Debatte um Pyrotechnik im Stadion:Umdenken für den Kurvenfrieden

Wenn am Freitag endgültig der Ausgang des Relegationsspiels entschieden ist, beginnt für Verbände, Fans und Politiker die Zeit des Nachdenkens: Wie geht es weiter mit der Diskussion um bengalische Feuer? Die Staatsmacht drängt auf Restriktionen, Ligaverantwortliche bauen auf Dialog - und in der Ultraszene bahnen sich positive Signale an.

Christoph Ruf

Ihr Slogan klingt wie ein Hilfeschrei. Und ihr Anliegen ist so plausibel, dass sich in diversen Internetforen Unterstützer finden: "Bürotechnik ist kein Verbrechen" haben ein paar Spaß- vögel ihre Initiative genannt. Sie fordern nicht mehr und nicht weniger, als dass Aktenordner, Locher und Radiergummis endlich vom Ruch der Illegalität befreit werden müssen. So wie es die Ultras mit ihrem Schlachtruf "Pyrotechnik ist kein Verbrechen" tun, wenn mal wieder ein Stadionsprecher durchsagen muss, dass die "lieben Fans in der Kurve" doch bitte auf "das Abbrennen von Feuerwerks- körpern" verzichten mögen.

Fortuna Duesseldorf - Hertha BSC

Wie es mit Pyrotechnik in den Stadien weitergeht, dürfte ein bestimmendes Thema dieses Sommers werden. 

(Foto: dapd)

Auch in Frankfurt, bei der Deutschen Fußball Liga (DFL), dürfte man über die Bürotechniker gelacht haben. Aber nur kurz. Geschäftsführer Holger Hieronymus hat ja Ende Dezember selbst auf den Kauf von Silvesterraketen verzichtet, um im Baumarkt nicht zum Fotomotiv feixender Ultras zu werden. Er wünscht sich, dass bald wieder mehr über Fußball gesprochen wird. Und weniger über die kleinen, bis zu 2000 Grad heißen Fackeln. Zuletzt war das ein frommer Wunsch.

Schließlich wurden im Saison- finale und in den Relegationsspielen bengalische Feuer, Rauchbomben und Böller en masse gezündet. Beim Rückspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC war das Geballer so heftig, dass das Spiel für sieben Minuten unterbrochen wurde.

Erst daraus resultierte die lange Nachspielzeit, in der Düsseldorfer Fans verfrüht auf den Platz stürmten und wegen der das DFB-Bundesgericht am heutigen Freitag entscheidet, ob eine Neuansetzung der Partie nötig ist - was allerdings weiter als unwahrscheinlich gilt. Allerdings könnten die Ereignisse von Düsseldorf andere Folgen haben: Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass sie mittlerweile sogar gegen drei Fortuna-Spieler wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz ermittele. Sie sollen Bengalo-Fackeln in den Händen gehalten oder sogar gezündet haben.

Die hitzige öffentliche Debatte, die so unterschiedliche Dinge wie Feuerwerkskörper, schwere Körperverletzung (wie nach dem KSC-Spiel gegen Regensburg) und vorschnellen Aufstiegsjubel auf dem Rasen (Düsseldorf) unter Vokabeln wie "Gewaltexzess" subsumiert, wurde sowohl in der Liga als auch in den Kurven als hysterisch empfunden. Politiker, die sich einen rasanten Wettbewerb um die drastischste Law-and-Order-Forderung lieferten, nehmen weder Vereinsmanager noch Ultras ernst.

Auch Holger Hieronymus findet die Forderung, Stehplätze abzuschaffen, deplatziert. "Stehplätze sind ein unverzichtbarer Teil der Fankultur. Wir nehmen aber auch zur Kenntnis, dass die Forderungen aus Teilen der Politik vehementer werden, über deren Abschaffung nachzudenken."

Großes Treffen geplant

Vor der nächsten Saison werde es ein Treffen mit den Präsidenten der Erst-, Zweit- und Drittligisten geben. "Die grobe Richtung steht insofern fest, als sich der Fußball fragen muss, wo er die Sicherheitsmaßnahmen in der kommenden Saison verstärken kann." Gedacht ist offenbar an den Einsatz neuer, höher auflösender Kameras. Auch die übliche Praxis, dass Ultras auf dem Stadiongelände eigene Räumlichkeiten nutzen können (zum Beispiel, um Transparente zu lagern) dürfte auf den Prüfstand kommen. "Prävention allein wird nicht reichen", sagt Hieronymus. "Aber wir setzen weiter auf Dialog. Nach allem, was uns an Informationen vorliegt, findet in vielen Fanszenen ja auch gerade ein Umdenken statt."

Tatsächlich sagen viele Ultras hinter vorgehaltener Hand, dass sie nicht mehr lange gewillt sind, die Hardliner im Block stillschweigend zu dulden. Allerdings wirkt das Scheitern der Gespräche zwischen der Ultra-Initiative "Pyrotechnik legalisieren" sowie DFB und DFL nach. Die Fans wollten über ein geduldetes Abbrennen in ausgewiesen Stadionsektoren verhandeln und versprachen im Gegenzug, auf jedes unkontrollierte Abbrennen zu verzichten.

Der Kompromiss scheiterte. "Die harte Haltung der Verbände hat denen erst die Argumente geliefert. Die finden, dass es eh' keinen Sinn hat, mit Vereinen und Verbänden zu reden", sagt Volker Goll von der Koordinierungsstelle der Fanprojekte.

Allerdings greift die in Fankreisen weit verbreitete Sicht, dass die Fußballverbände überhaupt nicht an einer Befriedung der Lage interessiert seien, zu kurz. Vielmehr sprechen sich oftmals die Vereinsvertreter oder die örtliche Feuerwehr vehement gegen die Ausweisung von Pyrozonen aus. Die einen befürchteten Mindereinnahmen, die anderen, dass sie die öffentliche Sicherheit nicht garantieren könnten.

Die übergroße Mehrheit der deutschen Ultragruppen, heißt es aus der Szene, hätte eine Dialog-Lösung als Befreiung empfunden. Viele seien der immer strenger werdenden Kontrollen überdrüssig. Doch es gebe eben auch kleinere radikalere Gruppen, die die Machtprobe weiter auf die Spitze getrieben hätten.

Nur gut, dass jetzt für ein Vierteljahr der Ligabetrieb ruht - und dass alle Beteiligten Zeit haben, die Debatte mit etwas mehr Ruhe zu führen.

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