Debatte um Fußball und Doping:Hochintensiver Laufsport

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Erst beschweren sich die Ukrainer über angeblich kontaminierten Salat, dann macht der 35-jährige Andrej Schewtschenko ein grandioses Spiel. Ob das ein schlüssiges Gesamtbild ergibt? Qualität im Fußball heißt auch, in der 90. Minute noch einen Gegner abzulaufen. Da hilft bisweilen Jugend - oder auch andere Mittel.

Claudio Catuogno

Joachim Löw hat kürzlich darüber Auskunft gegeben, warum ihm ein junger Spieler mit wenig Erfahrung im Zweifel lieber ist als ein alter Spieler mit viel Erfahrung: weil sich der Fußball "zum hochintensiven Laufsport" entwickelt hat. Wenn Löw also über "Qualität" in seinem Kader spricht, meint er damit nicht nur Schusstechnik oder die Fähigkeit, Passwege zu antizipieren. Qualität heißt für ihn auch, in der 90. Minute noch einen Gegner abzulaufen. Da hilft Jugend bisweilen.

Jubel über den Auftaktsieg: Stürmer Andrej Schewtschenko und Trainer Oleg Blochin. (Foto: Reuters)

Der deutsche Bundestrainer hat diese Präferenz als Teil seiner fachlichen Analyse geschildert. Es ging nicht um Doping. Dennoch war das Impulsreferat nebenbei auch die Abkehr von einem Irrglauben, der im Deutschen Fußball-Bund (DFB) lange mit Verve vertreten wurde: "Doping im Fußball bringt nichts." Dafür sei dieser Sport viel zu komplex. Die Wahrheit ist: Die Versuchung, sich unerlaubt einen Vorteil zu verschaffen, ist immer dann groß, wenn es in einem Sport um Kraft oder Ausdauer geht. Und um viel Geld.

Noch Fragen? Ja, eine noch: Was diese langsam um sich greifende Erkenntnis nun mit einem Salat aus Bad Gögging zu tun hat?

Zur Erinnerung: Die Nationalelf der Ukraine hatte vor ihrem letzten Testspiel in Bayern kollektiv über Magenverstimmung geklagt, als Ursache wurde kontaminiertes Grünzeug benannt. Ein ukrainischer Trainer indes lenkte die Diskussion in eine andere Richtung: Alexander Sawarow, so heißt der Mann, erinnerte sich an eine ähnliche Kollektiv-Übelkeit während seiner Zeit bei Arsenal Kiew. Kurz nach der rätselhaften Krankheitswelle gab es dort eine positive Dopingprobe. Der Arzt wiederum, der seinerzeit die Kiewer betreute (und vom Verband danach gesperrt wurde), wirkt heute bei Oleg Blochins Nationalmannschaft. Dort also, wo sich am Montag ein 35-jähriger vermeintlicher Fußballrentner nahtlos eingefügt hat in eine beachtliche Lauf- und Kraftanstrengung.

Ob all das ein schlüssiges Gesamtbild ergibt? Dass die Beteiligten empört dementieren, muss jedenfalls nichts heißen. Selten genug, dass sich in dieser Branche überhaupt ein Kronzeuge aus der Deckung wagt mit einem konkreten Verdacht. Es ist keine angenehme Debatte, die hier Einzug hält, sie verdirbt den Spaß am Hochglanzbetrieb Fußball-EM, und notgedrungen tut man immer Athleten unrecht, wenn man sie führt. Den gleichen Athleten täte man allerdings auch unrecht, wenn man diese Debatte nicht führen würde. Es sind jene, die ihren Sportberuf moralischen Regeln unterwerfen. Davon gibt es in jedem Alter genug.

© SZ vom 13.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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