Davis Cup im Tennis:Nah dran, aber nicht nah genug

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Fast fünf Stunden: Philipp Kohlschreiber im langen Entscheidungsspiel gegen David Ferrer. (Foto: AFP)
  • Das deutsche Tennisteam hat gegen Spanien knapp den Einzug ins Davis-Cup-Halbfinale verpasst.
  • Vor allem Philipp Kohlschreiber war in seinem Fünf-Satz-Match gegen David Ferrer nah an einem Sieg.
  • Alexander Zverev verteidigte seine Niederlage gegen Sandplatz-König Rafael Nadal vehement - auch wenn das gar nicht nötig war.

Von Philipp Schneider, Valencia

Für einen kurzen Augenblick stand Philipp Eberhard Hermann Kohlschreiber in der Stierkampfarena zu Valencia und sah aus wie ein Held. Ganz allein stand er da, auf der roten Asche in Spanien, um ihn herum türmten sich haushoch die Ränge mit den tobenden spanischen Zuschauern. Es lief der dritte Satz, Kohlschreiber holte gerade aus zum Aufschlag, als plötzlich ein greller Blitz über den düsteren Himmel zuckte. Die Intensität des Blitzes war so stark, dass es kurz heller wurde in der Arena, obwohl diese ohnehin noch immer von der Sonne beschienen wurde. Und ja, es sah wahrlich so aus, als würde sich der Himmel auftun, um dem einsamen Kohlschreiber beizustehen und zumindest von außen zu erleuchten. Doch Kohlschreiber erschrak sich, er brach den Aufschlag ab. Und die Spanier lachten.

Kurz darauf fing es an zu regnen, das Match wurde bei Aufschlag Ferrer unterbrochen, und als es weiterging, da machte Kohlschreiber Punkt um Punkt und nahm Ferrer den Aufschlag. Im fünften Satz fegte sogar ein kleiner Sandsturm durch die Arena, Ferrer hielt sich die Hände zum Schutz vor die Augen, er unterbrach sein Aufschlagspiel, kassierte das Rebreak. "Der Wind drehte von links nach rechts und von rechts nach links, wir hatten Sand in den Haaren und beim Duschen kam er aus den Ohren", erzählte Kohlschreiber, aber es half alles nichts. Er wurde doch nicht zum Held von Valencia.

Es hat nicht gereicht für ihn und für Alexander Zverev. Einen Punkt hätten sie holen müssen am Sonntag in ihren Einzeln, entweder Zverev gegen Rafael Nadal, oder Kohlschreiber gegen Ferrer. Es hat also nicht gereicht für Deutschland, um zum ersten Mal seit 2007 in das Halbfinale des Davis Cup einzuziehen. Aber sie waren nah dran, ganz nah. Vor allem Kohlschreiber.

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Zverev verlor deutlich mit 1:6, 4:6, 4:6 gegen Nadal. Aber Kohlschreiber zeigte gegen Ferrer ein Spiel, an das sich alle noch lange erinnern werden. 6:7 (1:7), 6:3, 6:7 (4:7), 6:4, 5:7. Im fünften Satz war er zwei Punkte entfernt vom Matchgewinn.

"Das ist eine der härtesten Niederlagen meiner Karriere", sagte Kohlschreiber. "Am Freitag gegen Nadal konnte ich danach sagen, ich hatte keine Chance. Heute habe ich sicher einige ausgelassen." Zwei Mal war Kohlschreiber im dritten Satz ein Break vorne gelegen und hatte beim Stand von 5:4 sogar zum Satzgewinn aufgeschlagen. Aber Ferrer ist wie ein Terrier, wenn er nicht schläft, ist er immer dafür gut, sich noch irgendwo festzubeißen.

Die Arena brodelte über in den letzten Sekunden dieses Matches, die Kohlschreiber wie die Hölle vorgekommen sein müssen. Zehntausend Spanier sangen "Nos vamos a ganar!", dann schickte Ferrer eine letzte Rückhand und für eine Weile wusste niemand, ob der Ball gut war, oder im Aus. Und dann ließ sich Ferrer, dieser 36 Jahre alte Dauerläufer, der nie Ruhe gibt, auf den Rücken fallen und genoss den Moment.

Es war ein Match, das nicht ob seiner Schönheit als das Meisterwerk von Valencia in die Geschichte eingehen wird. Auch war es mit vier Stunden und 51 Minuten doch ein wenig zu kurz, um als die Schlacht von Valencia erinnert zu werden. Aber Kohlschreiber und Ferrer spielten mit unglaublicher Leidenschaft und Intensität, sie zeigten ein Spiel, in das sie zeitweise hochklassige Ballwechsel einstreuten. Wenn dem in der Vergangenheit viel gescholtenen Kohlschreiber eines nicht vorzuwerfen war, dann, dass er dieses Spiel nicht unbedingt gewinnen wollte.

Nicht einmal Zverev konnte am Sonntag richtig wütend sein

Alexander Zverev hatte zuvor seinen Schläger geworfen in der Partie gegen Nadal. Nicht so wüst wie noch in der Woche zuvor, bei seiner Niederlage im Finale gegen John Isner in Miami. Nur ganz sanft. Das hier war schließlich Valencia. Der Belag war Sand. Und der Gegner hieß Nadal.

Nicht einmal Zverev konnte am Sonntag richtig wütend sein, dass er hilflos durch die Stierkampfarena gejagt wurde. Es ist ja so: Man kann der beste Spieler der Welt sein und trotzdem regelmäßig auf Sand gegen Nadal verlieren. Roger Federer ist es viele Jahre seiner Karriere so ergangen, Novak Djokovic auch. In jedem Satz hatte Nadal dem Weltranglistenvierten Zverev mit frühen Breaks jeglicher Hoffnung auf eine ausgeglichene Partie beraubt. "Leute, ihr müsst das verstehen, ich bin müde", sagte Zverev nach dem Match. "Ich bin kein Roboter. Ich bin hier vor fünf Tagen angereist, hatte seitdem keinen Tag frei. Dann habe ich es mit einem neuen Belag zu tun, habe dreimal trainiert und ein großartiges Match gegen Ferrer gespielt." Insofern, sagte Zverev, sei "okay, dass ich verloren habe". Er habe sich dem "großartigsten Sandplatzspieler aller Zeiten" geschlagen geben müssen, der "zehnmal die French Open, zehnmal in Monte Carlo, und zehnmal in Barcelona" gewann. Alles gut, hätte ihm jemand zurufen sollen. Zverev hielt eine Verteidigungsrede, die er nicht halten musste. Wer gegen Spanien weiterkommen möchte, der muss zumindest alle Partien gewinnen, an denen Nadal nicht beteiligt ist. Diese Mission gelang am Sonntag nicht. Auch wenn Philipp Kohlschreiber ganz nah dran war.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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