Crystal Palace in der Premier League:Big Sam regiert in Süd-London

Crystal Palace manager Sam Allardyce

Sam Allardyce weiß, wie es geht: Der Coach hat Crystal Palace belebt.

(Foto: REUTERS)
  • Es tut sich was im Süden Londons: Crystal Palace gewinnt plötzlich, weil der neue Trainer Sam Allardyce vieles richtig macht.
  • Als Nationaltrainer war er gescheitert, jetzt funktioniert sein pragmatischer Stil.

Von Sven Haist, London

Wie in einer Diskothek blitzte das Flutlicht im Londoner Selhust Park im Dezember im Nachthimmel, als die Spieler von Crystal Palace und Manchester United auf den Rasen liefen. Vor der Partie hatte der Verein die Beleuchtung ausgetauscht. Die Verantwortlichen wollten etwas Besonders versuchen, aber die Zuschauer ließen recht schnell wissen, dass diese Lichtershow eher auf die nördliche, wohlhabendere Seite der Themse gehört, zu Chelsea oder Arsenal, aber doch bitte nicht in den Bezirk Croyden, den selbst das Streckennetz der Londoner Underground nicht mehr erfasst.

Denn anders als in den meisten britischen Stadien passiert bei Crystal Palace vor dem Anstoß bei Heimspielen normalerweise: nichts. Glitzer und Glamour passte noch nie zum Selhurst Park. Als einziger Londoner Verein in der Premier League hat Crystal Palace seit einem Jahrhundert sein Zuhause auf der Südseite der Themse.

Die Fans gelten als genauso verwurzelt wie ihr Verein. Sie hatten nach der Lichtershow Sorge, dass der Verein den Blick für die Realität verliert. Denn Palace trennten nach einem guten Saisonstart zwischenzeitlich nur wenige Punkte von den Abstiegsplätzen. Wer in solchen Situationen in England sichergehen möchte, die Liga zu halten, hat zwei Möglichkeiten. Entweder Tony Pulis als Trainer engagieren oder Sam Allardyce. Beide werben für sich mit dem Etikett, noch nie mit ihren Klubs abgestiegen zu sein. Noch vor Weihnachten vermeldete Crystal Palace die Verpflichtung von: Sam Allardyce.

Der unabsteigbare Allardyce startete die Serie

Am Samstagnachmittag hat sich Palace nun um sieben Punkte von den drei Abstiegsrängen abgesetzt. Die Tore von Yohan Cabaye und Christian Benteke sicherten ein 2:2 im Heimspiel gegen Meister Leicester City, das nach Treffern des Deutschen Robert Huth und Jamie Vardy schon 2:0 führte. Es ist das siebte Spiel ohne Niederlage in den vergangenen acht Partien. Einen besseren Lauf hat aktuell nicht mal Tabellenführer Chelsea.

Der designierte Titelgewinner verlor vor zwei Wochen gegen eben jenes Crystal Palace. Dieses Zwischenhoch ist auch notwendig geworden, da es mit Allaryce in der Tabelle zunächst weiter nach unten ging. Und in den verbleibenden sechs Spielen noch Duelle mit Liverpool und beiden Vereinen aus Manchester anstehen. Punkte sind da nicht garantiert. Obwohl sich Palace gerade vor nichts fürchtet.

Er tappte in eine hinterlistige Falle

Das hat vorwiegend mit dem Hochgefühl des 3:0 über Arsenal zu tun, der sportlichen Renaissance des Vereins und ihres Trainers am vergangenen Montag. Palace und Allardyce werden wieder ernst genommen auf der Insel - das war zeitweise nicht der Fall. In aufrechter Haltung dozierte Allardyce, 62, genüsslich vor den Reportern über seine Taktik. Kein Fußballlehrer in der Premier League macht mehr aus den Medienrunden als "Big Sam", irgendetwas hat der zwei Meter große Mann aus den West Midlands immer zu sagen. Das fiel ihm als englischer Nationaltrainer im Sommer auf die Füße, als er in eine hinterlistige Falle der Zeitung Telegraph tappte.

Das Aus nach 67 Tagen hat an seiner Reputation, ein Pragmatiker zu sein und mit den Tücken der Premier League umgehen zu können, nichts verändert. Allardyce weiß, was es benötigt, um ein Team vor dem Absturz zu bewahren. Die Ästhetik hält sich bei seinen Rettungsaktionen in Grenzen. Auch deswegen hat er nie ein Topteam trainiert oder einen Pokal gewonnen.

Allardyce-Vorgänger Pardew scheiterte

Die Rückkehr zum Bekannten ist den Leuten recht bei Crystal Palace. Seit sich im Dezember 2015 zwei amerikanische Geschäftsleute in den Klub eingekauft haben, lässt sich eine zunehmende Internationalisierung nicht übersehen. Der Blick geht weg von der local community, der sich Palace einst verschrien hat, unter dem Leitspruch: Süd-London und Stolz. Die Atmosphäre im heimischen Selhurst Park gilt als besonders intensiv. Umso mehr werden die Ambitionen, sich auf fernen Märkten zu positionieren, mit Skepsis gesehen.

Demgegenüber steht das Geld, das der Klub dadurch einnimmt. Im Januar kaufte sich Palace frei aus der Bedrängnis, indem drei neue Spieler für 35 Millionen Euro geholt wurden. Etwa denselben Betrag gaben die Verantwortlichen schon vor der Saison für den belgischen Nationalstürmer Christian Benteke aus. Das bewegte Alan Pardew, den Vorgänger von Allardyce, dazu, den Spielstil offensiver auszurichten. Entgegen den Gepflogenheiten bei Crystal Palace. Diese Idee kam dann genauso gut an bei den Beteiligten wie die Lichteffekte beim Einlaufen der Mannschaften. Beide Neuerungen sind inzwischen wieder rückgängig gemacht worden.

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