Defensive der DFB-Elf:Vom Sekundenschlaf verfolgt

Germany v Georgia - EURO 2016 Qualifier

Qualifiziert, aber nicht zufrieden: Mats Hummels nach dem Spiel gegen Georgien

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Gut möglich, dass der DFB in den nächsten Tagen ein Jobangebot ausschreibt. Joachim Löw hatte es ja schon vor der letzten Partie der EM-Qualifikation gegen Georgien gesagt: Seine Spieler müssten die Sinne schärfen, die Konzentration hoch halten, wenn sie zusätzlich zum schönen Fußball auch wieder erfolgreichen Fußball zeigen wollen. Also einen mit Toren und wenig Abwehrpatzern. Nach dem mühsamen 2:1 gegen Georgien müssen Stellenmarkt-Analysten feststellen: Ein Spezialist für Konzentrationsübungen könnte dem deutschen Team derzeit ganz gut tun.

Die deutsche Mannschaft wird 15 Monate nach dem WM-Titel von einem Phänomen heimgesucht, das in jüngster Vergangenheit vor allem bei Borussia Dortmund zu finden war. Typische Charakteristika: Vorne erlöschen beste Chancen wie fehlgezündete Feuerwerkskörper, immer und immer wieder, woraufhin die Abwehrreihe zunehmend schläfrig wird - und dann treffen plötzlich Irland und Georgien gegen den Weltmeister. "Die Mannschaft muss lernen, dass es gut ist, wenn wir am Anfang Druck aufbauen und früh Tore schießen", hatte der Bundestrainer noch gesagt, "sonst baut man den Gegner auf." Bis zum EM-Start im kommenden Sommer wird ihn diese Problematik wohl begleiten.

Eingelullt vom eigenen Angriff

Innenverteidiger Mats Hummels ist dabei ins Zentrum der Abwehr-Debatte gerutscht - und darum am Sonntagabend auch Hauptaussagen-Geber: "In einigen Situationen sind sie sehr frei mit zwei, drei Spielern auf uns zugelaufen", analysierte Hummels nach dem Spiel gegen Georgien, "und dann wird es für jede Mannschaft der Welt schwer." Sogar gegen den 110. der Weltrangliste also. Dass es dazu kommen konnte, hatte eben seinen Ursprung in der vermaledeiten Torausbeute, Marco Reus hatte nicht nur den Torwart warm, sondern den Gegner stark geschossen.

"Wir müssen mannschaftlich besser verteidigen, sodass der Gegner nicht zu solchen Kontern kommt", führte Hummels fort. Die Sekundenschlaf-Momente verfolgen ihn seit einigen Wochen. Im Bundesliga-Duell gegen den FC Bayern übertölpelten ihn die weiten Pässe von Jérôme Boateng. In Dublin überraschte ihn wieder so eine Bogenlampe, er reagierte gegen den Siegtorschützen Shane Long zu spät - eingelullt von den vielen Möglichkeiten im Angriff. Gegen Georgien nun das gleiche Bild: Hummels wirkte mit zunehmender Dauer auf dem Platz, als gingen ihm die verschossenen Jahrhundertchancen seiner Kollegen noch einmal durch den Kopf, bevor er mit einer Aktion die gegnerischen Angriffe zu unterbinden versuchte.

Hector und Ginter scheinen anfällig

Natürlich ist Hummels nicht alleine in den Zustand gekreiselt, nur weil er es aus Dortmund kennt. In der neu besetzen Viererkette Löws kommt es immer wieder zu Stellungsfehlern. Auf den Außenpositionen sind Jonas Hector und Matthias Ginter ebenso anfällig für erhöhten Konzentrationsabfall bei zunehmender Spieldauer und sinkender Torquote. Und selbst Jérôme Boateng, der in Spielen mit dem FC Bayern zum Oberguru der geschärften Sinne geworden ist, versinkt ab und an in Trägheit.

Wie das Problem am effektivsten zu beheben ist, muss nun erforscht werden. "Ich glaube, dass wir in allen Punkten noch Verbesserungspotential haben", sagte Hummels, "aber dass man auch Hoffnung haben darf, dass wir das vor der EM noch auf ein ganz anderes Niveau heben." Wer heute als Coach für Konzentrationsübungen beim DFB einsteigt, hätte auf jeden Fall eine interessante Aufgabe zu lösen.

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