Fallon Sherrock bei der Darts-WM:Giftpfeile für die Queen

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Wie wird sie in diesem Jahr empfangen? Fallon Sherrock bei der WM im Alexandra Palace. (Foto: John Walton/dpa)

Die Darts-Spielerin Fallon Sherrock muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, dass ihr die WM-Teilnahme geschenkt wurde. Über eine, die nun sagt: "Wenn ihr mich hassen wollt, dann hasst mich."

Von Carsten Scheele

Vor drei Jahren war Fallon Sherrock die "Queen of the Palace", und wer nicht wusste, was damit gemeint war, musste nur in ihre Matches bei der Darts-Weltmeisterschaft hineinhören. Da war eine derart granatenmäßige Stimmung im Londoner Alexandra Palace, dass selbst hartgesottene Dartsprofis ins Staunen gerieten. Sherrock wurde wie wild angefeuert, ihre Gegner ausgebuht, was in einer Menge von 3000 mehrheitlich angetrunkenen und betrunkenen Dartsfans zu einem gewaltigen Orkan anschwellen kann.

Jede und jeder Anwesende wollte miterleben, was passiert, wenn erstmals eine Frau ein Spiel bei der WM gewinnt - und Sherrock hat geliefert. Sie hat in der ersten Runde ihren männlichen Kollegen Ted Evetts besiegt, in der zweiten gegen den Österreicher Mensur Suljovic gewonnen, schied erst in der dritten Runde aus. Die Sportart hatte plötzlich eine neue Heldenfigur; und der Darts-Weltverband PDC frohlockte ob der plötzlichen Vermarktungschancen, die ihm die alleinerziehende Britin aus Buckinghamshire mit ihren präzise geworfenen Pfeilen einbrachte.

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Drei Jahre später ist die Darts-Welt für Sherrock, mittlerweile 28, eine andere. Sie wird wieder antreten bei der WM im "Ally Pally", sie trifft am Dienstagabend in der ersten Runde auf den Briten Ricky Evans, doch die Stimmung ist gekippt. Statt kübelweise Euphorie schlägt Sherrock mittlerweile in erheblichem Maße Missgunst entgegen. Die einen sagen, sie hätte die Teilnahme geschenkt bekommen, nur weil sie sich gut vermarkten lässt. Andere schütten ihre Häme in den sozialen Netzwerken aus. Auch männliche Dartskollegen haben sich kritisch geäußert.

Geht man auf der Insel so mit einer "Queen" um?

Ein bisschen sind Sherrock und die PDC selbst schuld am Schlamassel. Vielleicht hätte man es dabei bewenden lassen sollen, dass sich Sherrock in einem schwierigen Jahr diesmal sportlich nicht qualifiziert hat. Es gibt bei der WM nach wie vor zwei Startplätze im 96er Teilnehmerfeld, die für die besten Frauen reserviert sind. Diese hatten sich Beau Greaves und Lisa Ashton gesichert, weil sie jeweils eine bessere Saison als Sherrock gespielt hatten. Sie standen in der Rangliste deutlich vor ihr.

"Es spielt keine Rolle, was ich tue, ich werde trotzdem gehasst", sagt Sherrock

Doch die PDC wollte Sherrock unbedingt dabeihaben und suchte nach einem Schlupfloch. Und fand eines, denn Sherrock hatte im Juli das Women's Matchplay gewonnen, ein erstmals ausgetragenes Fernsehturnier. Also änderte die PDC kurzerhand die Regularien und erklärte das Turnier wenige Wochen vor der WM nachträglich zum Qualifikationskriterium. Die Absicht dahinter war offensichtlich: Die WM sollte mit und nicht ohne Sherrock stattfinden; die Reaktionen fielen ob dieser Sonderbehandlung entsprechend aus. Am heftigsten natürlich in den sozialen Netzwerken, mit Kommentaren weit unterhalb jeder Toleranzgrenze. Aber auch unter ihren Mitspielern kam Kritik auf. Er habe "nichts gegen Fallon", versicherte der Niederländer Vincent van der Voort, "aber diese Einladung ist lächerlich".

Sherrock sieht die Sache etwas anders. Sie habe ein Fernsehturnier gewonnen, dafür müsse sie sich nicht entschuldigen. Und wenn die PDC sie zum Jahreshöhepunkt einlade, warum sollte sie dann nicht teilnehmen? Sie wirkt ohnehin reichlich konsterniert. "Es spielt keine Rolle, was ich tue, ich werde trotzdem gehasst", sagte Sherrock in einem Interview. So weit ist es also gekommen.

Mit den Kommentaren im Internet hat Sherrock ihren Umgang gefunden. Sie forderte die Trolle zuletzt auf, ihr die Kritik ins Gesicht zu formulieren, aber dazu fehle den meisten wohl der Mut. Die Kritik unter den männlichen Kollegen lässt sich ebenfalls aushalten, denn es gibt auch diejenigen, die Sherrocks Teilnahme ausdrücklich gutheißen. Schwieriger ist, dass sich Sherrock in der "Women's Series" nicht mehr willkommen fühlt. "Es sind vor allem die Frauen", sagte Sherrock zuletzt. Sie fühle sich gemieden auf der dortigen Tour und schlecht behandelt, was schade sei, weil sie persönlich viel in ihre Sportart investiert habe. Letztendlich würden sie die Reaktionen nur stärker machen: "Ich bin jetzt an einem Punkt angelangt, an dem ich denke: 'Wenn ihr mich hassen wollt, dann hasst mich.'"

Für die WM hatte Sherrock deshalb eine spezielle Hoffnung. Sie setzte darauf, dass Beau Greaves und Lisa Ashton gut spielen - und sie am Ende nicht mehr die einzige Frau ist, die je eine WM-Partie gewinnen konnte. "Das würde ein bisschen Druck, Stress und Werbung von mir nehmen", sagte Sherrock. Doch daraus wurde nichts. Greaves und Ashton haben ihre Erstrundenmatches bereits verloren. Fallon Sherrock ist also wieder auf sich alleine gestellt. Sie kennt sich damit aus.

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