Süddeutsche Zeitung

Darmstadt - Fürth 1:0:Hübsches Entlein

Darmstadt 98 startet mit viel Optimismus in die Saison und siegt gegen Fürth. Zugang Großkreutz ist seine lange Pause anzumerken.

Von Tobias Schächter, Darmstadt

Vor dem Anpfiff war in Darmstadt noch einmal die Zeit eines alten Helden: Dominik Stroh-Engel war zu Besuch am "Bölle" und ließ sich gerne von den Lilien-Fans fotografieren. Der Stürmer zählt ja zu jenen Protagonisten, die den Aufstieg des SV Darmstadt 98 von der dritten in die erste Liga mitgeprägt haben. Für den kantigen Mittelstürmer aber war der Sprung in die Bundesliga zu groß, in den vergangenen zwei erstklassigen Jahren spielte er keine Rolle mehr, vor dieser Saison wechselte der 31-Jährige zum Karlsruher SC, mit dem er am Freitag in Unterhaching eine 2:3-Niederlage einstecken musste. Nach dem Abstieg in Liga zwei sollen in Darmstadt nun andere Spieler in die Heldenrolle wachsen. Darunter sind so prominente Namen wie der ehemalige türkische Nationalspieler Hamit Altintop oder der nach einigen Verfehlungen neben dem Platz tief gefallene Weltmeister von 2014, Kevin Großkreutz.

Schon am Klang dieser Namen erkennt man den Wandel, den die "Lilien" in den letzten vier Jahren durch den Aufstieg aus den Niederungen des Amateurfußballs bis in die Bundesliga genommen haben. "Wir sind nicht mehr das hässliche Entlein", sagt Lilien-Präsident Rüdiger Fritsch stolz. Doch zum Auftakt der Zweitligasaison am Samstagnachmittag gegen die Spvgg Greuther Fürth bekam die Mannschaft von Trainer Torsten Frings eine Ahnung davon, was es bedeutet, nicht mehr unterschätzter Underdog und Außenseiter zu sein, sondern respektierter Mitfavorit für den Aufstieg.

Der 1:0-Erfolg gegen bissige Fürther war hart erkämpft. Nur ein Tor nach einer Standardsituation von Kapitän Aytac Sulu (56.) unter der Mithilfe des patzenden Fürther Torwarts Balazs Megyeri sicherte den "zähen Sieg", wie 98-Trainer Torsten Frings zusammenfasste. Und Innenverteidiger Peter Niemeyer bemerkte: "Das war ein hartes Stück Arbeit: Willkommen in der zweiten Liga."

Giftig verteidigend und selbstbewusst agierten die Fürther. "Wir haben gesehen, dass wir einem Aufstiegsfavoriten wehtun können", analysierte Fürths Trainer Janos Radoki, der aber die Chancenauswertung seiner Mannschaft bemängelte. Zwar ließen die Fürther keine Chancen des Gegners aus dem Spiel heraus zu, aber ihre eigenen Möglichkeiten vergaben sie fahrlässig und unkonzentriert: Der eingewechselte Sebastian Ernst knallte den Ball aus 16 Metern genau auf Lilien-Torwart Daniel Heuer-Fernandes (78.) und Mittelstürmer Serdar Dursun vertändelte beim Stand von 0:0 frei vor dem Tor den Ball (53.). Radoki übertrieb dann ein bisschen, als er sagte, der Gegner sei als Sieger vom Platz gegangen und wisse nicht warum.

Trainer Frings lobt die Einstellung von Großkreutz

Darmstadt tat sich zwar sichtlich schwer mit der neuen Rolle als Favorit, aber der Erfolg wird dieser erfahrenen Mannschaft helfen, stabiler zu werden. "Wir wussten nicht so genau, wo wir stehen, es war ein nervöses Spiel, aber der Sieg gibt uns Mut", sagte Torschütze Sulu, einer von vielen erfahrenen Spielern, die trotz des Abstieges in Darmstadt geblieben sind.

Von der Stammelf der vergangenen Runde verließen den Klub im Sommer nur Torwart Michael Esser (Hannover), Jerome Gondorf (Bremen) und Marcel Heller (Augsburg). Einigen Zugängen fehlt noch die Fitness, so trainieren zum Beispiel Atintop und Stürmer Artur Sobiech (gekommen aus Hannover) erst seit neun Tagen mit der Mannschaft. Und auch Kevin Großkreutz merkte man die lange Pause nach seiner Vertragsauflösung in Stuttgart im März an. Der 29-Jährige hatte starke und schwache Aktionen, so wie die gesamte Elf der Lilien. Die Fokussierung auf seine Leistungen muss Großkreutz ertragen, er und Altintop sind die prominentesten Namen einer Liga ohne Topfavoriten auf den Aufstieg.

Trainer Frings lobte die Einstellung von Großkreutz, warnte aber davor, "die Erwartungen an Kevin ins Unermessliche zu treiben", denn "das wäre nicht fair". Darmstadt hat einen Kader, in dem fast alle Positionen doppelt besetzt sind, der Klub hat mehr Möglichkeiten als noch in der letzten Zweitligasaison vor drei Jahren. Damals verfügte 98 noch über einen Lizenzspieleretat von fünf Millionen Euro, nun sind es 12,5 Millionen. Gesucht wird noch ein Linksverteidiger, dafür könnte Innenverteidiger Immanuel Höhn nach Fürth wechseln. Weil Höhn unter der Woche seinen Wechselwunsch geäußert hatte, setzte ihn Frings am Samstag nicht ein. Frings erklärte, er wolle Höhn nicht abgeben - der Wechselpoker ist eröffnet.

Auch ohne Höhn wirkte Darmstadt insgesamt gerüstet für die Saison: "Wir haben jetzt schon ein Drittel der Punkte, die wir in der Bundesliga nach der letzten Vorrunde hatten", scherzte die Betreuerin des Caterings im Presseraum nach dem Abpfiff. In der Rückrunde schuf Trainer Frings während seiner ersten Trainerstation als Nachfolger von Norbert Meier dann wieder ein Wir-Gefühl. Es herrscht wieder Optimismus in Darmstadt.

Angst, wie einst Paderborn nach dem Erstligaabstieg direkt wieder in Liga 3 durchgereicht zu werden, hat bei den Lilien niemand mehr. Die Darmstädter haben das Beste geschaffen, was ein kleiner Verein durch einen plötzlichen Aufschwung und trotz eines folgenden Abstiegs schaffen kann: eine gute Perspektive im Profifußball. Wie gut diese sein wird, müssen die Altintops' und Großkreutz' noch beweisen. Den Erfolg gegen Fürth sicherte in Aytac Sulu noch einer der alten Helden. Glückwünsche gab's dafür nach Abpfiff in der Kabine übrigens auch von: Dominik Stroh-Engel.

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SZ vom 30.07.2017
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