Debatte um DFB-Chef Zwanziger:Er wankt - aber fällt er auch?

Vor der DFB-Präsidiumssitzung steht Theo Zwanziger in der Kritik, doch aus der Bundesliga kommen unterstützende Stimmen. Ein potentieller Herausforderer winkt ab.

Philipp Selldorf

Dem Eindruck, dass sich Theo Zwanziger während der vergangenen Tage in den Schmollwinkel verzogen habe, wird von Kennern entschieden widersprochen. "Der Begriff Schmollwinkel ist eine starke Untertreibung", weiß ein Mitglied des DFB-Präsidiums.

Dass sich der DFB-Präsident seit dem vergangenen Wochenende zurückgezogen und nicht mehr öffentlich geäußert hat, wird nicht nur auf Zwanzigers Ärger über die Kritik an seiner Rolle in der Schiedsrichter-Affäre zurückgeführt. Sondern auch auf das verunsicherte Selbstverständnis des Präsidenten. "Da ist viel Vertrauen verloren gegangen", heißt es. Die evangelische Bischöfin Margot Käßmann habe durch ihren mit großer Achtung aufgenommenen Rücktritt ein Beispiel gegeben, das Zwanziger in seine Überlegungen einbeziehe.

Die Lage hat sich außerdem keineswegs entspannt vor der ohnehin bedeutungsschwer beladenen Sitzung des DFB-Präsidiums, die am Freitag um elf Uhr in der Verbandszentrale stattfindet. Der Konflikt des DFB mit seinem ehemaligen Schiedsrichter-Funktionär Manfred Amerell erreicht neue Schauplätze.

Am Mittwoch hat Amerell Zwanziger wegen der im Januar erfolgten Bundesliga-Beförderung des Schiedsrichters Markus Wingenbach Günstlingswirtschaft unterstellt. Wingenbach, der aus Zwanzigers Heimatverein VfL Altendiez stammt, habe gemäß den objektiven Beobachtungskriterien nur an vierter Stelle gelegen, "es wurde also ein Schiedsrichter nach oben katapultiert". Zwanziger hat zu dem Vorwurf keine Erklärung abgegeben, das hat der Verband für ihn erledigt. Er kündigte - unter Verweis auf Wingenbachs einstimmige Berufung - eine Strafanzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede gegen Amerell an, was diesen angeblich aber nicht erschreckt. Er sieht sich gewappnet für einen Rechtsstreit.

Noch weiß zwar niemand, welche Belastungen dem DFB in den diversen angekündigten Strafverfahren in der Sache Amerell entstehen werden, aber zumindest während der Präsidiumstagung wird Zwanziger aller Voraussicht viel Zuspruch erfahren. Die Vertreter des Profifußballs haben sich darauf verständigt, den angeschlagenen Vorsitzenden moralisch aufzurichten.

Zwanziger sei als DFB-Präsident "alternativlos", erklärte der DFL-Präsident Reinhard Rauball (Borussia Dortmund) im Kicker. "Wir müssen ihn jetzt stützen", sagt DFL-Vize Peter Peters (Schalke 04). "Wir vom Liga-Vorstand sprechen da mit einer Zunge: Die persönliche Integrität von Theo Zwanziger steht außer Frage", stimmt Harald Strutz (Mainz 05) ein. Zwar haben sich DFL und Bundesliga oft genug über die Umtriebe des DFB-Chefs geärgert und sein Krisenmanagement in der Schiedsrichteraffäre wird schwer kritisiert, aber die Aussicht, dass der 64-Jährige gemütsbedingt zurücktreten könnte, macht niemanden froh.

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Was passiert mit Volker Roth?

Es sei einfach kein geeigneter Gegenkandidat in Sicht, heißt es. Zum Zweck stabiler Verhältnisse werden sich die Vertreter der DFL gegen die Einberufung eines außerordentlichen Bundestages Ende April aussprechen. Nicht zuletzt kommt Zwanziger zugute, dass sein Gegenspieler Amerell einen denkbar schlechten Leumund hat: "So wie er sich jetzt verhält, so ist er immer schon gewesen: Druck und Drohungen und Aggression, das sind seine Mittel", sagt ein Mann aus dem Präsidium.

Vom DFB-Vizepräsidenten Franz Beckenbauer braucht Zwanziger ebenfalls keine Opposition zu befürchten. Das Münchner Bayern-Idol war gerüchteweise als Nachfolger gehandelt worden, als mögliches Motiv wurde unter anderem Langeweile genannt, aber Beckenbauer machte jetzt am Rande einer Gala in Abu Dhabi klar, dass er mit diesem Gerücht nichts zu tun hatte.

"Ich sollte schon Fifa- und Uefa-Präsident werden und habe es nicht gemacht. Ich habe auch keine Lust auf den Präsidentenposten beim DFB", erklärte er dem sid und sprach Zwanziger das Vertrauen aus. "Er ist ein guter und starker Präsident. Ich stehe zu hundert Prozent hinter ihm. Er wird jetzt nicht entnervt aufgeben."

Weniger Solidarität im Präsidium hätte der Schiedsrichter-Chef Volker Roth zu erwarten. Er hat jedoch angekündigt, nicht nach Frankfurt zu kommen. Das erspart ihm die Konfrontation mit den Kritikern seines allzu diskreten Vorgehens in der Schiedsrichteraffäre um Amerell und Michael Kempter.

Fast vier Wochen hat er gewartet, bis er sein Wissen um Kempters Belästigungsvorwürfe in die DFB-Zentrale nach Frankfurt/Main getragen hat. Wahrscheinlich werden sich nicht nur die Vertreter der Liga für seine sofortige Abberufung aussprechen ("man darf da nicht auf den freiwilligen Rückzug warten"), und Zwanziger wird sich anstrengen müssen, um verständlich zu machen, warum er Roth bisher ausdauernd gestützt und verteidigt hat.

Roths designierter Nachfolger Herbert Fandel, der auf der Sitzung in Frankfurt sein Konzept für die Reform des Schiedsrichterwesens vorstellen soll, würde es zwar vorziehen, frühestens erst zur neuen Saison die Arbeit zu beginnen, im Notfall stünde er aber auch für die sofortige Übernahme bereit.

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