Darts-WM:Perfektes Ambiente für das Coronavirus

Darts-WM 2018: Zuschauer feiern im Ally Pally

Im "Ally Pally" geht es zu wie auf dem Karneval - Darts lebt auch von der Stimmung, die die Fans machen.

(Foto: EMPICS Sport/PA Images/Imago)

Feiernde Fans, stickige Luft, eng besetzte Halle: Die Veranstalter der Darts-WM in London planen mit möglichst vielen Fans - ihnen soll es keinesfalls zu schwer gemacht werden.

Von Sven Haist, London

Vielleicht wäre es einen Versuch wert: Den Dartsfans bei der an diesem Mittwoch beginnenden Weltmeisterschaft im Londoner Alexandra Palace die Chance geben, das Coronavirus aus der Welt zu vertreiben. Klingt verrückt? Nun, das feuchtfröhliche Miteinander im volkstümlich Ally Pally genannten WM-Austragungsort stand den Sitzungen und Umzügen im Karneval jahrelang ja in fast nichts nach. Und bei den Fastnachtsveranstaltungen scheinen die Narren jedes Jahr auch aufs Neue von sich überzeugt zu sein, den Winter mit furchteinflößenden Gewändern verscheuchen zu können. Die Dartsfans würden es ihnen mit ihren fantasievollen Kostümen am liebsten gleichtun. Freilich verhält sich die Situation genau andersherum, denn die Coronaviren fühlen sich in einem solchen Ambiente wie dem in London bekanntlich besonders wohl.

Wie es aussehen wird bei dieser WM, kann ganz genau keiner vorhersagen. Die Vorjahresauflage musste aufgrund eines kurzfristig verhängten Lockdowns bis auf das Auftaktevent ohne Zuschauer auskommen. Und an jenem ersten Abend waren ohnehin nur etwa 1000 Zuschauer zugelassen worden, etwa ein Drittel der üblichen Kapazität, was auf die Stimmung ähnlich drückte wie abgestandenes Bier.

In diesem Jahr sollte alles wieder anders sein. Und der Plan soll auch durchgezogen werden: Trotz erneut ansteigender Infektionszahlen in England startet die 29. WM-Auflage der Professional Darts Corporation (PDC), deren Endspiel für den 3. Januar vorgesehen ist. Es soll vor vollem Haus losgehen. Zwar sind für beinahe alle 16 Spieltage noch einige Restkarten der circa 3000 verfügbaren Tickets erhältlich, aber die meist bereits nach wenigen Tagen sauerstoffarme Spielhalle ist schon wieder genauso dicht bestuhlt wie in vorpandemischen Zeiten. Wie lange das gut geht?

Die Einlasskriterien sind bisher sehr lax. Schnelltests werden sogar noch vor der Arena ermöglicht

Als Teil der von diesem Mittwoch an in Kraft tretenden verschärften Maßnahmen zur Viruseindämmung im Land kündigte Premierminister Boris Johnson an, dass für jede Veranstaltung in geschlossenen Räumen mit mehr als 500 Zuschauern alle Besucher entweder gegen Corona geimpft oder davon genesen sein müssen. Allerdings reicht bei der Einlasskontrolle alternativ auch ein tagesaktuell negativer Schnelltest aus. Das macht die Zutrittshürde dann doch sehr überschaubar. Die PDC kommt ihren Fans, die Darts mit ihrer überschäumenden Art überhaupt erst massen- und fernsehtauglich gemacht haben, sogar dahingehend entgegen, dass die notwendigen Tests direkt vor Ort absolviert werden können.

Um jedem Zuschauer eine "sichere und angenehme Zeit" zu gewährleisten, hat der Verband auf seiner Webseite ein Schreiben veröffentlicht, indem er die Karteninhaber standardmäßig darum bittet, sich "nur gesund" und "ohne Symptome" auf den Weg zum Ally Pally zu begeben und die Regierungsapp zur Kontaktverfolgung zu installieren. Die Organisation selbst verspricht, "für jeden Einzelnen" Desinfektionsmittel für die Hände bereitzustellen und die "Reinigungsintensität" zu erhöhen, vor allem an den geläufigen Berührungspunkten des Geländes.

Dazu werden die Fans angehalten, bei der "Fortbewegung" am Veranstaltungsort verpflichtende Gesichtsmasken zu tragen, die jedoch wiederum "zum Essen und Trinken" abgenommen werden dürfen. Spätestens dieser, die eigentliche Verordnung einschränkende Nebensatz führt den Maßnahmenkatalog mehr oder weniger ad absurdum, denn die Leute gehen ja nach wie vor vorwiegend zum Darts, um eben zu essen, zu trinken und sich dabei an sich selbst zu berauschen.

Die Ausrichter brauchen die Zuschauer auch, um das Rekordpreisgeld zu refinanzieren

In jedem Fall greift die PDC die mehr als dankbare Vorlage des Parlaments auf, den eigenen Fans unter keinen Umständen mit zu vielen Restriktionen auf den Schlips treten zu wollen. Warum auch, scheint sich der Verband wohl zu denken: Die Darts-WM im Ally Pally findet schließlich nur einmal im Jahr statt, und jeder geht ja immer noch freiwillig hin. Zumal die Umsetzung des Programms vermutlich allein an Ticketerlösen einen knapp mittleren einstelligen Millionenbetrag einbringen dürfte. Wichtige Einnahmen, um das diesmal auf zweieinhalb Millionen Pfund veranschlagte Preisgeld zu refinanzieren - ein Rekord, von dem eine halbe Million an den Sieger geht.

02 01 2017 Alexandra Palace London England William Hill PDC World Darts Championship final betwe; Alexandra Palace

Der langjährige Weltranglistenerste Michael van Gerwen feiert 2017 mit den Fans - wird das auch dieses Mal so gehen?

(Foto: Action Plus/Imago)

Neben der unveränderten Aufmachung der Darts-WM hat sich auch das Produkt kaum gewandelt. Optisch gesehen sei Darts im Fernsehen "weitgehend dasselbe wie vor mehr als 40 Jahren", schrieb der Guardian kürzlich, als die BBC damals anfing, die ersten Weltmeisterschaften auszustrahlen. Bis auf den 2018 zurückgetretenen Rekordchampion Phil Taylor ist erneut das Gros an renommierten Spieler vertreten. Sogar Fanliebling Raymond van Barneveld ist nach seinem Rücktritt vor zwei Jahren erstmals wieder mit dabei.

Als Favorit wirft Titelverteidiger Gerwyn Price das Turnier an, seine Hauptkonkurrenten dürften Peter Wright sowie der langjährige Weltranglistenerste Michael van Gerwen sein. Aus deutscher Sicht hoffen Gabriel Clemens, Martin Schindler, Florian Hempel und der erst 16 Jahre junge Fabian Schmutzler auf den großen Durchbruch. Schmutzler würde bei einem Erstrundensieg am Donnerstag einen Tag später 2020-Sieger Wright herausfordern. Beinahe hätte mit Lihao Wen auch ein Chinese sein Debüt gegeben, wenn sein Visum rechtzeitig ausgestellt worden wäre.

Mehr als um Sieg und Niederlage dürfte es bei dieser WM jedoch darum gehen, eine sichere Auflage zu gewährleisten. Und wenn das nicht gelingen sollte? Wäre es erst mal die letzte Party gewesen.

Zur SZ-Startseite
Fallon Sherrock

Darts
:Der Streit um Fallon Sherrock

Die britische Darts-Spielerin besiegt in Serie ihre männlichen Kollegen - doch ob sie eine Wild Card für die wichtige Premier League erhält, gerät zum Politikum.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: