Cutman Joe Souza:Der Mann, der die Wunden näht

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Roland Schulz

Blut hassen sie, die Boxer. Blut ist schlecht, denn Blut sieht hässlich aus. Blut macht nervös - die Ringärzte, die Ringrichter, die Offiziellen. Dann kann der Kampf schnell vorbei sein, abgebrochen zum Wohle des Boxers, obwohl der noch auf einer Welle des Adrenalins reitet und trotz jeden Cuts, jeder blutenden Wunde, kämpfen will. Deswegen, so sagen zynische Boxer, sollten sich Kämpfer außer um den Fight nur um drei Dinge sorgen: Ist der Mundschutz da, der Tiefschutz, der Cutman? Cutmen sind die Wunderheiler des Boxens. Sie flicken Boxer zusammen, wenn ihnen nach Schlägen ein Auge schwillt oder die Haut reißt. Damit sie weiterkämpfen können. Um jeden Preis. Es ist eine brutale Kunst.

Joe Souza, der Cutman von Vitali Klitschko, beherrscht sie. Deshalb wurde er eigens für den Lewis-Kampf engagiert. Sonst hatte Klischko- Trainer Fritz Sdunek auch die Rolle des Cutman inne - in Los Angeles aber war ein Spezialist gefordert. Beim Gong nach der dritten Runde sprang Souza in den Ring, seine Werkzeuge bereit: Wattestäbchen im Mund, auf dem Handrücken die Vaseline, in die Adrenalin gemischt ist, im Verhältnis 1:1000, um Blutungen zu stoppen, und den Verbandsmull ans rechte Handgelenk gebunden. Er arbeitete konzentriert an dem klaffenden Krater, der sich über Klitschkos linkem Auge auftat. Ein Cutman hat nur die 60 Sekunden einer Ringpause, um seinen Boxer wieder ansehnlich und kampfbereit zu machen.

Allein darum geht es - den Boxer soweit herzustellen, dass er trotz Wunde so gut wie möglich aussieht. Es geht darum, gegen die Angst der Ringärzte anzukämpfen. Damit ein Kampf vielleicht doch noch eine Runde weiterläuft, in der der verletzte Boxer versuchen kann, den Gegner K.o. zu schlagen. Also presste Souza seine Wattestäbchen in Klitschkos Wunde, um das Blut aus den Adern zu drücken. Er presste, bis sein Q-Tip vollgesogen war, rieb einen Batzen Vaseline an die Stelle, an der Klitschkos Haut gerissen war und in Fetzen hing. Er formte mit seinem Daumen einen kleinen Wall an Vaseline unter die Wunde, auf dass das Blut ab jetzt nicht ins Auge, sondern über die Wange laufe. Es war eine brutal effektive Arbeit.

Klitschko konnte weiter boxen. Nun waren es zwei Kämpfe: Lewis gegen Klitschko - und Souza gegen Paul Wallace, den Ringarzt. Nach Runde sechs griff der Cutman zur letzten Möglichkeit, um die Blutung zu stoppen: Mull direkt in die Wunde, tief hinein, ohne Gedanken an die Folgen, darauf dick Vaseline und dann hoffen, dass der Ringarzt nicht genau hinsieht. Doch der Ringarzt sah genau hin. Zu Recht.

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