Süddeutsche Zeitung

Darts-Weltmeister Peter Wright:Plötzlich ein anderer Mensch

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Von Carsten Scheele

Die Hose des Peter Wright, dieser buntgefleckte Farbunfall, leuchtete bis in die hintersten Ecken des Londoner Alexandra Palace. Dazu das lila Shirt, die tätowierten Arme, die lila Irokesenfrisur - es geht schon in Ordnung, dass Wright, 49, als der grellste Vogel seiner ohnehin bunten Sportart gilt. Die größte Überraschung für die 3000 Zuschauer war jedoch, dass Peter Wright am Mittwochabend tatsächlich etwas in den Händen hielt.

Nicht irgendetwas, einen Dart oder einen Drink, sondern die Sid Waddell Trophy, diesen 25 Kilo schweren Riesenpokal, den der weltbeste Spieler bekommt. Ja, Peter Wright ist der neue Weltmeister im Darts, nach dem 7:3 im Finale über Michael van Gerwen, den dreifachen Weltmeister und großen Favoriten aus den Niederlanden. "Es fühlt sich einfach großartig an, ich kann es kaum glauben", sagte Wright. Er lachte und weinte zugleich.

Bislang galt es im Darts als ungeschriebenes Gesetz, dass der Schotte bei großen Turnieren zwar lange gut mitspielen kann, jedoch nie gewinnt. Vor allem nicht gegen van Gerwen, dem er zuvor in neun Major-Finals gleich neunmal unterlegen gewesen war. Dies ist Wrights Geschichte, oder sie war es - denn am Mittwochabend hat er seine Nerven zum ersten Mal auch in einem großen Finale beherrscht; hat im wichtigsten Moment sein bestes Darts abgerufen, vielleicht sogar etwas mehr. "Fast alle hatten mich schon abgeschrieben, weil ich so oft an Michael gescheitert war", erzählte Wright später im Fernsehen: "Aber dieses Mal war ich einfach ein anderer Mensch."

2014 wollte Wright seine Karriere bereits beenden

Worauf Wright anspielte: Er hätte eigentlich gar nicht mehr oben auf der Bühne stehen sollen. Schon vor sechs Jahren, 2014, hatte Wright inmitten einer fürchterlichen Saison sein Karriereende angekündigt. Weil er kaum ein Spiel gewann, geschweige denn seine Familie mit seiner Pfeilewerferkunst ernähren konnte. Nach der WM 2014 sollte Schluss sein, so hatte es Wright zusammen mit seiner Frau Joanne beschlossen, ehe er bis ins Finale stürmte und seinen Entschluss revidierte. "Meine Geschichte zeigt, dass man Träume niemals aufgeben darf", sagte Wright.

Auch bei dieser WM wäre früh fast alles vorbei gewesen. Wrights Nerven wurden schon in seinem Auftaktmatch gegen Filipino Noel Malicdem gewaltig strapaziert. Da stand Wright kurz vor dem Aus, Malicdem hatte einen Matchdart, vergab diesen, Wright setzte sich erst im Sudden-Death-Leg des fünften Satzes durch. Im Achtelfinale gegen Jeffrey de Zwaan brach er nach einer 3:0-Satzführung noch ein; erst als de Zwaan ausglich, besann sich Wright wieder und gewann.

Von diesen Zittereien war im Finale nichts zu sehen. Mit kühlem Kopf und einer Quote von mehr als 50 Prozent auf die Doppelfelder entriss er van Gerwen Spiel um Spiel, Satz um Satz. Das Publikum feierte ihn mit Gejohle und Gegröle, der Niederländer wurde dagegen immer wütender, mit jedem Dart, den Wright im ersten Versuch in ein Doppelfeld zischen ließ, als hätte er seine Nerven zu Hause auf dem Bauernhof in der Grafschaft Suffolk gelassen. "So viele Menschen haben mich runtergemacht und gesagt, das ist ein Mann für zweite Plätze", sagte Wright und fragte, an alle Kritiker gerichtet: "Ich wurde Clown genannt, aber wer lacht am Ende am besten?"

Van Gerwen klagt: "Ich hatte meine Chance"

Wright profitierte auch davon, dass van Gerwen bei dieser WM nicht alles zeigte, was er normalerweise drauf hat. Van Gerwen schleppte sich durch die ersten Runden, kam selten in seinen berüchtigten Flow, weswegen er "The Green Machine" genannt wird, die grüne Maschine. Im Finale hatte van Gerwen große Probleme beim Auschecken über die Doppelfelder - einmal vergab er sechs Darts in Serie, Wright war zur Stelle und schaffte das Break. "Wenn man die Doppel nicht trifft, wird es schwierig", klagte van Gerwen, der nun weiter auf seinen vierten WM-Titel warten muss: "Ich hatte meine Chance und habe sie nicht genutzt."

Für van Gerwen ist es das Ende einer paradoxen Saison. 15 Titel hat er eingespielt, so viele wie keiner seiner Konkurrenten, nicht aber den wichtigsten, den WM-Titel. Wright dagegen war im besten Moment zur Stelle. Seine einfache Erklärung: "Ich hatte das Gefühl, dass ich einfach mal dran bin."

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