Süddeutsche Zeitung

Cristiano Ronaldo bei Real Madrid:Hey, mein Teamkollege stand doch im Abseits

Lesezeit: 2 min

Von Carsten Scheele

In der 83. Minute landete der Ball endlich im Tor, aber Cristiano Ronaldos Hand schnellte nach oben. Das Stadion brüllte, er blieb stehen, sein Blick ging hinüber zur Seitenlinie, wo er den Linienrichter vermutete. Nicht nur im Weltfußball, sondern auch in der Bezirksliga steht diese Geste für: Hey, der stand doch im Abseits.

Eine Szene, so klar wie gewöhnlich. Ein Abwehrspieler wähnt einen Stürmer im Abseits und zeigt diese Missetat an - das kommt in jedem Fußballspiel vor. Diesmal war es aber eine Nuance anders. Denn Cristiano Ronaldo ist kein Abwehrspieler, sondern einer, der Tore erzielt. Und Alvaro Morata, der Torschütze, ist auch kein Gegenspieler - sondern Ronaldos Teamkollege bei Real Madrid.

Was also tat Ronaldo? Reklamierte er, sein Mitspieler habe beim letztlich entscheidenden 2:1 der Madridista gegen Athletic Bilbao abseits gestanden? Aus Frust drüber, dass ihm Morata den Ball nicht überlassen hatte, weil auch Ronaldo aussichtsreich stand? Das Internet jedenfalls ist voller Theorien an diesem Montagmorgen. Und in keiner kommt Ronaldo sonderlich gut weg.

Morata verteidigt Ronaldo

Es ist bislang gewiss nicht seine beste Saison bei Real Madrid. Der Weltfußballer ist es gewohnt, mehr Tore zu schießen als Spiele absolviert sind. Nun sind in Spanien bereits acht Runden gespielt, Ronaldo hat für seine Verhältnisse kümmerliche vier Treffer erzielt. Am Sonntagabend gegen Bilbao hat es mal wieder nicht geklappt, wie auch in den drei vorherigen Partien im Bernabéu nicht. Ronaldo wirkte verbissen, übersah Mitspieler, zog sich den Unmut der Zuschauer zu. Einmal tauchte er frei vor dem baskischen Torwart Gorka Iraizoz auf, schoss diesen an.

Aber muss man deshalb gleich einen Mitspieler verpetzen? Wer die Szene weiter beobachtet, der sieht, dass Ronaldos Arm im Anschluss nicht zum Jubeln oben bleibt (vielleicht wollte er dem Linienrichter ja signalisieren, dass es eben kein Abseits war?), sondern zackig herunterschnellt. Eine Aktion, die im Reflexbaukasten eines Stürmer überhaupt nicht vorgesehen ist, anders als bei Abwehrspielern, die bei engen Situationen vorsorglich den Arm heben.

Ausgerechnet Morata, der an seinem 24. Geburtstag zum Sieg traf, verteidigte Ronaldo anschließend. "Wenn jemand es gewohnt ist, fast 70 Tore pro Saison zu erzielen, ist er fast wie ein Torsüchtiger", versuchte Morata, die Gefühlswelt seines Chefs im Madrider Angriff zu erklären: "Er ist ein Mensch, auch wenn er von einem anderen Planeten kommt und anders ist. Er hat auch das Recht, zu versagen." Damit bewies Morata Edelmut. Vielleicht auch, weil er weiß, dass Ronaldo bei Real Madrid noch jeder Anflug von Egoismus zuverlässig verziehen wurde.

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