Darts-WM:Barry Hearns Lust auf lukrativen Spaß

Dart

"One hundred aaaaand eeeeeiiightyyyyy" - so gröhlen es die Fans bei der Darts-WM.

(Foto: dpa)
  • Der Triumphzug der Darts-WM als Medienereignis und Zuschauer-Event hat viel mit ihrem Gründer Barry Hearn zu tun.
  • Der Engländer macht aus Nischen Goldgruben.

Von Anna Baumgartner, London

Die Dalmatiner johlen, die Hero-Turtles klatschen, die Ketchupflaschen singen - es ist eine riesige Halle voller verkleideter Menschen. Sie strecken selbstgemalte Plakate in die Höhe, auf den Tischen thronen große Bierkrüge. Vorne stehen zwei Männer auf einer Bühne und werfen Pfeile auf ein Brett. Nun ist es wieder so weit: Darts-Weltmeisterschaft im Londoner Alexandra Palace. Dass sie zum Event wurde, das Weihnachtszeit um Weihnachtszeit weltweit verfolgt wird, hat einen einzigen Grund: Barry Hearn.

2001 wurde der Engländer Vorsitzender der Professional Darts Corporation. Und er hatte eine Idee. Was ihm vorschwebte, war eine Veranstaltung im Stile von "Wrestlemania", dem Showringen, das in den USA Millionen in die Hallen und vor die Bildschirme lockt. Das hieß: raus aus den Pubs, rein in die Arenen. Das hieß: Einlaufmusik. Cheerleader. Trockeneis. Spitznamen. Das hieß aber auch: Fernsehverträge, Sponsoren, immer mehr Preisgeld.

Hearn sagt: "Das Geschick ist es, aus Glück etwas zu machen."

Hearns Idee funktionierte. Aus einer Freizeitbeschäftigung der Arbeiterklasse wurde ein Primetime-Fernseh-Event. "Ich weiß, ich hatte Glück in meinem Leben", sagte Hearn der BBC. "Aber das Geschick ist es, aus diesem Glück etwas zu machen."

1972 nahm alles seinen Anfang, als Hearn eine Snookerhalle kaufte. Es war ein Immobilien-Investment, doch genau zu dieser Zeit entdeckte BBC die Sportart. Der Romford Snooker Club florierte, und Geschäftsmann Hearn merkte: Da ist Geld zu machen. Er organisierte Turniere, das sprach sich herum, und bald standen Großbritanniens beste Spieler vor seiner Tür. So begann Hearn diese ebenfalls zu managen.

1982 gründete er eigens dafür die Firma Matchroom Sport und nahm sogleich alle großen Spieler der damaligen Zeit unter Vertrag. Die Rollen waren klar verteilt: Hearn ließ sie spielen, sie ließen sich auf seine Ideen ein. Diese reichten von Matchroom-Sport-Finken bis zur Aufnahme eines Songs. "Snooker Loopy" schaffte es auf Platz 6 der englischen Charts. Die Zusammenarbeit funktionierte. Die Snooker-Spieler waren erfolgreich, und Hearn hatte seine Berufung gefunden. Matchroom Sport ging in den Neunzigerjahren in den Fernsehmarkt, produziert nun pro Jahr über 1000 Stunden Live-Sport. Die Firma kümmert sich auch um Veranstaltungsrechte und Vermarktung, zu ihren Kunden zählen Sky Sports, Fox Sports und Sport1. Ihr Jahresumsatz beträgt rund 138 Millionen Euro.

Die Taktik ist noch immer die gleiche wie am Anfang. Hearn sucht die Nischen ab, geht hinein, putzt sie heraus, richtet einen Scheinwerfer darauf und schafft eine Atmosphäre. Eine Atmosphäre, in der die Leute Spaß haben. Eine Atmosphäre, die sich gut im Fernsehen übertragen lässt. Der Rest ergibt sich meist von selbst. "Es ist wie eine Soap mit ihren Figuren. Diese machen das Programm aus. Der Sport ist ja gut, aber er ist in der heutigen Welt nicht stark genug, um alleine zu überleben. Er braucht die Figuren", erklärte Hearn.

Erst Sanitärbranche, jetzt Millionär

Figuren hat er bis jetzt in jeder Nische gefunden. Der 16-malige Darts-Weltmeister Phil Taylor etwa stellte früher Toilettenpapier-Halter her, nun ist er Multimillionär. und eine umjubelte Kultfigur. Barry Hearn kennt den Aufstieg. Er hat ihn selbst gemacht. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geboren, wuchs er im Osten Londons auf. Sein Vater war Bus-Chauffeur, die Mutter Putzfrau.

Er begann früh, sein Geld zu verdienen, wusch Autos, hütete Kinder. Als er zwölf Jahre alt war, sagte ihm die Mutter: "Wenn du groß bist, wirst du Wirtschaftsprüfer." - "Was macht denn so einer?", fragte Barry. "Ich weiß es nicht", antwortete sie, "aber die Leute, deren Haus ich putze, sagen, sie hätten noch nie einen armen gesehen." So lernte Hearn Buchhalter. Obwohl sein Vermögen mittlerweile auf 65 Millionen Euro geschätzt wird, zählt er sich immer noch zur Arbeiterklasse.

Wenn Hearn einmal eine Auszeit braucht, fischt er in seinem Teich. Darin schwimmen 61 Karpfen. Jeder trägt den Namen von einem seiner Freunde und eine Nummer. In einem Buch notiert der 67-Jährige bei jedem Fang die exakte Größe und das Gewicht. Er sei noch immer ein Nummern-Freak. An einem solchen Tag kam Hearn auch die bisher bizarrste Idee: Fish'o'Mania. Beim jährlich stattfindenden Wettkampf sitzen Tausende von Zuschauern um einen See und beobachten die Teilnehmer beim Fischen. Der Sieger gewann dieses Jahr 41 375 Euro. Er zog 16,6 kg Fisch aus dem Wasser. Sky Sports übertrug sechs Stunden live.

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"Meiner Meinung nach bin ich der Beste. Und das ist die einzige Meinung, auf die ich Wert lege": Barry Hearn gibt sich gerne selbstbewusst.

(Foto: Warren Little/Getty)

Barry Hearn weiß, was er kann. Und er weiß, dass er es gut kann. Er zelebriert sein stattliches Selbstvertrauen gerne ("Meiner Meinung nach bin ich der Beste. Und das ist die einzige Meinung, auf die ich Wert lege"). Das wird nicht überall goutiert. Als er 2010 als Vorsitzender des Snooker-Weltverbandes begann, den Sport zu modernisieren, waren nicht alle begeistert. Spieler beschwerten sich über den Turnierplan und die Sponsoring-Termine.

Nach Snooker, Darts, Boxen, Bowling, Poker und Fischen ist Pingpong sein neues Projekt. Seit 2010 findet die Weltmeisterschaft im Londoner Alexandra Palace statt. Gespielt wird mit Einheitsschlägern ohne Gummibelag, was das Spiel langsamer macht und längere Ballwechsel zulässt.

Doch Hearn sucht weiter ehrgeizig nach Nischen, die er zu Goldgruben machen kann. Und es fehlt ihm nicht an pfiffigen Ideen. Cricket, Netball, Sechstagerennen oder Triathlon sind nur einige Punkte auf seiner Liste. Was auch immer es wird - die Chance ist groß, dass es viele Leute anzieht.

Die Darts-Weltmeisterschaft hatte im vergangenen Jahr mehr Fernsehzuschauer als die Formel 1 oder der Ryder Cup im Golf, bei dem sich die besten Spieler aus Europa und den USA miteinander messen. Und die Tickets für das diesjährige Spektakel sind längst ausverkauft. Dalmatiner, Hero-Turtles und Ketchupflaschen - sie alle werden wieder jeden Pfeil feiern. Und Barry Hearn ist sich sicher, dass das noch einige Zeit so bleiben wird. Auch dieses Jahr wurde das Preisgeld erneut um 347 000 Euro aufgestockt - auf rund 1,85 Millionen.

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