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Debatte um Frauen in der NBA:Riesin unter Giganten

Bekommt Dirk Nowitzki bald eine neue Kollegin? Klubbesitzer Mark Cuban bringt die College-Spielerin Brittney Griner als Verstärkung für die Dallas Mavericks ins Gespräch. Ein Publicity-Gag? Oder ernsthaftes Buhlen um das derzeit größte weibliche Basketball-Nachwuchstalent der USA?

Von Johannes Mitterer

Lindsey Vonns Start bei der Abfahrt der Männer scheiterte einst nur am Veto des internationalen Skiverbandes FIS, Danica Patrick überholte ihre männlichen Kollegen in der US-amerikanischen Nascar-Serie und mit Beitske Visser steht erstmals eine Frau im Formel-1-Nachwuchsprogramm des Red-Bull-Rennstalls.

Die Sache mit Frauen und Männern in getrennten Wettbewerben scheint im Profisport längst nicht mehr eindeutig. Die Grenzen werden durchlässiger.

Ein Trend, der wohl auch Mark Cuban nicht verborgen blieb. Der Besitzer der Dallas Mavericks sorgte zuletzt für Aufsehen, indem er Brittney Griner, Basketball-Ausnahmetalent der Baylor University in Waco, Texas, als mögliche Verstärkung für seine NBA-Mannschaft ins Spiel brachte.

"Wir beobachten jeden verfügbaren Spieler auf dem Planeten. Das ist unser Job. Und wenn sie die beste Wahl ist, dann nehmen wir sie", sagte der Milliardär am Rande eines Spiels seiner Mannschaft mit Ausblick auf den Draft. Bei der jährlichen Ziehung wählen NBA-Klubs die besten Nachwuchsspieler von den Universitäten. Cuban, ein redseliger Mann, wisse zwar nicht, ob sie sich tatsächlich durchsetzen könne, eine Chance würde er ihr aber auf jeden Fall geben.

Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Aussagen ließen nicht lange auf sich warten, lässt der extrovertierte Klub-Besitzer doch sonst auch keine Gelegenheit aus, um Aufsehen zu erregen. Einige fühlen sich ans Jahr 1977 erinnert, als die Utah Jazz in der siebten Runde des Drafts Lusia Harris wählten, aber nie einsetzten. Der Grund für eine solche Aktion ist denkbar einfach: "Schau dir die Publicity an, die wir bekommen haben", sagt der damalige Jazz-Manager Lewis Shaffel. 1979 versuchte Anne Meyers-Drysdale etwas ernsthafter den Schritt in die NBA und erhielt sogar einen Vertrag von den Indiana Pacers. Ins Team schaffte sie es aber auch nicht.

Griner jedenfalls antwortete recht schnell auf Cubans Avancen: "Ich würde mich behaupten! Los geht's", twitterte die 22-Jährige. "Ich bin noch nie einer Herausforderung aus dem Weg gegangen!", sagte sie dem US-Sportsender ESPN. Solche selbstbewussten Sprüche ehren die junge Frau, sie verdeutlichen sogar ihren Biss, es wirklich zu schaffen - doch echte Chancen dürfte sie trotzdem kaum haben. Die beste Basketballliga der Welt hat sich vor allem in den vergangenen Jahren zu einem kraftstrotzenden Muskelwettbewerb entwickelt. Dass sich eine Frau ernsthaft behaupten könnte, ist höchst zweifelhaft.

Griner selbst beherrscht ihr Handwerk dennoch auf besondere Weise - unter den Basketballfrauen ist sie eine der Besten. In ihrer College-Laufbahn erreichte sie mit insgesamt 3283 Punkten den zweiten Platz in der Liste der besten NCAA-Punktesammlerinnen. Mit 748 Blocks dominierte die 2,03-Meter große Centerspielerin wie keine ihrer Vorgängerinnen das Spiel unter den Körben.

Wäre sie also - rein theoretisch - gut genug für die NBA? Der einhellige Tenor der zumeist hypothetisch geführten Diskussion: Sie ist fabelhalt, spielt aber die falsche Position, um bei den Männern mitzuhalten. Die männlichen Centerkollegen sind ihr schon rein körperlich stark überlegen. Mit ihrer Größe könnte sie eher auf der Position des Small Forwards glänzen.

Diese Position beschreibt Dirk Nowitzki im Gespräch mit Dallas Morning News so: "Dort musst du schnell und athletisch sein. Du musst werfen und an Gegenspielern vorbeiziehen können. Und auf der anderen Seite musst du den Gegnern um Blöcke herum nachjagen und aufposten. Es ist hart." Deutschlands bester Basketballer wechselte selbst im Lauf seiner Karriere die Position, allerdings von außen nach innen. Er spielt mittlerweile oft als Center. Im Falle einer Verpflichtung Griners wäre Nowitzki ihr prominentester Teamkollege bei den Mavericks.

Aber wer sagt, dass sie im unwahrscheinlichen Fall einer Verpflichtung direkt mit den Allerbesten mithalten müsste? Schließlich spielen auch in der besten Basketballliga der Welt nicht alle auf dem Level von Dwight Howard oder Tyson Chandler, den wohl stärksten Centern. Auch im US-Basketball gibt es Lückenfüller, Kurzarbeiter und weniger talentierte Leute. Wäre ein Bankplatz mit ein paar Minuten Spielzeit pro Partie Beweis genug, dass eine Frau es unter lauter riesigen Typen schaffen kann?

Eben nicht, argumentieren Vertreter des Frauen-Basketballs in den USA. Und überhaupt müsse Griner hier gar nichts beweisen. Schließlich existiert mit der WNBA in den USA eine eigene Frauenliga, die sich seit ihrer Gründung 1996 entgegen aller Widerstände etabliert hat. So gibt es eigentlich keinen Grund, in einem ungleichen Duell herauszustreichen, dass Frauen im Basketball den besten männlichen Kollegen unterlegen sind.

"Es wäre Augenwischerei. Zu glauben, dass eine Frau in der NBA erfolgreich mithalten könnte, ist angesichts des hohen spielerischen Niveaus, das dort herrscht, absolut lächerlich", sagte Geno Auriemma.

Auriemma trainiert die Damenmannschaft der University of Connecticut und holte mit dieser kürzlich den NCAA-Titel. Er kämpft seit Jahren fürs Selbstbewusstsein und die Unabhängigkeit des Frauen-Basketballs - und gegen alle Geschlechtervergleiche.

Griner würde mit einem Wechsel in die NBA zudem die große Chance verstreichen lassen, mit ihrem Talent genau diese Bemühungen fortzusetzen. Duelle mit etablierten Centerspielerinnen wie Tina Charles (Connecticut Sun, MVP 2012) oder Sylvia Fowles (Chicago Sky) können der Attraktivität und Relevanz der WNBA nur förderlich sein.

"Ich hoffe, dass sie einfach bei der WNBA bleibt, weil sie hier großen Einfluss erreichen und weiter das beweisen kann, was wir über die Jahre aufgebaut haben", sagte Louisville-Trainer Jeff Walz in der New York Times.

Neben Griner und der WNBA könnte schließlich auch Cuban aus sportlicher Sicht eigentlich nur verlieren. "Sein Genie würde einen großen Schaden erleiden, wenn er Griner draften würde", sagte Auriemma. Griner hat ihren Pfad ohnehin schon abgesteckt: "Das Ziel ist ganz klar die WNBA, dort gehe ich hin."

Aller Voraussicht nach wird sie beim WNBA-Draft am 15. April an erster Stelle ausgewählt werden und in der kommenden Saison für Phoenix Mercury auf Körbejagd gehen. Große Gefahr, dass der WNBA das Ausnahmetalent Griner zu Gunsten der NBA verlorengeht, besteht also eher nicht. Eine interessante Debatte hat sie trotzdem ausgelöst.

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