Crowdfunding in der Leichtathletik:Biete Medaillen, brauche Geld

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Christina Kiffe: Sport und Studium sollen vereinbar werden (Foto: imago sportfotodienst)

14 Stunden Training pro Woche, parallel ein Jurastudium und nur 200 Euro Sportförderung: Christina Kiffe ist Siebenkämpferin und könnte sich ihre duale Karriere ohne Hilfe der Eltern kaum leisten. Um unabhängiger zu werden, probiert sie eine neue Form der Sponsorensuche aus: Crowdfunding.

Von Johannes Knuth

Neulich hat Christina Kiffe Peter Klöppel kennengelernt, den Nachrichten-Kapitän von RTL. Die Deutsche Sporthilfe, von der die Athletin gefördert wird, hatte ein Forum ausgerichtet: Junge Spitzensportler treffen Führungskräfte aus namhaften Unternehmen. "Da ist es einfacher, auch mal ein Praktikum zu bekommen", sagt Kiffe. Für später. Denn die 21-Jährige findet: "Als Sportlerin ist das Leben in Deutschland manchmal nicht einfach."

Christina Kiffe ist Siebenkämpferin beim ASC Darmstadt. 2011 wurde sie Fünfte bei der U20-Europameisterschaft in Tallinn, mit 5793 Punkten, Bestleistung. Sie gehört dem B-Kader an, der zweithöchsten Fördereinheit des Deutschen-Leichtathletik-Verbands (DLV). Das ist die sportliche Seite.

Finanziell betrachtet ist Kiffe ein junges Ein-Frau-Unternehmen, wie ein Start-up, bei dem man noch nicht weiß, wie lange und ob es etwas wird am hart umkämpften Markt. Also kümmert sie sich auch um die Laufbahn nach dem Sport. Sie studiert ihr Wunschfach Jura in Frankfurt und traininert nebenbei 14 Stunden in der Woche. Duale Karriere heißt das. Wobei das "dual" nur die Belastung, nicht das Einkommen beschreibt. Die Hochleitungssportlerin verdient ein Studentengehalt. Kiffe sagt: "Das ist schon nicht ohne."

Die Sporthilfe überweist B-Kader-Athleten wie ihr monatlich 200 Euro. "Meine Eltern unterstützen mich in sehr hohem Maße, ohne die würde es nicht gehen", sagt sie. Bis vor kurzem hat sich von einem Ermüdungsbruch im Schienbein erholt, eineinhalb Jahre war sie abwechselnd verletzt oder angeschlagen. Wer so lange fehlt, verliert in der Regel seinen Kaderstatus samt Sporthilfe-Förderung. Kiffe blieb im Kader, der Verband machte eine Ausnahme.

Seit kurzem probiert die Leichtathletin etwas Neues, um ihr Budget aufzubessern um den anhaltenden Sponsorenschwund in der Leichtathletik aufzufangen: "Crowdfunding", auch Schwarmfinanzierung genannt. Auf der dafür erschaffenen Internetplattform aurango.com hat sie sich ein Profil angelegt, mit einem Steckbrief, mit Fotos - und ihrem sportlichen Matchplan für 2014: 6000 Punkte, die Leichtathletik-Europameisterschaft in Zürich.

Wem dieses Anliegen gefällt, der kann sie unterstützen, mit zehn bis maximal 1000 Euro. Als Gegenleistung erhält der Sponsor ein Dankeschön, eine Autogrammkarte (für zehn Euro) oder ein Trainingstag mit der Athletin in Frankfurt (für 100 Euro). Wenn viele Internetnutzer ein bisschen spenden, so die Idee, kommt am Ende genauso viel heraus wie bei einem Sponsor, der einen größeren Betrag herausrückt.

Crowdfunding ist ein junges Phänomen im deutschen Sport. Neben Kiffe machen Sprinter Maximilian Kessler (SSC Berlin), Mittelstrecklerin Caterina Granz (LG Nord Berlin) und 400-Meter-Läufer Alexander Meisolle (TV Wattenscheid) mit. Unter den Sportlern sind WM-Teilnehmer, nationale Spitzenathleten, Talente vor dem Durchbruch. Im angloamerikanischen Raum finanzieren Athleten aus derselben Preisklasse seit längerem per Crowdfunding ihre Wettkampfreisen oder Trainingslager. Auf Seiten wie makeachamp.com oder www.rallyme.com stellen sie sich aus wie auf einem Markt: Wer hat die größeren Ambitionen, die bewegendere Geschichte?

Christina Kiffes Geschichte geht so: Sie will Jurastudium und Spitzensport meistern, parallel. Nach drei Wochen hat sie 500 Euro gesammelt, ein Sponsor hat sie unterstützt, es ist ein verhaltener Start. Anfang Januar endet ihre Kampagne, bis dahin muss sie ihr selbstgestecktes Sponsoring-Ziel erreicht haben: 6000 Euro. Treibt sie die Summe auf, darf sie das Geld behalten. Treibt sie zu wenig ein, geht sie leer aus, komplett. Das Geld geht dann an ihre Unterstützer zurück.

Es ist ein Wettkampf, so sieht sie das. Und was hat sie schon zu verlieren? Natürlich gibt es auch immer wieder Kritik am Crowdfunding und die verschwindet auch nicht, wenn es sich dabei um Förderung von Spitzensport handelt. Die Befürchtung ist, dass sich die Politik auf der Sportförderung zurückzieht, wenn sich die Sportler selbt finanzieren.

Für Siebenkämpferin Kiffe ist Crowdfunding ein Versuch, unabhängiger zu sein in einem System, das einem wenig finanziellen Spielraum lässt. Wenn ihre Aktion erfolgreich ist, hätte sie ihren kompletten Bedarf für die kommende Saison gedeckt. Der DLV stellt zwar Trainingslager und Trainingsstätten. Aber wenn es um die duale Karriere geht, um Fahrtkosten zwischen Uni, Sportplatz, Zuhause, "da kommt finanziell nicht viel", sagt Kiffe.

Clemens Prokop ist Präsident des DLV und kennt das Problem mit der dualen Karriere. "Der Sportverband kann nicht alles auffangen", sagt Prokop, die Idee mit dem Crowdfunding halte er deshalb für "innovativ und spannend." Allerdings könne sich nicht jeder Athlet einfach so eine digitale Fangemeinde aufbauen, für dieses Unterfangen benötige man ja auch ein paar Anhänger in der analogen Welt, die das Projekt anschieben. Crowdfunding, glaubt Prokop, ist "kein System, das man für alle etablieren kann."

Auch Kiffe macht sich ihre Gedanken. Ob sich der ganze Aufwand lohnt, während zur gleichen Zeit Berufsfußballer für 90 Millionen Dollar veräußert werden? Den Gedanken schiebt sie rasch wieder weg. "Im Endeffekt", sagt Kiffe, "bin ich Leichtathletin. Das ist meine Leidenschaft."

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