Anfang Dezember schimmerte in den Äußerungen des Kanadiers eine gewisse Ratlosigkeit durch, als er sagte: "Ich habe Mitleid mit meinen Spielern." Kürzlich wählte er öffentlich einen anderen Ton: "Wir haben zu viele Passagiere in der Mannschaft", sagte er. Noebels wertete das als Versuch, "den ein oder anderen Spieler wachzurütteln". Der Trainer fordere viel, das sei auch nötig, erklärte der Stürmer, der zusammen mit Zach Boychuk eine der Bezugspersonen Aubins in der Kabine ist.

Noebels setzt auf eine "Handvoll Jungs, die jetzt vorangehen". Einer davon ist er selbst, der beste Scorer des Teams. Er will persönlich das Bestmögliche für die Mannschaft abliefern und durch die Vorbildfunktion "hoffentlich den einen oder anderen mitziehen". Der Wille in der Kabine sei vorhanden, aber die Phase der Ausreden vorbei. Diffizil ist die Aufgabe allemal: "Es ist die Zeit gekommen, sich der Lage bewusst zu sein und trotzdem keine Panik zu schieben."

Jetzt stehen zwei schwere Auswärtsspiele an: in Bremerhaven und Straubing

Externe Impulse sind kaum mehr möglich. Die Sportliche Leitung hat nicht mehr viel Handlungsspielraum. Die elf Lizenzen für Importspieler sind vergeben, qualitativ gute deutsche Spieler zu diesem Saisonzeitpunkt zu bekommen, ist schwer. Die praktikabelste Lösung wäre ein Trainerwechsel, doch obwohl der Name des vereinslosen Pavel Gross des öfteren durch den Eisbären-Kosmos geistert, hält Sportchef Stephane Richer öffentlich weiter zu Aubin.

Vor einiger Zeit erklärte Noebels, die Partien bis Weihnachten würden zeigen, wohin der Weg führe. Nun, am zweiten Feiertag, sagte er: "Ja gut, große Luftsprünge haben wir seitdem nicht gemacht." Für sein Team gehe es im Moment darum, von Spiel zu Spiel zu denken, so viele Punkte wie möglich zu sammeln, um dann zu schauen, ob man die Kurve noch schaffe. "Keiner in der Kabine denkt gerade über die Playoffs nach", betonte er. In dieser Woche stehen zwei schwere Auswärtsspiele in Bremerhaven und Straubing an.

Nach der Niederlage in Ingolstadt leerte sich die Kabine der Eisbären ziemlich schnell. Leo Pföderl, ein Protagonist der erfolgreichen Jahre, der nun auch erst vier Saisontore erzielt hat, stieg als letzter Berliner Spieler in den Bus. An der Tür hatte er sechs verbliebenen Eisbären-Fans noch Autogramme gegeben und Fotos mit ihnen gemacht. Dann verließ der Bus das Gelände der Ingolstädter Arena. Wohin die sportliche Reise geht, ist schwer zu entschlüsseln.

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