Darts:Angriff auf Taylors Reich

Phil Taylor

Zu alt für den WM-Titel? Rekordchampion Phil Taylor will es allen noch mal zeigen.

(Foto: dpa)

Zum Start der Darts-WM bewegt die Szene vor allem eine Frage: Wie gut ist Rekord-Champion Phil Taylor mit 56 Jahren noch?

Von Sven Haist, London

Phil Taylor ist noch immer der Liebling der Massen. Dabei können die Fans auch ihm gar nicht ins Gesicht schauen, wenn er zur Tat schreitet. Die Protagonisten drehen den Zuschauern stets den Rücken zu, wenn sie mit drei Pfeilen in der Hand im Alexandra Palace auf die Bühne schreiten, um aus exakt 2,37 Meter Distanz die Scheibe anzuvisieren, um die sich beim Darts alles dreht. Kein Trainer und kein Teamkollege stehen ihnen dann zur Seite, es gibt auch keine Auszeiten. Das Spiel ist so ausgelegt, dass Taktik und Zufall auf ein Minimum reduziert werden.

Jeder hat sein Schicksal wirklich selbst in der Hand - das ist einer der Reize des Spektakels. Ein anderer: Bei der WM, die an diesem Donnerstag im "Ally Pally" beginnt, wie im Volksmund die Arena heißt, die auf einer Anhöhe im Norden Londons liegt, ist erlaubt, was in anderen Stadien längst verboten oder zumindest verpönt ist: Alkohol, Kostüme und schlechtes Benehmen. Und so werden auch in diesem Jahr die rund 3000 Zuschauer in der Halle zur Melodie von Winter Wonderland garantiert wieder enthemmt "There's only one Phil Taylor" singen, wenn der Rekord-Champion angreift.

Vom Toilettenpapierhalter zum Rekordchampion

Phil Taylor schraubte einst Toilettenpapierhalter zusammen, bevor er zu den Pfeilen griff und mit diesen Ruhm und Geld jagte. Inzwischen ist er 56 und als 16-maliger Weltmeister die Symbolfigur schlechthin für einen Sport, in dem es scheinbar jeder zu etwas bringen kann - selbst wenn er aus dem verschlafenen Stoke-on-Trent kommt. Taylors Spitzname: "The Power". Die Shirts mit diesem Aufdruck, die so teuer wie Fußballtrikots sind, verkaufen sich im Innenraum der Spielhalle fast genauso gut wie das Bier.

Darts boomt. Die Eintrittskarten für die 15 Wettkampftage bis zum Finale am 2. Januar sind bereits vergriffen. Die seriösen englischen Zeitungen, die einst einen Bogen um den Kneipensport schlugen, haben ihre Zurückhaltung aufgegeben. Auch bei den TV-Rechten sorgt die gewaltige Nachfrage dafür, dass die Erlöse rapide steigen. An dem Aufschwung sind auch die deutschen Fans beteiligt, sie stellen inzwischen einen erheblichen Teil des Publikums.

Ein Niederländer ist der "Michael Jordan des Darts"

Die WM der Professional Darts Corporation (PDC), wie die Veranstaltung offiziell heißt, wird inzwischen zum 24. Mal ausgetragen. 72 Spieler treten an, der Spielmodus gleicht dem eines Tennisturniers. Auch zwei Deutsche sind dabei: Max Hopp steht bereits in der Hauptrunde, Dragutin Horvat kann sich über die Qualifikation noch dorthin kämpfen.

Mit dem Sieg dürften die beiden aber kaum etwas zu tun haben. Die Favoriten sind Titelverteidiger Gary Anderson, 45, und Michael van Gerwen, 27, die Nummer eins der Weltrangliste. Der Niederländer hat in dieser Saison 25 Turniere gewonnen und eine Siegquote von 91 Prozent. Die New York Times bezeichnete ihn in dieser Woche als "den Michael Jordan des Darts". Bei der WM stand Michael van Gerwen aber erst einmal ganz oben - im Jahr 2014.

Taylor will es den Jüngeren noch mal zeigen

Eine in der Szene derzeit gerne debattierte Frage lautet: Wie viele Titel muss van Gerwen wohl sammeln, um den Status des immer noch regierenden Pfeilkönigs Phil Taylor zu gefährden? Der nimmt in diesem Jahr zum 28. Mal an einer WM teil. Wie zuletzt häufig sind auch in diesem Jahr passend zum WM-Beginn Rücktrittsspekulationen aufgetaucht, wie zuletzt häufig dürften die aber mit jedem Pfeil, der fliegt, weiter in Vergessenheit rücken.

Obwohl der Publikumsliebling längst nicht mehr die Dominanz der Zeit zwischen 1995 und 2006 versprüht, als er nur eine einzige WM-Niederlage kassierte, gehört er immer noch zur absoluten Weltklasse. Und ein Spiel beendet er immer noch am liebsten mit seinem Paradewurf: auf die Doppel-16.

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