Debatte nach Attacke auf Togos Team:Afrikas Fußballtraum

Die Ängste vor einer gefährlichen Chaos-WM sind nachvollziehbar, aber unbegründet. Die Situation in Angola ist mit Gastgeberland Südafrika nicht zu vergleichen.

Arne Perras

2010 sollte ein magisches Fußballjahr werden für Afrika. Die Menschen auf dem Kontinent sind ja ganz verrückt nach dem Ball. Überall wird gekickt, auf staubigen Dorfplätzen, in Slums und den Townships, auf Lichtungen im Urwald, in Wüsten und Savannen. Und schon bald hat dieser Kontinent die ganze Welt bei sich zu Gast, wenn in Johannesburg am 11. Juni die Weltmeisterschaft angepfiffen wird. In Südafrika ist der Fußball schon zur Chiffre für eine bessere Zukunft geworden. Der Sport soll die Nation zusammenschweißen, Versöhnung fördern, Entwicklung möglich machen. Um den Ball scharen sich Stolz und Lebensfreude, Zähigkeit und die Zuversicht, dass alles einmal besser wird. Doch nun ist dieser finstere Tag über den afrikanischen Fußball hereingebrochen mit Gewalt und Tod.

Debatte nach Attacke auf Togos Team: Angolas Fans feiern ihr Land und ihr Fußballteam - an ein friedliches WM-Spektakel in Südafrika glauben manche Beobachter nicht mehr.

Angolas Fans feiern ihr Land und ihr Fußballteam - an ein friedliches WM-Spektakel in Südafrika glauben manche Beobachter nicht mehr.

(Foto: Foto: AP)

Togos Nationalelf ist in Angola von Rebellen überfallen worden, kurz vor dem Start des Afrika-Cups. Im Kugelhagel gab es drei Tote und viele Verletzte. Schock, Zorn und Angst beherrschen die Stimmung. Unter dem Angriff leidet wieder einmal der Ruf des ganzen Kontinents. Der weinende Stürmerstar Emmanuel Adebayor von Manchester City, ansonsten der ganze Stolz Afrikas, ließ seiner Verzweiflung freien Lauf. Wieder habe Afrika eine große Chance verpatzt, sein Image zu ändern, klagte der Togoer. So könne man nicht erwarten, vom Rest der Welt respektiert zu werden.

Vorsicht bei Pauschalurteilen

Nun wird wieder debattiert, ob Afrika überhaupt fähig ist, Großveranstaltungen im Sport auszurichten. Man sollte bei diesen pauschalen Urteilen sehr vorsichtig bleiben, besonders mit Blick auf das Megafest, die WM am Kap. Denn welche Schlüsse lassen sich eigentlich aus dieser Attacke für die WM-Tauglichkeit der Republik Südafrika ziehen? Genau betrachtet: gar keine. Zwischen der angolanischen Exklave Cabinda und den Metropolen Südafrikas liegen Welten.

Südafrika ist die lebhafteste Demokratie des Kontinents, der wirtschaftliche Motor Afrikas. Angola dagegen kämpft mit den Nachwehen eines jahrzehntelang währenden Bürgerkrieges, sein Regime ist zwar reich, aber auch autoritär und korrupt. Es wäre geradezu absurd, aus dem finsteren Vorfall in Cabinda abzuleiten, dass die Vergabe der WM an Südafrika vielleicht doch keine gute Idee gewesen war. Wenn die Mafia in Sizilien einen Richter niederstreckt, so würde in Europa ja auch niemand auf die Idee kommen, seine Bürger vor Reisen nach Finnland zu warnen.

Im Video: Vor dem Eröffnungsspiel in der angolanischen Hauptstadt Luanda wurde der Opfer des Angriffs auf den Bus der togoischen Mannschaft gedacht. Weitere Videos finden Sie hier

Die Psyche der Massen folgt allerdings anderen Gesetzen. Diffuse Ängste setzen sich fest, besonders wenn es um einen Teil der Welt geht, den nur wenige gut kennen. Diejenigen, die es mit dem Differenzieren nicht so genau nehmen, werden bekannte Reflexe zeigen: Da sieht man es wieder, werden sie stöhnen, die Afrikaner kriegen das einfach nicht hin. Zu viel Krieg, zu viel Chaos, keine Planung, keine Sicherheit. Ergo: Bleibt lieber weg von der WM, wo immer sie auch in Afrika stattfinden mag.

Diese Reaktion speist sich aus tief sitzenden, aber kaum reflektierten Klischees. Sie ist, in ihrer schärfsten Form, eine Spielart des Rassismus. Afrika ist in dieser Vorstellungswelt ein monolithischer Block der Düsternis. Diese Wahrnehmung ist der imperialistischen und sozialdarwinistischen Ideenlehre des 19. Jahrhunderts näher als der Gegenwart.

Südafrika wird seine Gäste schützen

Tragisch ist, dass Südafrika unter der Furcht, die der Fall Angola bei Spielern und Fans auslösen wird, erheblich leidet - obwohl der WM-Gastgeber damit gar nichts zu tun hat. Nach allem, was man bislang sehen konnte, hat sich Südafrika ganz gut gewappnet für diese WM. Richtig ist, dass das Land ein ernstzunehmendes Kriminalitätsproblem hat. Doch das hält Touristen nicht davon ab, dort einen glücklichen Urlaub zu verbringen. Wer einige Regeln befolgt, kann das Risiko ganz gut beherrschen, zumal das Land alles tun wird, um seine Gäste zu schützen.

In Cabinda war hingegen ein Phänomen zu beobachten, das nicht nur in Afrika in Erscheinung tritt. Bewaffnete Gruppen oder Terroristen attackieren die Welt des Sports, um maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen und so den Horror zu steigern. München 1972 kommt in Erinnerung, oder die Attacke auf das Cricket-Team Sri Lankas in Pakistan im März 2009. Der Sport wird gekidnappt für Ziele des bewaffneten Kampfes. Wie alle friedlichen Spektakel ist er leicht verwundbar. Dies ist weder neu noch ein spezifisches Merkmal der afrikanischen Welt.

Angola wird noch erklären müssen, warum das Land fundierte Zweifel am Spielort Cabinda fortgewischt hat. Womöglich hat der Staat seine Verantwortung nicht ernst genommen. Der Konflikt in der Exklave ist nicht gelöst, dennoch sollte dort gespielt werden. Dem langen Schatten, den der Angriff auf den Afrika-Cup wirft, kann sich Angola nicht mehr entziehen. Für den afrikanischen Fußball und die Freude, die er normalerweise versprüht, ist Cabinda eine Katastrophe. Aber der Sport wird diese Katastrophe überstehen, weil Afrika, bei all seinen Problemen, von zuversichtlichen Menschen bevölkert wird. Sie alle fiebern hin auf ihre große Chance 2010. Nicht in Angola, sondern in Südafrika. Wie verabredet. Am 11. Juni.

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