Süddeutsche Zeitung

Darts-WM:Nur ein Flitzer irritiert van Gerwen

  • Der Niederländer Michael van Gerwen ist zum zweiten Mal Weltmeister im Darts.
  • In London besiegt der 27-Jährige seinen schottischen Gegner Gary Anderson mit 7:3 Sätzen.
  • Es ist ein spektakuläres und zugleich seltsames Finale.

Von Christopher Gerards

Als er oft genug geschrien hatte, als er immer wieder mit zusammengebissenen Zähnen und geballter Faust über die Bühne gelaufen war - da tat Michael van Gerwen etwas Seltsames. Es geschah spät am Montagabend, der Hallensprecher rief gerade das Preisgeld für den Sieger der Darts-WM ins Mikrofon, 350 000 Pfund. Van Gerwen stand ein paar Meter weiter auf der Bühne des Londoner Alexandra Palace, genannt "AllyPally", neben ihm sein Gegner Gary Anderson. Und plötzlich tat van Gerwen das, was man den ganzen Abend nicht bei ihm gesehen hatte: Er lächelte.

730 Tage hatte der Niederländer auf diesen Moment warten müssen. Van Gerwen hat in seiner Karriere 43 Turniere gewonnen, 25 allein in diesem Jahr. Er ist die Nummer eins der Weltrangliste, aber in einer Sportart, in der die Weltmeisterschaft der Superlativ ist, war van Gerwen eben auch: der Mann, der seit 730 Tagen wartete. Stand eine WM an, warf er die Pfeile regelmäßig ungenauer als bei anderen Turnieren. Es schien, als könne er alles locker gewinnen - außer diesen verflixten WM-Titel, seinen zweiten nach 2014.

Es war kurz vor 23 Uhr, als der 27-Jährige nicht mehr warten musste. 7:3 hatte er gerade gegen Doppelweltmeister Gary Anderson gewonnen. Er war wieder Weltmeister. Und selten hatte ein Turnier einen so verdienten Sieger gesehen.

Spektakuläres und zugleich seltsames Finale

"Das ist der wichtigste Titel, jeder will ihn haben", sagte van Gerwen, als er auf der Bühne interviewt wurde: "Ich denke, ich habe das ganze Turnier über absolut phänomenal gespielt." Wie lange er so weiterspielen könne, wollte der Reporter von ihm wissen. Er habe ein Jahr hart gearbeitet, setzte van Gerwen an - dann liefen ihm Tränen übers Gesicht.

Das Publikum hatte ein spektakuläres und zugleich seltsames Finale gesehen. Spektakulär, weil Anderson und van Gerwen zusammen 42 Mal mit drei Pfeilen die Maximal-Punktzahl von 180 schafften. Und weil sie am Ende durchschnittlich 108,06 (van Gerwen) und 104,93 Punkte (Anderson) warfen. Seltsam, weil es fast vier Sätze lang so schien, als würden van Gerwen und Anderson synchron spielen. Machte der eine einen Fehler, schwächelte auch der andere. Gelangen dem einen sieben perfekte Darts, spielte der andere so gut, dass er das Leg, für das die Spieler 501 Punkte werfen müssen, trotzdem gewann.

Doch dann kam das letzte Leg des vierten Satzes, und van Gerwen gelang ein Break, das heißt er gewann das Leg, obwohl sein Gegener den Startvorteil hatte. Von da an dominierte er das Spiel, Anderson fand nicht mehr zurück. "Der Kerl war einfach zu gut", sagte er später über van Gerwen. Anderson verlor den Rhythmus und die nächsten Sätze mit 0:3, 1:3, 0:3, 1:3. Es war nun ein Spiel, in dem sich zeigte, wie wichtig Konzentration ist im Darts - in dieser Sportart, in der die Profis auf winzige Felder zielen, während im Hintergrund Tausende Zuschauer Bier trinken und Lieder grölen.

Als im neunten Satz ein Flitzer mit dem Pokal über die Bühne rannte, verlor van Gerwen kurz die Konzentration. Doch er kam zurück und gewann den nächsten Satz und damit das Duell. Van Gerwens 7:3 war der deutlichste Finalerfolg seit fünf Jahren.

Plötzlich ist der Premierminister am Handy

Später, nachdem er den Pokal in die Höhe gestemmt und mit seiner Frau gefeiert hatte, saß er in der Pressekonferenz. Plötzlich hielt ihm jemand ein Handy hin. Ein Anruf für ihn. "Michael?", sagte Michael van Gerwen und startete einen Smalltalk über sich, den Abend und den Titel. "Und ich bin sehr glücklich über Ihren Anruf", sagte van Gerwen irgendwann: "Herzlichen Dank, Herr Rutte! Danke! Herzlichen Dank! Danke! Tschüss!"

Mark Rutte, der niederländische Premierminister, hatte angerufen, und das sagte nun einiges aus über die Entwicklung, die diese Sportart genommen hat und vielleicht auch über die Entwicklung, die dieser neue Weltmeister genommen hat.

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