Süddeutsche Zeitung

Daniel Theis in der NBA:Einfach die langen Arme reinhalten

  • Von den fünf Deutschen in der NBA hat es Daniel Theis aktuell am weitesten gebracht.
  • Der Liga-Neuling spielt eine bemerkenswerte Rolle bei Tabellenführer Boston.
  • Der 25-Jährige ist ja auch so vielseitig einsetzbar wie nur wenige.

Von Joachim Mölter

Wenn Repräsentanten unterschiedlicher Kulturkreise aufeinandertreffen, besteht für gewöhnlich erst einmal Klärungsbedarf. Als der deutsche Basketball-Nationalspieler Daniel Theis im Sommer bei den Boston Celtics in der amerikanischen Profiliga NBA anheuerte, hat er den dortigen Fans zunächst beibringen müssen, wie man seinen Nachnamen richtig ausspricht: nicht mit dem gelispelten "s", das im Englischen für die Buchstabenkombination "th" verwendet wird, sondern mit einem hart ausgesprochenen "t", so dass sich der Name auf "nice" reimt oder auf "rice". Im Gegenzug haben ihm die Amis erläutert, was es mit "Tommy Points" und "Tommy Award" auf sich hat.

Beides vergibt der inzwischen 83 Jahre alte Tom Heinsohn, eine Ikone des NBA-Rekordmeisters: achtmal Champion als Spieler, zweimal als Trainer und seit dreieinhalb Jahrzehnten die Stimme der Celtics bei deren Fernsehübertragungen. Wenn sich ein Bostoner Spieler in einer Szene besonders angestrengt hat, gibt's einen "Tommy Point" vom alten Herrn; und nach jeder Partie beehrt Heinsohn einen Profi für dessen Engagement im Dienst der Mannschaft mit besagtem "Tommy Award".

Erstes Double-Double

So haben sie es Theis jedenfalls erzählt, als ihm neulich diese inoffizielle, zudem imaginäre Auszeichnung zuteil wurde. Zum 113:86 der Celtics über die Sacramento Kings hatte er am 1. November zehn Punkte und zehn Rebounds beigesteuert, sein erstes Double-Double in der stärksten Liga der Welt - also zweistellige Werte in zwei Statistiken. "Er hat verdammt gute erste acht Spiele hingelegt", lobte danach auch sein Coach Brad Stevens.

Inzwischen ist Daniel Theis zehnmal für die Celtics zum Einsatz gekommen, nur beim Saisonauftakt gegen den Vorjahresfinalisten Cleveland Cavaliers (99:102) blieb er auf der Bank. Theis' jüngster Auftritt war nicht nur wegen des kleinen Jubiläums ein besonderer: Am Montag spielte er mit den Celtics bei den Atlanta Hawks vor, wo Dennis Schröder die Fäden zieht, sein bester Kumpel aus gemeinsamen Bundesliga-Tagen in Braunschweig. Die Celtics gewannen 110:107 und sind mit 9:2 Siegen nun das beste Team der Liga; die Hawks stehen mit einer 2:9-Bilanz am Tabellenende, umringt von den Chicago Bulls (2:6) und den Dallas Mavericks (1:10), den anderen NBA-Klubs mit deutschen Profis.

Dass es Daniel Theis von den fünf Deutschen in der NBA am weitesten bringen würde, war nicht unbedingt zu erwarten gewesen, als er im Sommer seinen Wechsel vom deutschen Meister Brose Bamberg nach Boston bekannt gab, wo er einen Zweijahresvertrag unterschrieb. Dennis Schröder ist zwar Atlantas bester Mann, wie er am Montag mit seinen 23 Punkten bestätigte, aber er ist halt nur der Beste in einem der schlechtesten Teams: Die Hawks basteln ebenso wie die Mavericks von Dirk Nowitzki und Maxi Kleber an einem Neuaufbau. Und Paul Zipser ist in Chicago in eine derart chaotische Organisation geraten, dass diese nicht einmal mit ihrer Selbstzerstörung überraschen könnte. So wie es aussieht, wird Theis als Einziger des deutschen Quintetts noch im Frühjahr 2018 aktiv sein, wenn die Playoffs um die Meisterschaft beginnen. Und wenn keine Verletzung oder andere unvorhersehbare Dinge dazwischen kommen, wird er in Boston eine bemerkenswerte Rolle für einen Neuling spielen, dessen Namen die Fans neulich noch nicht kannten, geschweige denn richtig aussprechen konnten.

Für Experten ist der geschmeidige Wechsel des 2,06 Meter großen Theis in die stärkste Liga der Welt freilich nicht so verblüffend. "Von dem, was er kann, passt er sehr gut in die NBA", findet Stefan Weissenböck, Individualcoach bei Theis' vormaligem Arbeitgeber Bamberg. "Daniel bringt eine Athletik mit, die für Europa unfassbar beeindruckend ist und für die NBA schlicht notwendig", fügt Weissenböck hinzu: "Das ist ein Grund, warum er dort nicht hinterherhinkt - er rennt und springt wie die meisten anderen."

Was den 25-Jährigen aber von den meisten anderen in der NBA unterscheidet, ist seine Vielseitigkeit. "Er spielt mit großer Energie. Er weiß, was er tun soll. Er kann werfen, er kann zum Korb abrollen, er kann verschiedene Abwehraufgaben übernehmen", zählte Celtics-Coach Brad Stevens die Gründe auf, warum er seinen Zugang aus Deutschland unlängst beim 96:89 gegen die Milwaukee Bucks sogar erstmals in die Startformation berief. Auch Theis weiß, was von ihm erwartet wird. In dem hochklassig besetzten Ensemble sind Männer wie Kyrie Irving (35 Zähler gegen die Hawks), Al Horford oder Jayson Tatum fürs Punkten zuständig. "Aber man braucht auch Spieler, die verteidigen und Dinge tun, die nicht immer in der Statistik auftauchen", sagt Theis und beschreibt seine Aufgaben so: "Mit Energie zu spielen und nach Rebounds zu fischen; meine langen Arme reinzuhalten und dem Gegner viele Bälle wegzutippen."

"Er kommt rein und bewirkt was, das ist eine Riesenqualität"

In der NBA gilt man als guter Einwechselspieler, wenn man keine lange Anlaufzeit benötigt und in kurzer Zeit möglichst effektiv agiert. Genau das bescheinigt ihm Stefan Weissenböck: "Wenn er aufs Feld kommt, gelingt es ihm in 19 von 20 Fällen, etwas zu machen - ein Offensiv-Rebound, ein Alley oop, ein Block. Oder er baut in der Defensive den wichtigsten Mann des Gegners ab. Er kommt rein und bewirkt was, das ist eine Riesenqualität."

In der BBL wurde Theis in der vorigen Saison als bester Abwehrspieler ausgezeichnet, weil er selbst die flinken Guards vom Zug zum Korb abhalten konnte; auch in der NBA trauen sie ihm zu, mehrere Positionen verteidigen zu können - auch wenn dort alles noch schneller zugeht, wie Theis gemerkt hat. Das Tempo in der NBA hat ihn jedenfalls zunächst beeindruckt, gibt er zu, daran musste er sich gewöhnen, was ihm schnell gelungen ist. Die NBA mag vielleicht ein anderer Kulturkreis sein, andererseits, so sagt Daniel Theis: "Es ist immer noch Basketball."

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SZ vom 08.11.2017/sonn
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