SV Darmstadt 98:Ein Nordlicht lässt die Lilien leuchten

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Ein Profispiel bestritt Carsten Wehlmann als HSV-Spieler nicht - nun kehrt er als der kluge Kopf hinter dem Tabellenführer Darmstadt ins Volksparkstadion zurück. (Foto: Michael Taeger/Jan Huebner/Imago)

Darmstadt geht als Tabellenführer ins Spitzenspiel gegen den HSV. Der Mann hinter dem klug komponierten Kader ist Sportdirektor Carsten Wehlmann - der aus wenig sehr viel macht.

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Schon wenn Carsten Wehlmann den Mund aufmacht, kann er seine Hamburger Herkunft nicht verleugnen. Und wenn er über sein Leben spricht, kommen sogar viele der Klischees hervor, die ein jeder mit dem Tor zur Welt in Verbindung bringt. Sein Vater war Kapitän, er selbst hat eine Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann gemacht. "Was Anständiges gelernt" zu haben, wie Wehlmann mit einem breiten Grinsen sagt, habe ihm gerade für die Zeit nach der aktiven Karriere viel gegeben. Der ehemalige Torhüter arbeitete ein Jahrzehnt als Chefscout und Torwarttrainer bei Holstein Kiel, ehe er 2018 zum SV Darmstadt 98 ging. Zunächst als Sportkoordinator, inzwischen als Sportlicher Leiter hat der 50-Jährige großen Anteil daran, dass die Südhessen am Samstag (20.30 Uhr, Sport 1) als Spitzenreiter ins Zweitliga-Spitzenspiel gehen - gegen den Hamburger SV.

Die Lilien gehen in voller Blüte in dieses Spiel: Kein Kader wirkt so klug komponiert, keine Mannschaft so gefestigt wie die trotz Verletzungsproblemen mit vier Punkten Vorsprung führenden Darmstädter. Wehlmann hätte gar nichts dagegen, wenn das bis zum Saisonende so bliebe. Als einer der besten Zweitliga-Torhüter zog es den im Hamburger Stadtteil Eidelstedt aufgewachsenen 1,91-Meter-Mann zur Jahrtausendwende vom FC St. Pauli zum damals in der Champions League spielenden HSV, wo allerdings der Publikumsliebling Hans-Jörg Butt zwischen den Pfosten stand, der auch noch erfolgreich Elfmeter schoss.

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Weil Wehlmann sich gleich im August 2000 einen Trümmerbruch am Finger zuzog, machte er nie ein Profispiel für die Rothosen, aber missen möchte er die Zeit beim HSV auf keinen Fall. "Da hat man schon eine andere Welt mitbekommen. Grundsätzlich bin ich bodenständig geblieben und aufgewachsen, um die Dinge realistisch einzuschätzen", sagt Wehlmann heute. Diesen pragmatischen Ansatz hat er auf seinen aktuellen Arbeitgeber übertragen. Als Sprücheklopfer eignet Wehlmann sich nicht. Ruhig und sachlich erledigt er sein Handwerk. Und das am liebsten abseits des Scheinwerferlichts. Auch seinetwegen leuchten die Lilien.

Wehlmann ging einst als zweiter Torwart zum HSV - gespielt hat er für die Rothosen nie

"Carsten hat seit seinem Amtsantritt ein gutes Händchen bewiesen", sagt Präsident Rüdiger Fritsch. Die von ihm verpflichteten Trainer Dimitrios Grammozis und Markus Anfang holten aus den Möglichkeiten schon viel heraus, aber als echter Glücksgriff hat sich Torsten Lieberknecht entpuppt. Der gebürtige Kurpfälzer, der mit seiner authentischen Art, seiner emotionalen Ader am Standort hochwillkommen ist, habe den Verein noch einmal "deutlich weiterentwickelt", sagt Wehlmann. "Torsten Lieberknecht zeigt genau, warum wir ihn vor anderthalb Jahren verpflichtet haben. Er hat die Qualitäten und auch das richtige Bauchgefühl für den Klub, er hat einen fordernden Charakter." Bester Torschütze ist aktuell Philipp Tietz (acht Treffer), der wie die meisten ablösefrei kam. Ihn entdeckte der in Mainz wohnende Wehlmann fast um die Ecke beim Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. Diese Saison gingen erst zwei Pflichtspiele verloren: der Zweitliga-Auftakt gegen Jahn Regensburg (0:2) und jüngst das DFB-Pokalderby beim Champions-League-Achtelfinalisten Eintracht Frankfurt (2:4).

Laut DFL-Finanzreport leisteten sich die Lilien in der Saison 2020/2021 ein schmales Gehaltsbudget von lediglich 14,3 Millionen Euro, deutlich weniger als andere Zweitligisten. "Wir haben nicht die Voraussetzungen wie andere Klubs", betont Wehlmann. "Was den finanziellen Aufwand angeht, stehen wir in der Mitte der zweiten Liga." Dennoch wollen sie in den Top 20 des deutschen Profifußballs bleiben - am liebsten in der Bundesliga. Dass die Erlöse mit einem Aufstieg sprunghaft ansteigen, hat Darmstadt bei seinem zweijährigen Intermezzo in der Bundesliga von 2015 bis 2017 immens geholfen. Nach dem Absturz in die dritte Liga floss Geld nicht nur in Beine, sondern auch in Steine. Das Stadion am Böllenfalltor soll im Sommer endlich bezugsfertig sein, mit 17 800 Plätzen: "Für uns ist das genau die richtige Größe", findet Wehlmann. Unabhängig von der Liga.

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