Süddeutsche Zeitung

Davis Cup:Mit Zverev in die Relegation

Das deutsche Team verliert gegen die Schweiz, weil dem Olympiasieger nach der Verletzung noch die Beständigkeit fehlt. Verlässliches Weltklassetennis liefert derzeit nur das Doppel.

Von Barbara Klimke, Trier

Guter Rat ist manchmal, trotz bester Absicht, schwer zu befolgen. Zum Beispiel dann, wenn ein Debütant im Davis Cup den Platz betritt. Vor sich, auf der anderen Seite des Netzes, einen dreimaligen Grand-Slam-Sieger, Stan Wawrinka. Über sich, auf den Tribünen, die 4000 erwartungsvollen, begeisterungsfähigen Zuschauer. Und neben sich, auf der Bank, die Kollegen aus der Mannschaft, für die der Debütant die letzte Hoffnung ist, um beim Zwischenstand 2:2 den letzten Punkt zum Sieg im Länderduell gegen die Schweiz zu erjagen.

"Ich war bereit", sagte Daniel Altmaier, 24 Jahre aus Kempen, Nummer 91 der Weltrangliste, den Teamkapitän Michael Kohlmann nachnominiert hatte. Aber der Davis Cup sei dann doch eine gewaltige Herausforderung. "Wenn man jemand vorher sagt: Sei ruhig, spiel aus den Beinen, dann geht das irgendwie!", dann wisse er jetzt leider: So einfach ist es nicht: "Das ist von außen leichter gesagt."

Altmaier hat sich am späten Abend nach drei aufopferungsvollen Sätzen (3:6, 7:5, 4:6) dem Schweizer Routinier Wawrinka beugen müssen. Im ersten Satz lag er fast aussichtslos zurück; dann kämpfte er sich unter dem Jubel der Leute bei Trommelwirbel und Sprechchören heran, verpasste im dritten Satz durch einen leichten Fehler das mögliche Break und war nach der Niederlage tief deprimiert. "Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so emotional mitgenommen war", flüsterte er - dabei hatte er sich erst im Januar bei den Australian Open mit einem anderen Tennisschwergewicht, Frances Tiafoe (USA), über vier Sätze duelliert.

Doch Wawrinka, "Stan the Man", wie er in der Szene heißt, ist ein anderes Kaliber - und zudem eine Art Mentor für Altmaier, weil beide vom selben Management betreut werden. Der 37 Jahre alt Schweizer hatte acht Jahre lang nicht mehr im Team der Eidgenossen gespielt. Aber Team-Kapitän Severin Lüthi versprach sich vom Rückkehrer "Motivation und Inspiration" für die ansonsten junge Mannschaft. Und auf die fabelhafte einhändige Rückhand, die Wawrinka in seinem dritten Match binnen zwei Tagen die Linie entlang zirbelte, war ebenfalls Verlass. Altmaier habe sich nichts vorzuwerfen, sagte Kapitän Kohlmann: "Er hat alles auf dem Platz gelassen."

Auch Kohlmann hatte kaum erwartet, dass ausgerechnet Alexander Zverev, 25, zuvor den Matchball für das deutsche Team vergeben sollte. Mit gesenktem Kopf, hängenden Armen, auf den Boden gerichtetem Blick schritt Zverev nach seiner Niederlage gegen Marc-Andrea Hüsler, die Schweizer Nummer eins, vom Platz. 2:6, 6:7 (4) lautete das Resultat, und anders als am Tag zuvor lieferte Zverev am Samstag eine wenig erbauliche Vorstellung. "So bitter es ist: Solche Matches wird es geben in dem Prozess, in dem ich bin", sagte er. "Und es wird wohl nicht das letzte sein."

Zwei Tage, zwei unterschiedliche Bilanzen für Zverev. Sein Auftritt am Freitag gegen Wawrinka (6:4, 6:1) war fulminant. Vom "besten Spiel seit meiner Rückkehr" sprach er danach. Am Samstag ließ er das Publikum ratlos zurück. Zverev ist acht Monate nach der schweren Fußverletzung noch auf der Suche nach Konstanz. "Am Ende des Tages war es viel besser als in Australien, aber bei weitem noch nicht so gut, wie es sein muss", sagte er. Übernächste Woche will er beim ATP-Turnier in Rotterdam antreten, bis zur Sandplatzsaison im Frühling hofft er Beständigkeit im Spiel.

In Trier, vor vollem Haus und trotz Unterstützung von Boris Becker, der als "Freund des Teams" eingeladen war, zeigte sich erneut, dass das deutsche Tennis auf Zverev in Bestform angewiesen ist, wenn es den großen Silbercup noch einmal gewinnen will. Der letzte von drei Triumphen liegt 30 Jahre zurück. Jan-Lennart Struff, 32, fehlte verletzt; und Oscar Otte, 29, aus Köln verlor zum Auftakt gegen Hüsler in einer Partie, in der er zu viele Chancen ausgeließ. Ohnehin stehen neben Zverev derzeit nur zwei DTB-Akteure, Otte und Altmaier, unter den besten 100 der Weltrangliste.

Es war die erste Niederlage gegen die Schweiz überhaupt für das DTB-Team in der Geschichte des Davis Cups. Kohlmann muss die Mannschaft, die zuletzt stets die Finalrunde erreichte, im September nun in die Relegationsrunde führen, um den Verbleib in der Weltgruppe zu sichern. "Das ist bitter. Wir hatten mehr erwartet", gab er zu.

Der größte Verlässlichkeitsfaktor liegt für Kohlmann seit Jahren im Doppel: Wen immer er nominiert, der Erfolg ist fast garantiert - zumindest wenn Kohlmann sicherstellt, dass ein Part von Tim Pütz übernommen wird. Der Frankfurter Doppelspezialist, 34 Jahre alt, hat am Samstag sein insgesamt vierzehntes Davis-Cup-Match gespielt und 13 davon gewonnen. Ihm zur Seite stand diesmal Andreas Mies, 32, als zweimaliger French-Open-Triumphator ein kongenialer Partner. Mies hatte kurzfristig den Part seines Kollegen Kevin Krawietz übernommen, der sich wegen der Geburt seines Kindes entschuldigen ließ.

Gegen das Schweizer Doppel Stan Wawrinka/Dominic Stricker (6:7, 6:3, 6:4) harmonierte die Neubesetzung Pütz/Mies jedenfalls von Anfang an. Auch die Rollenaufteilung klappte: Mies übernahm die Aufgabe des Animateurs, der das Publikum anstachelte. Pütz, nach eigener Aussagen "ein stilleres Naturell" schwieg und sorgte verlässlich für Volleypunkte.

Beim nächsten Auftritt im Doppel werden sie wohl versuchen müssen, den Abstieg des Teams aus der Weltgruppe zu verhindern.

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