Weihnachten wird nun trist für Florian Hempel. Einsam in London im Hotelzimmer, ohne seinen kleinen Sohn, ohne die Familie, die zu Hause in Deutschland sitzt. Sein nächstes Spiel bei der Darts-WM steht erst am Montag an, doch kurz heimfliegen für die Weihnachtsfeiertage darf er nicht, das verbieten die strengen Quarantäneregeln, denen alle WM-Teilnehmer unterliegen.
Er habe "keine großen Pläne", sagte Hempel am Dienstagabend, "aber es wird ein großartiges Weihnachtsfest".

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Die Engländerin verliert in der ersten Runde - damit ist keine Frau mehr im Turnier vertreten. Der frühere Handballer Florian Hempel gewinnt das deutsche Duell.
Er hat's ja so gewollt. Hätte Hempel im Alexandra Palace erwartungsgemäß verloren in der zweiten Runde, er könnte schon im Flieger sitzen. Stattdessen lieferte er die wohl größte Überraschung der bisherigen Weltmeisterschaft: Als WM-Novize gewann er 3:1 gegen den Weltranglistenfünften und WM-Mitfavoriten Dimitri Van den Bergh aus Belgien, gegen einen klaren Anwärter aufs Halbfinale. Das Match seines Lebens? Ganz gewiss das seiner kurzen Karriere. "Das glaubt mir doch kein Mensch", sagte Hempel bei Dazn und lachte.
Fast jeder Pfeil auf die wichtigen Doppelfelder sitzt - "unglaublich", sagt Hempel
Wie jeder Darts-Profi bringt Hempel, geboren 1990, seine besondere Geschichte mit. Wie viele andere ist er über den zweiten Bildungsweg zum Pfeilewerfersport gekommen; in seinem ersten Leben war er Handballtorwart, absolvierte ein Zweitligaspiel für den Dessau-Roßlauer HV, spielte anschließend dritte Liga und Oberliga. Der Legende nach begann seine Darts-Karriere vor vier Jahren, in seiner Kölner WG auf einer ziemlich billigen Darts-Scheibe, einem "Acht-Euro-Ding von Lidl oder Aldi" (Hempel).
Anschließend ging es schnell, erste Turniere, erste Erfolge. Seit Februar ist Hempel Profi und qualifizierte sich erstmals für den ultimativen Jahreshöhepunkt, die WM in London. In der ersten Runde siegte er verblüffend leicht im deutschen Duell gegen Martin Schindler, 3:0. Und nun haute er sogar die Nummer fünf der Welt aus dem Turnier.

Im ersten Satz überrollte Hempel Van den Bergh regelrecht, mit einem Average von 106 - er erzielte also durchschnittlich 106 Punkte mit seinen drei Pfeilen, ein herausragender Wert. Den zweiten Satz gewann der Belgier, und als es schien, dass Van den Bergh zu seinem Rhythmus gefunden hat, zermürbte Hempel ihn. Warf gnadenlos hohe Restpunktzahlen aus, mal die 104, dann die 100 und entriss dem Belgier sicher geglaubte Legs. Fast jeder Pfeil auf die wichtigen Doppelfelder saß. "Unglaublich, das ist ein großer Moment für mich", sagte Hempel: "Ich habe mich auf der Bühne wohlgefühlt", und das gegen "einen der besten Spieler der Welt".
Hempels Geschichte erinnert ein wenig an jene von Gabriel Clemens, der im vergangenen Jahr überraschend Weltmeister Peter Wright rauswarf und als erster Deutscher überhaupt ins Achtelfinale einzog. Im Duell zweier Außenseiter trifft Hempel nun auf den Australier Raymond Smith - das Achtelfinale ist drin. Mindestens einmal ertönt also noch sein kurioser Einlaufsong: ein Karnevalslied, "Kölsche Jung" von Brings, obwohl die Spieler ja eigentlich gebeten werden, sich internationale Gassenhauer rauszusuchen, damit die 3000 mehrheitlich angetrunkenen Fans im Ally Pally mitgrölen können. War Hempel aber egal.