Darmstadts Premiere mit neuem Trainer :Wir-Gefühl mit Verräter

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"Wir haben einen Verräter drin": Darmstadts Trainer Ramon Berndroth nach der Niederlage gegen Freiburg. (Foto: Michael Kienzler/Getty Images)

Ramon Berndroth, der neue 98-Trainer, gibt sich trotz des 0:1 in Freiburg zuversichtlich: "Jetzt, wo wir Letzter sind, kann's nur nach oben gehen." Einem Spieler aber, der nicht mitzieht, droht Ungemach.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Ramon Berndroth dürfte der Masse der Bundesliga-Enthusiasten kein Begriff sein. Insofern sei vorangestellt, dass der 64-Jährige mit dem wohlklingenden Namen seit Beginn der vergangenen Woche den Bundesligisten Darmstadt 98 trainiert. Interimsmäßig, wie die Sprachregelung bei den Lilien lautet.

Wer das Spiel seiner Mannschaft, die Reaktionen seiner Spieler und den anschließenden Auftritt des alten Fahrensmann der Oberliga Hessen bei der Pressekonferenz erlebte, der könnte sich allerdings durchaus fragen, warum der Mann so lange unentdeckt blieb.

"Vielleicht wird das ja doch noch eine interessante Saison."

Schließlich spielte dieselbe Mannschaft, die ihren Fans noch am vergangenen Spieltag einen unterirdischen Auftritt gegen den HSV (0:2) zugemutet hatte, beim SC Freiburg ziemlich stark. Und Berndroth präsentierte sich trotz des frustrierenden Umstandes, dass sein Team nur wegen eines unberechtigten Elfmeters (Nils Petersen/85.) 0:1 verlor, sympathisch und eloquent. "In der Tabelle kann`s jetzt, wo wir Letzter sind, wirklich nur nach oben gehen", sagte er. Und versetzte sich in die Köpfe der Fans. Die dürften nun mit dem Gefühl nach Hause fahren: "Vielleicht wird das ja doch noch eine interessante Saison."

Das hoffen selbstverständlich auch die Spieler, die nach dem Schlusspfiff erstaunlich offen zu verstehen gaben, dass sie über die Entlassung von Berndroths Vorgänger Norbert Meier offenbar nicht allzu traurig sind. "Das Trainerteam hat uns in die Spur zurückgebracht und uns daran erinnert, was Darmstadt 98 ist", sagte Aytac Sulu und damit ein Spieler, der bei den Lilien weit mehr ist als ein Kapitän.

Berndroth macht Maßnahmen rückgängig , die Meier den Job kosteten

Der Neue hatte schon in der Startaufstellung viele der Maßnahmen rückgängig gemacht, die seinen Vorgänger letztlich auch den Job gekostet haben. In Jan Rosenthal und Jerôme Gondorf rückten zwei Spieler ins Team, die vergangene Saison noch zu den Stützen des Teams gehört hatten, von Meier aber links liegen gelassen worden waren. Fünf Spieler, die gegen den HSV noch in der Startelf gestanden hatte, blieben dafür draußen. Ob es nun die personellen Umstellungen waren oder eher eine Ansprache, die sich von der des nicht eben als Frohnatur bekannten Meier unterscheidet - die Lilien waren das bessere Team. "Mir hat das Offensivverhalten gut gefallen, das Defensivverhalten mit Abstrichen auch", bilanzierte Berndroth, der sich mit seinem Freiburger Kollegen Christian Streich bestens zu verstehen schien. "Und besonders zufrieden war ich mit dem Wir-Gefühl."

So wirklich zufrieden war er dann allerdings doch nicht: "Wir waren eine Mannschaft, das hat man in der Kabine schon gemerkt. Aber wir waren nicht restlos eine Mannschaft, wir haben einen Verräter drin", sagte Berndroth bei Sky. "Das werde ich auch intern ansprechen. Es gibt Spieler, die Entscheidungen akzeptieren und sagen, okay ich bin trotzdem im Team. Es gibt andere, die sich maßlos überschätzen." Wen er meinte, wollte Berndroth zwar nicht preisgeben, aber immerhin bestätigte er, dass um einen Spieler ging, der gegen Hamburg noch dabei war, nun aber nicht. Dem Vernehmen nach soll es sich um den schwedische Abwehrspieler Alexander Milosevic handeln.

Dabei waren es die Lilien, die im ersten Durchgang vier Chancen hatten, während der völlig verzagte Sportclub leer ausging. Zwei Distanzschüsse von Mario Vrancic (29./37.), die das Freiburger Tor nur knapp verfehlten, sorgten für ein erstes Erstaunen bei den SC-Fans. Und spätestens als Artem Fedetskyy mit einem Schuss aus vollem Lauf den Außenpfosten traf, konnte der SC von Glück sagen, dass er nicht mit einem Rückstand in die Pause ging (41.). Im zweiten Durchgang wurde es aus Freiburger Sicht nur wenig besser, doch immerhin hatte nun auch der SC mal zwei Torabschlüsse - beide vergab Florian Niederlechner (71./80.).

Die Fehlentscheidung mag der Neue nicht kommentieren

Und dann kam die Szene, die Schiedsrichter Wolfgang Stark als ein elfmeterwürdiges Foul bewertete und die auf Darmstädter Seite zurecht gegenteilig bewertet wurde. "Das war ganz klar kein Elfmeter", sagte Kapitän Aytac Sulu über den Zweikampf zwischen Petersen und Fedetskyy, der Petersen zwar am Flanken gehindert haben mag, bei dem aber auch in der fünften Wiederholung kein Foul zu erkennen war. Eine Schwalbe war das zwar nicht, wohl aber eine Szene, die man hätte weiterlaufen lassen müssen.

Natürlich wurden nach dem Spiel auch beide Trainer zu der Szene befragt, die das Spiel zu Gunsten der Freiburger entschied. Berndroth erntete erst erstaunte und dann bewundernde Blicke, als er betonte, er habe dazu "natürlich eine Meinung", werde die aber nicht kundtun, "weil Dinge, die wir nicht beeinflussen können, mich nur von der eigentlichen Analyse ablenken würden." Als Streich darauf nach seiner Meinung gefragt wurde, sagte er, dass er nichts sagen werde: "Alles, was ich jetzt noch beitragen würde, kann nur schlechter sein."

© SZ vom 11.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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