Ronaldo bei Juventus Turin:Halbgott mit blauem Auge

Lesezeit: 3 min

Ein bisschen unzufrieden in Italien: Cristiano Ronaldo. (Foto: AP)
  • Cristiano Ronaldo wartet bei Juventus Turin weiter auf seinen ersten Pflichtspieltreffer.
  • Schon werden kritische Stimmen laut, Ronaldo befinde sich auf "Diät", seit er in Italien spielt.
  • Seinem Trainer erfordert die Situation einiges an Geduld ab.

Von Birgit Schönau, Rom

Man kann jetzt nicht sagen, dass Cristiano Ronaldo etwas gegen die Kroaten hätte. Mit Mario Mandzukic zum Beispiel versteht er sich glänzend. Da gibt es keine Missgunst, keine Eifersucht, keinen Neid, auch wenn Mandzukic scheinbar mühelos das gelingt, was bei CR7 partout nicht klappen will: Tore schießen für Juventus. Zuletzt beim 2:1 in Parma, dem dritten Juve-Sieg an drei Spieltagen. Neun Punkte, sieben Treffer, davon zwei von Mandzukic. Kaum ist die Saison eröffnet, steht die Juve schon wieder ganz oben.

Und Ronaldo, der Superstar? Läuft so mit. Läuft allerdings nicht ganz rund. Auf dem Bahnhof von Parma, wo Juventus mit dem Schnellzug aus Turin eintraf, warfen sich die Fans ihm derart an den Hals, dass die Leibwächter einschreiten mussten. Auf dem Platz, bei einem echten Zweikampf ohne Bodyguards, kassierte er ein blaues Auge. Juve verhängte ein Fotografierverbot. Für Ronaldo. Mandzukic durfte selbstverständlich mitsamt allen Kampf- und Schmauchspuren geknipst werden.

Ständige Fragen nach dem Gemütszustand des Halbgottes

Massimiliano Allegri hält viel von Mandzukic. Er hält auch viel von Ronaldo, auch wenn die ständigen Fragen nach dem Gemütszustand des Halbgottes dem Trainer einiges an Geduld abverlangen. Wenn er sich entscheiden müsse, ob Juve zum fünften Mal in Serie Meister werden solle oder CR7 Torschützenkönig, dann wisse er schon, wie, sagt Allegri. "In Italien wird nun mal sehr aufmerksam verteidigt. Die schenken einem nichts." Mehr noch, die Hintermannschaften der italienischen Fußballprovinz stürzen sich nachgerade auf den Portugiesen, schließlich will man den eigenen Enkeln mal erzählen können, wie der Nonno damals den größten aller Angreifer ausgebremst hat. Und Mandzukic steht derart frei, dass er die Vorlagen neuerdings schon mit der Hacke liefert.

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Der Kroate stiehlt seinem ehemaligen Teamkollegen Ronaldo einen Titel, auch Wolfsburgs Pernille Harder darf sich freuen. Der Weltverband macht öffentlich, dass vier russische Biathleten gegen Anti-Doping-Regeln verstoßen haben.

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"Ronaldo muss halt öfter angespielt werden", glaubt Allegri. "Und immer schön Ruhe bewahren." Vor allem: trainieren, trainieren, trainieren. Deshalb, so lautet jedenfalls die offizielle Begründung, macht Ronaldo nicht mit, wenn Portugal am Donnerstag im Testspiel gegen Kroatien antritt. Der Einsatz für die Nationalmannschaft könnte seinen "Eingliederungsprozess" beim neuen Klub in Turin stören. Also hat der Kapitän des Europameisters das Match gegen den WM-Finalisten und den Auftakt in der Nations League am 10. September gegen Italien abgesagt.

Portugal ohne Ronaldo! Der Affront wird mit Furor abgewiegelt und beschwichtigt. Schon im Oktober wolle der Held wieder fürs Vaterland den Ball treten, beteuert Nationaltrainer Fernando Santos. Und Portugals Regierungschef Antonio Costa begab sich am Samstag sogar ins kleine Stadion zu Parma, um den berühmtesten Portugiesen seit Vasco da Gama auf seinem Eroberungszug zu sehen. "Ich bin ein Riesen-fan von Cristiano Ronaldo", bekannte der Sozialist, "wie ja überhaupt alle seine Fans sind, nicht nur in Portugal, sondern auf der ganzen Welt."

Alle außer Luka Modric, vielleicht. Der hatte am Abend vor Ronaldos Spiel in Montecarlo eine Auszeichnung als bester Spieler der vergangenen Champions-League-Saison bekommen. In der ersten Reihe war dabei ein Platz frei geblieben - der seines ehemaligen Teamgefährten bei Real Madrid, Ronaldo. Der Portugiese hatte schlicht keine Lust, dem Kroaten zu applaudieren. Modric zu prämiieren, sei "absurd", behauptete Ronaldos Agent. Ihr Bruder habe 15 Tore geschossen und drei Vorlagen geliefert, rechnete die Schwester des Spielers vor - Modric habe einen Treffer und ein Assist vorzuweisen.

So weit die nackten Zahlen. CR7 war derart beleidigt, dass er auf den Trostpreis als bester Torschütze verzichtete. Beim Länderspiel wird er Modric, der wie Ronaldo und Liverpools Mo Salah zu der am Montag bekannt gegebenen engeren Auswahl bei der Wahl des Weltfußballers gehört, jetzt auch nicht treffen. Was natürlich Zufall ist, wenn auch ein schöner.

Portugal ohne Ronaldo. Kroatien mit Modric, aber ohne Mandzukic. Immer der Beste sein zu müssen, ist mühsam. Aber so verkrampft wie in seinen ersten Wochen bei Juventus hat man Ronaldo selten gesehen. Wie einen Messias hatte man ihn in Italien empfangen, überall sind die Stadien ausverkauft (bei verdoppelten Eintrittspreisen), weil die Leute ihn sehen wollen. Wenn's geht, allerdings auch ein Törchen, am besten so einen Fallrückzieher wie im Viertelfinale gegen Juventus. Weil die Treffer ausbleiben, lässt der Glaube an den Alleinseligmachenden schnell nach. Und dann wird schmallippig vorgerechnet, dass der Mann wenig liefert für sehr viel Geld. Fünf Millionen Euro habe er schon kassiert in der kurzen Zeit bei Juve, klagt La Repubblica, die den Portugiesen vor Wochen besungen hatte wie weiland Dichter Giacomo Leopardi seinen persönlichen Strahlemann Napoleon. Fünf Millionen für nichts!

"Ronaldo ist auf Diät, seit 270 Minuten plus Nachspielzeit." Richtiger müsste es heißen: Das Publikum muss umständehalber in den Erinnerungen an so viel bessere Debütanten in der Vergangenheit schwelgen. Alessandro Del Piero: 17 Minuten bis zum ersten Juve-Tor. Omar Sivori: 28. Michel Platini: 152.

Nur Zinédine Zidane war langsamer: 363 Minuten. Klar, dass die Nummer mit Modric die Sympathiewerte für CR7 nicht gerade beflügelt. Waren Demut und Selbstdisziplin nicht mal vorderste Tugenden für die Ballarbeiter des Fiat-Konzerns? Andererseits: Kaum werden die ersten Tore fallen, so wird Italien ihm zu Füßen liegen. Und was Cristiano nicht schafft, das gelingt Cristianinho. Vier Tore beim 5:1 der Juventus-"Flöhe" (unter neun Jahre) gegen das Turiner Vorort-Team Lucento. Das war der Einstand von Cristiano Ronaldo junior. Aber der muss auch noch nicht gegen sich selbst und das Gespenst von Modric spielen.

© SZ vom 04.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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