Süddeutsche Zeitung

Darts-WM:Wenn nur noch Sarkasmus bleibt

Gabriel Clemens scheitert als letzter Deutscher bei der Darts-WM - anschließend veröffentlicht er einige Hass-Nachrichten aus den sozialen Medien. Michael van Gerwen muss das Turnier wegen eines positiven Coronatests verlassen.

Von Carsten Scheele

Einer der schlechtmöglichsten Starts in ein Match bei der Darts-WM? Vielleicht dieser hier: Erster Pfeil in das Feld der fünf, der zweite ebenfalls, der dritte ins Feld der 19. Alles einfach, kein Double oder Triple. 29 Pünktchen also von 180, die mit drei Pfeilen möglich gewesen wären. Blöd vor allem, wenn der Gegner gleich mit einer 134 startet, und eine 135 folgen lässt.

Gabriel Clemens drehte also ab, das ging ja gut los. Und das wirklich Ärgerliche an der Situation: Viel besser sollte es nicht mehr werden.

Sein Kontrahent, der Waliser Jonny Clayton, rollte am Montagabend über den besten deutschen Dartspieler hinweg; freundlicher kann man es kaum formulieren nach diesem 4:0 in der dritten Runde. Clayton spielte zeitweise wie ein Titelanwärter, sieben 180er, dazu 25 Mal 140 Punkte oder mehr brachte er mit drei Pfeilen ans Board. Nur im dritten Satz konnte Clemens kurzzeitig mithalten, führte nach Legs mit 2:1, ehe der Waliser aufdrehte und sich auch diesen Durchgang holte. Clayton steht nun im Achtelfinale, seinem Gegner blieb nur Sarkasmus. "Ich war dabei", sagte Clemens, "er war ganz gut."

Florian Hempel ist raus und frustriert, Gerwyn Price wird ausgebuht und siegt

Insgesamt sei es aber einfacher, ein solch klares Ergebnis zu akzeptieren als eine Niederlage in einem knappen Match, sagte Clemens. Er habe "gar nicht viele Chancen bekommen, das muss man einfach so mal hinnehmen", erklärte der 38-Jährige bei Dazn. Seine Achtelfinalteilnahme aus dem Vorjahr konnte Clemens diesmal nicht wiederholen, er fliegt nun nach Hause und muss erst einmal zwei Wochen in Rückreiserquarantäne.

Nicht aber, ohne vorher ein paar an ihn gerichtete unschöne Nachrichten aus den unschönen Ecken des Internets zu veröffentlichen: Clemens hat es sich zur Tradition gemacht, die Urheber solcher Anfeindungen auf seinen Profilen in den sozialen Netzwerken öffentlich zu machen. Nach dem WM-Aus kamen wieder einige dieser Hass-Nachrichten an - es ging um Clemens' Leistung, seine Familie, seine Statur. "Leute, ich nehme das ganze mit Humor und lasse mich bestimmt nicht unterkriegen", schrieb Clemens dazu.

Für die so hoffnungsvoll gestarteten deutschen Teilnehmer ist die WM damit vorüber. Denn auch Florian Hempel, der zuvor überraschend den Weltklassemann Dimitri van den Bergh aus dem Turnier geworfen hatte, ist raus. Was gegen den Belgier noch klappte, konnte Hempel in seinem Drittrundenmatch gegen den Australier Raymond Smith nicht ansatzweise wiederholen: Der Kölner spielte fahrig und unkonzentriert, traf die wichtigen Triple-Felder nur selten, verlor 1:4. "Ich bin an mir selbst gescheitert. Die Chancen waren da. Ich weiß, was ich spielen kann", sagte er bei Sport1: "Das, was ich gezeigt habe, ist nicht mal ansatzweise das, was ich zeigen will."

Der dreimalige Weltmeister van Gerwen scheidet nach einem positiven Corona-Test aus

Es gab hochklassigere Dartgefechte am Montagabend. Das Duell zwischen Weltmeister Gerwyn Price und dem Belgier Kim Huybrechts etwa, bei dem der Titelverteidiger mehrmals knapp vor dem Aus stand. Price wurde vom Publikum bei jeder Aktion mit lautstarken Buhrufen begleitet - so geht das seit Jahren, der Weltranglisten-Erste eckt an mit seiner sehr selbstbewussten Art, das Publikum reibt sich an ihm. Der frühere Rugbyprofi stellte aber seine Nervenstärke unter Beweis, rettete sich in den Entscheidungssatz - und gewann ihn mit 6:5 nach Legs.

"Das war hart, Kim war hart, die Zuschauer waren hart", sagte Price, der im vergangenen Jahr erstmals den Titel gewonnen hatte und nun auf den Niederländer Dirk van Duijvenbode trifft: "Das war eines der Spiele, die man einfach überstehen muss."

Ein Zwischenziel hat Price damit schon erreicht: Er bleibt auch nach dieser WM die Nummer eins der Dartwelt, Peter Wright (im Gegensatz zu Price ein echter Publikumsliebling) kann ihn auch im Falle des Weltmeistertitels in der Weltrangliste nicht mehr einholen.

Überhaupt war es bis Dienstagnachmittag ein Turnier der Favoriten - dann jedoch schied der dreimalige Weltmeister Michael van Gerwen aus, ohne in seinem Drittrundenduell auch nur einen Pfeil geworfen zu haben. Gerwen ist verwickelt in den Corona-Fall des Niederländers Vincent van der Voort, der positiv getestet wurde und zu seinem Match gegen James Wade nicht mehr antreten konnte.

Das Problem: Zuvor hatte van der Voort gemeinsam mit Landsmann Gerwen trainiert, sie hatten sogar Weihnachten zusammen in einem Haus verbracht. Laut den britischen Corona-Regeln musste sich Gerwen täglich testen lassen - und schon am Dienstag folgte ein positiver Befund. Gerwens Jagd nach dem vierten Titel wurde beendet, bevor es in die entscheidenden Runden ging.

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