Davis Cup:Als Becker McEnroe schlug und Stich neun Matchbälle vergab

Die deutsche Tennis-Davis-Cup-Mannschaft blickt auf eine bewegte Vergangenheit mit drei Triumphen zurück. Die Erinnerungen in Bildern.

Von Matthias Schmid

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Halbfinale gegen die ČSSR in Frankfurt/Main 1985

Team BR Deutschland jubelt v li Teamchef Wilhelm Bungert Boris Becker Michael Westphal und Trai; Michael Westphal

Quelle: Sven Simon/imago

An Michael Westphal werden sich nur noch die Tennisliebhaber erinnern. Der Tennisprofi, der 1991 mit 26 Jahren an den Folgen einer AIDS-Erkrankung starb, erlebt 1985 seinen größten sportlichen Moment. Gänzlich überraschend gewinnt er im Halbfinale zwischen der Bundesrepublik und der ČSSR gegen den Weltklassespieler Tomas Smid und tritt vorrübergehend aus dem großen Schatten des Wimbledon-Siegers Boris Becker ins Rampenlicht. Sein Sieg im fünften Satz mit 17:15 nach fünf Stunden und 29 Minuten ist nicht nur bis dato das längste Match im Mannschaftsbewerb, sondern auch deshalb so kurios, weil sich während der Partie ein Stück Teppich vom Boden löst, als Westphal einen Volley spielt. Er bleibt unverletzt, Deutschland siegt 5:0 und zieht ins Endspiel ein, das die Mannschaft dann gegen Schweden in München mit 2:3 verliert.

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Relegationsspiel gegen die USA in Hartford 1987

Der begnadete Tennisrüpel John McEnroe wird 50

Quelle: Michael Probst/dpa

Die Partie zwischen Boris Becker und John McEnroe, die als Schlacht des Jahrhunderts in die Tennisannalen eingehen sollte, beginnt um 22.38 Uhr deutscher Zeit. Immerhin 3,82 Millionen Zuschauer schauen zu Hause am Fernseher noch zu, als Deutschlands Tennisliebling im fernen Hartford/Connecticut aufschlägt. Bis Becker seinen Matchball verwandelt, vergehen sechs Stunden und 21 Minuten - wie viele da noch auf der Couch aushielten, ist nicht überliefert. Becker und McEnroe liefern sich jedenfalls ein episches Duell, für die ersten drei Sätze benötigen sie allein fünf Stunden, in denen sich die beiden die Bälle auf aberwitzige Weise um die Ohren hauen. Becker siegt am Ende 4:6, 15:13, 8:10, 6:2 und 6:2. Hinterher sind sich beide einig, dass sie "Teil eines ganz großen Matches in der Geschichte des Tennis" geworden sind. Deutschland siegt am Ende mit 3:2 und bleibt in der Weltgruppe der besten 16 Mannschaften.

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Finale gegen Schweden in Göteborg 1988

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Quelle: Werek/imago

Ohne Hartford hätte es den 17. Dezember 1988 nie gegeben, der deutsche Sport wäre um ein Kapitel ärmer. Im Sport muss man ja vorsichtig mit Superlativen sein. Aber was sich damals abspielt, ist eine Sensation. Die deutsche Mannschaft um Boris Becker besiegt Schweden im Daviscupfinale in deren Halle, es ist das Wunder von Göteborg. Schweden hat in Stefan Edberg und Mats Wilander nicht nur die besten Einzelspieler damals, sondern auch den aufregendsten Doppelspieler mit Anders Jarryd. Ein deutscher Erfolg auf dem langsamen Sand scheint so unerreichbar zu sein wie eine Ballonfahrt zum Mond. Und doch gewinnt am Ende die deutsche Mannschaft, weil vor allem ein gewisser Carl-Uwe Steeb, damals ein Niemand von der Schwäbischen Alb, über sich hinausgewachsen ist. Er schlägt den Weltranglistenersten Wilander, aus einem Rückstand von 0:2-Sätzen. Den dritten und entscheidenden Punkt holen schließlich Becker und Eric Jelen im Doppel gegen Edberg/Jarryd und sichern so den ersten deutschen Sieg im Daviscup überhaupt.

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Finale gegen Schweden in Stuttgart 1989

Boris Becker und Eric Jelen

Quelle: imago sportfotodienst

Ein Jahr später begegnen sich die beiden Mannschaften abermals im Endspiel. Diesmal in Stuttgart. Und es ist das Wochenende des Boris Becker, der allein drei Punkte holt und damit die Titelverteidigung perfekt macht. Er ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens angekommen und besiegt sowohl Mats Wilander als auch Stefan Edberg und gewinnt im Doppel an der Seite von Eric Jelen. Seine Spiele sind so gewaltig wie Naturereignisse und reißen die Zuschauer in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle ständig aus ihren Sitzen. Carl-Uwe Steeb kann in seiner schwäbischen Heimat diesmal seinen Coup nicht wiederholen und verliert das Eröffnungseinzel gegen Wilander. Aber Boris Becker prägt das Wochenende ohnehin so wie nur er es vermag.

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Finale gegen Australien in Düsseldorf 1993

Michael Stich Tennis Davis Cup Sieger 1993 Team BRD in Düsseldorf Tennis Davis Cup; Michael Stich

Quelle: imago

Seit der Niederlage im Wimbledon-Finale 1991 ist Boris Becker ein ernsthafter Konkurrent aus Deutschland erwachsen. Sein Name: Michael Stich. Die beiden mögen sich nicht besonders, obwohl sie 1992 im Doppel Olympisches Gold in Barcelona gewinnen. Ohne Becker holt Stich auch 1993 im Endspiel gegen Australien fast im Alleingang den Davis Cup. Der Elmshorner gewinnt im Endspiel von Düsseldorf gegen Jason Stoltenberg und Richard Fromberg sowie an der Seite von Patrik Kühnen das Doppel gegen Todd Woodbridge und Mark Woodforde. Zweiter Einzelspieler war damals übrgens Marc-Kevin Goellner, der den vierten Punkt gegen Stoltenberg beisteuert, als das Endspiel bereits entschieden ist.

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Halbfinale gegen Russland in Moskau 1995

Deutschland verliert Daviscup-Halbfinale gegen Russland, 1995

Quelle: dpa

Zwei Jahre später gelingt es dann Teamchef Niki Pilic, Boris Becker und Michael Stich mit größtmöglichem Verhandlungsgeschick zu einem gemeinsamen Auftritt im Davis Cup zu überreden. Im Halbfinale gegen Russland sieht es zunächst auch ganz danach aus, als könnten die beiden Alpha-Tiere das Endspiel erreichen. Doch dann ereignet sich das Unfassbare, das Pilic später so beschreibt: "So etwas passiert nur alle 50 Jahre." Nachdem Becker und Stich am Vortag das Doppel gegen Jewgeni Kafelnikow und Andrej Olchowski verloren haben, meldet sich Becker am Finaltag ab. Rückenprobleme. Für ihn spielt Bernd Karbacher, der Münchner unterliegt - und so steht es 2:2. Es liegt nun an Stich, das Team ins Finale zu tragen. Alles verläuft mehr oder weniger planmäßig, bis Stich im fünften Satz bei 7:6 zum Sieg aufschlägt. Doch plötzlich wird sein Arm schwer, er vergibt gegen Andrej Tschesnokow, ein solider Dauerläufer, den ersten Matchball, den zweiten, den dritten, den vierten, den fünften, sechsten, den siebten, den achten und schließlich den neunten. Am Ende siegt Tschesnokow mit 14:12 und wird anschließend von Russlands Präsident Boris Jelzin, ein großer Tennisfreund, mit einem nationalen Verdienstorden "für besonderen Mut" ausgezeichnet. Und Boris Becker? Legt tröstend ein Handtuch um die Schulter des hemmungslos weinenden Michael Stich.

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Relegationsspiel gegen Weißrussland in Sundern 2003

Rainer Schüttler

Quelle: Imago

Den absoluten Tiefpunkt erlebt die deutsche Daviscupmannschaft 2003 beim TC Blau-Weiß Sundern. Gegen Weißrussland verlieren Rainer Schüttler und Nicolas Kiefer und können den Abstieg aus der Weltgruppe in die Europa/Afrika-Zone nicht verhindern. Nach den Hochzeiten mit Boris Becker und Michael Stich in den größten deutschen Arenen, muss der Deutsche Tennis-Bund in die sauerländische Provinz umziehen, um noch Zuschauer für den Daviscup begeistern zu können. "Dieser Abstieg ist eine Katastrophe", jammerte DTB-Präsident Georg von Waldenfels damals. Eine weitere deutsche Finalteilnahme ist bis heute ein Traum geblieben.

© sz.de/schm
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