Nationalspielerin Linda Dallmann:Die, die immer Bock hat

Nationalspielerin Linda Dallmann: Linda Dallmann im EM-Gruppenspiel gegen Finnland: Da durfte sie mal ran - und glänzte prompt.

Linda Dallmann im EM-Gruppenspiel gegen Finnland: Da durfte sie mal ran - und glänzte prompt.

(Foto: Peter Cziborra/Reuters)

Bei der EM ein echter Thriller, jetzt ein guter Test: Deutschlands Wiedersehen mit den Französinnen findet vor großer Kulisse in Dresden statt - besonders Linda Dallmann will ihre Chance diesmal nutzen.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Wie das so läuft, wenn in einem Ensemble die Harmonie stimmt, das haben die deutschen Fußballerinnen gerade bei einer Führung durch die Semperoper in Dresden bewundert. Sie konnten den Musikern und Tänzern beim Aufwärmen zusehen und dabei erfahren, worauf es hinter den Kulissen ankommt. Der Anschauungsunterricht kam gelegen, denn an diesem Freitag betritt die DFB-Elf beim Freundschaftsspiel gegen Frankreich (20.30 Uhr/ARD) in der Elbmetropole selbst eine größere Bühne.

Deutschland gegen Frankreich? Da war doch was! Es ist die Neuauflage des EM-Halbfinales aus dem Sommer, das die DFB-Elf in Milton Keynes 2:1 gewann. Seitdem ist das Interesse an den deutschen Frauen klar gestiegen, für das Spiel in Dresden sind bereits 24 500 Karten verkauft - es gibt nur noch Stehplatztickets.

Die Live-Übertragung zur Primetime am Freitagabend dürfte erneut ein Millionenpublikum vor die Apparate locken. Damit werden zentrale Forderungen erfüllt, die die Spielerinnen und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg häufiger gestellt hatten. Ungünstig ist nur, dass gleich vier prominente Spielerinnen für diesen Test ausfallen: Marina Hegering (Fußverletzung), Sara Däbritz (Sprunggelenk), Lina Magull (Corona-Infektion) - und die am Mittwoch wegen einer Knieverletzung kurzfristig abgereiste Giulia Gwinn.

Giulia Gwinn verletzt sich schwerer und fällt aus

Andererseits dürfen sich nun stattdessen Fußballerinnen bewähren, die beim Turnier in England gerne häufiger gespielt hätten - wie Linda Dallmann, die derzeit Führende der Bundesliga-Torschützinnenliste. Bei der EM kam die 28-Jährige fünfmal als Einwechselspielerin zum Zug, viermal löste die Mittelfeldspielerin vom FC Bayern ihre Vereinskollegin Magull ab, einmal Däbritz. Als Dallmann im sportlich bedeutungslosen Gruppenspiel gegen Finnland (3:0) in der Startelf stand, nahm die Technikerin prompt die Auszeichnung zur Spielerin des Spiels entgegen.

Nun bekommt sie ihre Chance und sagt: "Ich möchte mir natürlich auch hier meinen Stammplatz erarbeiten, auch wenn die beiden (Magull und Däbritz; Anm. d. Red.) fit wären. Das ist mein Anspruch." Drei Jahre nach dem Wechsel von ihrem Ausbildungsverein SGS Essen nach München findet Dallmann, dass sich Akzeptanz und Anerkennung für ihren Sport inzwischen gewaltig verändert haben: "Die EM hat extrem viel ausgelöst. Vor allem bei Leuten, die Frauenfußball sonst nicht so verfolgt haben." Mehrere Menschen in ihrem Umfeld hätten "erzählt, dass die EM für sie das Fußball-Highlight des Jahres war. Dass wir so eine Euphorie schüren konnten, hatten wir noch nie. Das ist für uns die größte Wertschätzung", sagt Dallmann.

Auf Urlaub nach dem betörenden Turnier hat die 53-malige Nationalspielerin weitgehend verzichtet. Statt zu Hause in Dinslaken abzuhängen, ist sie lieber in ihre Wohnung nach München gefahren, um sich auf dem FC-Bayern-Campus dem neuen Trainer Alexander Straus zu zeigen. "Ich habe eigentlich immer Bock auf Fußball, deswegen wollte ich auch schnellstmöglich wieder trainieren. Deswegen bin ich relativ fix wieder eingestiegen."

Es ist wohl kein Zufall, dass sie zuletzt im Rückspiel der Champions-League-Qualifikation gegen Real Sociedad (3:1) sowie in der Bundesligapartie beim MSV Duisburg (4:0) doppelt traf. "Ich fühle mich nicht erst seit ein, zwei Wochen körperlich gut, sondern seit der EM. Der einzige Unterschied ist, dass es jetzt mit dem Toreschießen klappt", erzählt Dallmann. Viel von ihrem umfangreichen Repertoire hat sich die 1,58 Meter große Offensivspielerin in ihrem familiären Umfeld angeeignet - Durchsetzungsvermögen inklusive.

Wer mit vier Brüdern und zwei Schwestern aufwächst, muss schon mal dazwischengehen, die Familie wird zur Schule für den Sport - und umgekehrt. Bei den DFB-Frauen gilt Dallmann als aufgeräumte Teamplayerin, deren Finesse am Ball alle wertschätzen. "Linda ist eine außergewöhnliche Fußballerin mit einer besonderen Technik", sagt Abwehrspielerin Kathrin Hendrich, die zudem Dallmanns Unberechenbarkeit lobt.

Die DFB-Kollegin Lena Oberdorf nennt Dallmann einen "Freigeist - wir müssen um sie herum aufräumen, damit sie ihre Torgefährlichkeit ausspielen kann." Denn beim Test in Dresden ist nicht zwangsläufig zu erwarten, dass Kapitänin Alexandra Popp wieder alleine das Duell gegen die spielstarken Französinnen entscheidet. Die Torjägerin hatte im EM-Halbfinale mit zwei Toren ihren letzten großen Moment - und fiel dann im Endspiel verletzt aus. Mittlerweile ist aber auch bei Popp wieder Harmonie eingekehrt.

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