Süddeutsche Zeitung

Neuer Davis Cup:"Das ist lächerlich. Er weiß nichts über den Tennissport"

Lesezeit: 3 min

Von Gerald Kleffmann, Frankfurt

Links und rechts hingen die Heinrichs, Ottos und Friedrichs in alter Pracht, aber sie waren auch keine Hilfe für Alexander Zverev. Er dachte kurz nach, und dann fiel ihm von alleine ein, woher er Peter Nagy kenne. "Ich habe mal gegen ihn mit 15 gespielt, bei einem Future", sagte der 21-jährige Weltranglisten-Dritte, "ich habe gegen ihn verloren, irgendwo in Florida auf Sand." Er machte eine Pause. "Er spielt immer noch Futures, glaube ich."

Das tut der 26 Jahre alte Ungar, der im Einzel nicht in der Weltrangliste geführt ist. Philipp Kohlschreiber musste nicht lange grübeln. Der 35-Jährige, 32. im Ranking, kenne Zsombor Piros, Nummer 332, nicht. Aber es gebe noch "eine kleine Videostunde", verriet er und schaute zu Michael Kohlmann. Der Teamchef der deutschen Davis-Cup-Mannschaft sah entspannt aus. Viel entspannter als die deutschen Kaiser, die mürrisch von ihren Gemälden im Kaisersaal des Römers in Frankfurt auf die tennisspielende Gesellschaft herunterblickten.

An diesem Freitag startet die neue Ära des wichtigsten Teamwettbewerbs im Männertennis, und dabei ist die Auswahl des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) in einer monströs großen Favoritenrolle in der Fraport Arena gegen die nicht in Bestbesetzung antretenden Ungarn (16 Uhr/DAZN). Auch, weil Spitzenspieler Marton Fucsovics (Nr. 47) wegen eines Zwists mit dem Verband fernblieb. Kohlmann kommentierte diesen Fakt mit einem Augenzwinkern, er weiß, dass es Zeiten gab, in denen es DTB-intern auch mal knisterte.

Die gute Nachricht demnach ist, dass in 2019 die deutsche Mannschaft ihre Stärksten aufbietet, auch das furiose Doppel "Tim und Struffi", Tim Pütz und Jan-Lennard Struff, steht parat. Zwar sagte Boris Becker zurecht, dass es "im Davis Cup immer verrückte Geschichten gibt". Gleichwohl weiß der als Head of Men's Tennis in Frankfurt anwesende Ex-Profi, dass es keinen anderen Sieger als das DTB-Team vom spielerischen Niveau her geben sollte. Gesetzt den Fall, dass der erwartete Sieger sich durchsetzt, ginge es indes verrückt weiter. Bei der Finalwoche würde Deutschland nicht in Bestbesetzung antreten.

"Ich bin jemand, der gegen das neue System ist und sage das auch laut", stellte Zverev klar. Bisher wurde der Davis Cup in einer K.o.-Runde aus 16 Mannschaften ausgespielt - nun gibt es eine Quali-Runde am 1. und 2. Februar und ein riesiges Finalturnier mit 18 Mannschaten. Als Zverev auf die Terminierung der Endrunde mit den 18 Teams (qualifiziert sind die zwölf Sieger der ersten Runde, die Vorjahres-Halbfinalisten Kroatien, Frankreich, Spanien und die USA sowie Argentinien und Großbritannien per Wildcard) zu sprechen kam, verwendete er die Worte "katastrophal" und "Wahnsinn". Die Australian Open stünden ja nur wenige Wochen nach dem angesetzten Datum (18. bis 24. November in Madrid) an, davor seien die ATP Finals, irgendwann müsse sich ein Profikörper erholen. Zverevs Argumente teilen namhafte Profis wie Roger Federer und Novak Djokovic. Von den vielen Machtkämpfen, die es im Welttennis unter den Touren und Verbänden gibt, hat der im Davis Cup jedoch eine einzigartige Note.

Das liegt vor allem an dem Mann, der federführend die Zäsur zu verantworten hat: Gerard Piqué. Der Fußballweltmeister und Profi des FC Barcelona hat dank monetärer Versprechen - drei Milliarden Dollar über 25 Jahre will er mit seiner Investmentfirma Kosmos garantieren - nicht nur den um die Wiederwahl als Präsident des Internationalen Tennis-Verbandes (ITF) kämpfenden David Haggerty (USA) hinter sich gebracht - sondern auch genug Länder, die für die Reform stimmten; der DTB war dagegen. Man habe sich dafür entschieden, "mehr Geld zu verdienen", brachte Zverev den neuen Kurs auf den Punkt.

Wie sehr seitdem ein Graben durch die Tennisgemeinde läuft, offenbarte gerade eine Wutrede von Lleyton Hewitt. "Wir werden von einem spanischen Fußballspieler geführt", trug die frühere Nummer eins der Welt und nun Kapitän des australischen Davis-Cup-Teams vor, "das wäre geradewegs so, als ob ich Änderungen an der Champions League vornehmen würde. Das ist lächerlich. Er weiß nichts über den Tennissport." Andere nennen den Davis Cup gar Piqué-Cup. Auch Becker hatte sich zunächst kritisch zum neuen Modus geäußert, bei dem vor allem die Anzahl möglicher stimmungsgeladener Heimspiele wegfällt, da nach der ersten Runde nur noch die Finalwoche ansteht.

Bei einer Ehrung der deutschen Davis-Cup-Sieger von 1988 gab sich Becker nun diplomatisch. "Man muss es abwarten. Ich gebe jeder neuen Form eine Chance", sagte er, "ich glaube, der Ärger ist verflogen. Grundsätzlich sei er neuen Ideen aufgeschlossen. Weiter: "Wenn wir uns für das Finale qualifizieren, muss man sehen, was passiert." Erste Bilanz werden die Macher, insbesondere ITF und Piqué, sicher nach diesem Wochenende ziehen, an denen einiges neu ist: Statt drei sind nunmehr nur zwei Gewinnsätze nötig. Und nach den zwei Einzeln folgen am Samstag (12 Uhr) das Doppel und am selben Tag nun die beiden anderen Einzel überkreuz.

Zverev würde im November fehlen, das steht aus deutscher Sicht fest, aber der ATP-Finals-Sieger von 2018 betonte: "Ich hoffe, wir qualifizieren uns, und dann wünsche ich den Jungs das Beste." Eine merkwürdige Konstellation ist das sicher schon.

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SZ vom 01.02.2019
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