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Curling: Andreas Kapp:Mister Curling wird müde

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Vor seiner 14. WM denkt Curling-Skip Andreas Kapp über sein Karriereende nach. In Kanada verfolgt sein Team jedoch ein großes Ziel: Bloß nicht so schlecht abschneiden wie bei der letzten WM.

Steffen Jüngst

Curling in Deutschland ohne Andreas Kapp? Nicht vorstellbar. Wirklich nicht. Seit über zwei Jahrzehnten ist Kapp das Gesicht dieser für den Laien sehr seltsamen Sportart. Wo auch immer Männer im Fernsehen Steine übers Eis schoben und kräftig Kommandos hinterher brüllten - Kapp war dabei. Und doch denkt er vor seiner 14. Weltmeisterschaft, die am Samstag in Kanada beginnt, ans Aufhören. "Es ist völlig offen", sagt Kapp, der im Dezember 44 Jahre alt wird: "Wir werden uns nach der WM zusammensetzen und überlegen."

Der Zeitpunkt für solche Überlegungen ist logisch: Nach der WM 2011 wird entschieden, welche Mannschaft sich auf Olympia 2014 in Sotschi vorbereiten wird. Die nächsten drei Jahre werden geplant, zur Qualifikation für Olympia zählen die Weltmeisterschaften 2011 bis 2013. Kapp muss also wissen ob er das Ganze noch drei Jahre haben will: den Stress, die weiten Reisen, den ewigen Kampf um ein bisschen Anerkennung. Oder ob er einen anderen Skip, wie der Mannschaftskapitän im Curling heißt, aufs Eis lässt.

Zusammensetzen werden sich in erster Linie Kapp und seine Frau. "Das ist der Verzicht auf ein halbes Jahr Ehemann, meine Frau weiß was sie damit auf sich nehmen würde." Bis zu den Olympischen Spielen werden die Curler in den drei Jahren jeweils rund 60 Tage unterwegs sein. Auch die anderen vier Teammitglieder vom CC Füssen müssen sich mitentscheiden: Daniel Herberg, Markus Messenzehl, Holger Höhne und Andreas Lang.

Für sie ist Curling ein reines Hobby, Geld kann man nicht verdienen, für die Reisekosten zahlen sie sogar drauf. Deswegen spielt die Familie bei der weiteren Planung eine wichtige Rolle: "Ohne sehr starke Frauen geht das nicht", sagt Kapp. Auch seine drei Kinder beeinflussen, wie es weitergeht. "Sie fragen auch schon mal: Papa, warum fährst du nicht öfters mit uns weg?"

Deshalb gibt es bei den Kapps schon länger ein Abkommen: Zwei Wochen Familienurlaub im Jahr sind Pflicht. Ganz einfach ist das nicht. Die fünf Wochen Jahresurlaub gehen eigentlich komplett für Curling drauf. Bei Kapp ist es etwas unkomplizierter: Er ist selbstständig, führt einen Tiefkühlkostgroßhandel. Für seine Abwesenheit gilt es auch dort viel im Voraus zu planen und zu organisieren. "Es ist nicht einfach", sagt Kapp, "aber man lernt, wie man es sich einteilen muss."

Ausgerechnet die WM in Regina, im Zentrum Nordamerikas, könnte also Kapps letzte sein. Autogrammstunden, eine Partyzone, tausende Zuschauer in der immer ausverkauften Halle - das alles verbindet man in Deutschland mit vielen Sportarten, nicht aber mit Curling. In Kanada ist es dagegen ganz normal. "Da geht der Punk ab, das ist ein richtiges Volksfest", sagt Kapp.

Kanada kennt Andreas Kapp mittlerweile ziemlich gut. Es ist seine 14. Curling-Weltmeisterschaft und die siebte, die ihn und sein Team nach Kanada führt. "Wir waren von Osten bis Westen schon quasi überall", sagt Kapp. Curling ist in Kanada anders als in Deutschland ein richtiger Volkssport. Rund 700 Curlingspieler gibt es in Deutschland, ungefähr eine Million in Kanada.

Wie auch immer die Zukunftsentscheidung ausfällt, vorher will Kapp bei der WM noch seine Ziele erreichen: "Wir wollen unter die besten Vier." Das will Kapp mit viel Lockerheit erreichen: "Wir haben den Vorteil, dass wir relativ erfahren sind. Uns kann nicht mehr viel aus der Ruhe bringen".

Die letzte WM-Medaille der deutschen Herren liegt vier Jahre zurück, im vergangenen Jahr wurden sie nur Siebter. Auch bei Olympia wurden die deutschen Männer nur Sechster. Die Enttäuschung war groß, manch einer erwartete bereits da Rücktrittsgedanken beim deutschen Skip.

Doch er will es noch einmal wissen: Schon am Dienstag ist das deutsche Team Richtung Kanada aufgebrochen, auch wenn das Auftaktspiel gegen China erst am Sonntag ist. Bis dahin ist jeder Tag durchgeplant mit Training, Teambesprechungen und Einspielen. "Vielleicht bleibt an einem Nachmittag noch ein bisschen Zeit und wir können mal in die Shoppingmall gehen. Um aber sonst noch viel zu sehen, hat man keine Zeit", sagt Kapp.

Das Gute daran: In der kanadischen Prärie gibt es nicht viel zu sehen - außer die Partyzone und die Curlinghalle.

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