Tischtennis:Spontane Verabredung mit einem Europameister

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Daniel Habesohn, hier in Paris bei seiner fünften Olympiateilnahme, hat international schon eine Menge erreicht. Für Österreich, nicht für Japan – er wechselt trotzdem nach Bad Königshofen. (Foto: Patrick Steiner/Gepa pictures/Imago)

Der Tischtennis-Erstligist TSV Bad Königshofen hatte ganz andere Pläne, aber eine kurze Nachricht genügte, um diese über den Haufen zu werfen. Er hat den Österreicher Daniel Habesohn verpflichtet – obwohl der zuletzt kaum etwas gewonnen hat.

Von Andreas Liebmann

Es wird nicht ganz zum Unvorstellbaren kommen. Immerhin ist der große Sponsor Akihiko Kotani nach da; der noch größere Trainer Koji Itagaki; und wer einen Blick ins Trainingszentrum des Tischtennis-Erstligisten TSV Bad Königshofen wirft, wird dort viele japanische Gastspieler üben sehen. Aber: Dem kleinen Erstligakader des unterfränkischen Vereins wird von kommender Saison an trotzdem kein einziger Profi aus Japan mehr angehören. In Zahlen: null. Und das ist nah dran an einer Weltsensation.

Für vergangenen Samstag hatte der TSV zu einer geheimnisvollen Präsentation in den örtlichen Gasthof Schlundhaus geladen, in der er dann jenen Mann vorstellte, der den letzten freien Platz im künftigen Kader einnehmen wird: Er heißt Daniel Habesohn und geht selbst für flüchtige Beobachter nicht als Japaner durch. Schon gar nicht, wenn er den Mund aufmacht. Der 38-Jährige ist Österreicher, mit geschorener Kopfhaut und Wiener Dialekt.

Es dürfte, dieser Einwand muss erlaubt sein, noch andere unterfränkische Sportvereine ohne japanische Profis geben, aber dieser besondere war nun mal seit der Zweitliga-Saison 2015/16 nur ein einziges Jahr ohne Japaner angetreten. 2020/21 war das – eine von Corona gerissene Lücke. Ansonsten (für Interessierte): Mizuki Oikawa. Kazuhiro Yoshimura. Koudai Hiraya. Akito Itagaki. Yukiya Uda. Und aktuell: Jin Ueda. Es führt zu weit, noch einmal zu erzählen, durch welch irre Zufälle diese seltsame Liaison einst zustande kam, sie brachte dem TSV jedenfalls sportlichen Erfolg und besondere Aufmerksamkeit im Inselstaat.

Habesohn sei ein Kämpfer, „ein superfairer Sportler“ und ein guter Doppelspieler, erläutert Teammanager Albert

Habesohn ist wahrscheinlich auch dort, ganz sicher aber in Deutschland kein Unbekannter. Er war zweimal im Doppel und einmal mit dem Team Europameister, er gewann die Champions League, und als sein künftiger Verein 2017 erstmals in die Tischtennis-Bundesliga (TTBL) aufstieg, war Habesohn schon da. Er spielte damals wie heute für Mühlhausen. Von langer Hand geplant war sein Transfer nicht, im Gegenteil. Erst unmittelbar vor dem jüngsten TTBL-Heimspiel des TSV Bad Königshofen gegen Düsseldorf hatte Habesohn sich gemeldet, woraufhin die Unterfranken andere Planungen spontan über den Haufen warfen und sich mit Habesohn auf ein einjähriges Engagement einigten.

Er sei ein Kämpfer, „ein superfairer Sportler“, ein guter Doppelspieler, erläutert Teammanager Andreas Albert, mit einer Hopp-oder-top-Neigung immer für Spektakel gut und gelegentlich für Gewinnschläge hinter dem Rücken. Habesohns Vita lässt auch wenig Zweifel. Wäre da nicht seine Rückrundenbilanz der vergangenen Saison: 0:7. Oder seine aktuelle: 2:9, erneut eine der schlechteren der Liga.

Es ist mal wieder nicht ganz ohne Risiko, was die sportliche Leitung da unternimmt, aber das steht in einer anderen Tradition dieses Klubs: In der des Kroaten Filip Zeljko zum Beispiel, den man behielt, auch als er einst aus dem Nationalkader geflogen war und modelte; des Belgiers Martin Allegro, den man weiterbeschäftigte, auch nachdem er ein zweites TTBL-Jahr ohne jeden Einzelsieg absolviert hatte; oder des im Sommer scheidenden Ueda, den eine Art Burn-out nach Unterfranken geführt hatte und den man in der Heimat zum alten Eisen zählte. Oft schauen Albert und Kollegen eher, ob der Typ Mensch zu ihrem Klub passt. Das Sportliche hat sich noch immer gefügt.

Habesohn wird nun jedenfalls der vierte Mann sein neben Zeljko, Routinier Bastian Steger und dem 19-jährigen Zugang Andre Bertelsmeier, der soeben die Top 100 der Welt erklommen hat. Wie Steger, der seine internationale Karriere längst beendet hat, will sich auch Habesohn weitgehend vom Turniermarathon der WTT-Serie zurückziehen. Man sei dort getrieben, sagt er, und als Familienvater mit zwei Kindern wolle er sich das nicht länger antun. Manager Albert gefällt das. Er führt den derzeitigen Erfolg seines Teams (das am Sonntag Rang drei mit einem 3:2-Sieg in Grenzau festigte) nicht unwesentlich darauf zurück, dass sich auch aktuell in Steger und Ueda zwei Stammspieler ganz auf den Ligabetrieb konzentrieren können – ein Vorteil gegenüber der oft abgekämpften Konkurrenz.

Für Habesohns Schwächephase gibt es übrigens eine Erklärung. Er hat ein Master-Fernstudium absolviert, während der Leistungsdelle hatte er Abschlussprüfungen. Und seine Anfrage war ähnlich spontan wie die folgende Einigung. Bad Königshofen sei schon immer ein Verein gewesen, der ihn gereizt habe, erzählt er, und als er so vor dem Livestream der Partie gegen Düsseldorf saß, habe er sich gedacht: Auch wenn deren Kader sicher längst voll sei („bestimmt haben die noch einen Japaner“), hätte er doch wenigstens einmal dort anfragen können. Also tippte er eine schnelle Nachricht. Sechs Tage später war er der Überraschungsgast im Schlundhaus.

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