Nachruf auf Coşkun Taş:Im Finale sollten nur Deutsche spielen

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Coşkun Taş im Trikot des 1. FC Köln. (Foto: Horstmüller/Imago)

Coşkun Taş war einer der ersten Türken im deutschen Fußball – eigentlich eine schöne Integrationsgeschichte. Aber eine mit negativem Höhepunkt.

Nachruf von Carsten Scheele

Nur 17 D-Mark und einen kleinen Koffer hatte Coşkun Taş bei sich, als er im Juni 1959 am Kölner Hauptbahnhof aufschlug. An diese kleine Geschichte hat der 1. FC Köln gerade auf seiner Homepage erinnert, als der Klub den Tod von Coşkun Taş bekanntgab. Als junger Spieler hatte er damals eine lange Reise hinter sich, mit dem Schiff von der Türkei nach Venedig und dann mit dem Zug weiter. Taş habe am Bahnhof die nächste Telefonzelle aufgesucht, im Telefonbuch die Nummer des größten Fußballklubs der Stadt herausgesucht – und sich mit dem damaligen FC-Präsidenten Franz Kremer verbinden lassen.

„Hier Türke Taş“, habe er ins Telefon gesagt. Kremer verstand das aber nicht, obwohl er den jungen Mann, der bei der WM 1954 für die Türkei beim 2:7 gegen den späteren Weltmeister Deutschland auf dem Feld stand, selbst per Brief zum Probetraining eingeladen hatte, übrigens unter Vermittlung des damaligen Kicker-Chefredakteurs Friedebert Becker. Also konkretisierte er: „Hier Coşkun.“ Da verstand Kremer und schickte seine Frau Lieselotte mit dem Auto los, um Taş abzuholen.

Der Kölner Coşkun Taş (rechts) im Duell mit Horst Talaszus von Tasmania Berlin. (Foto: Horstmüller/Imago)

Hier begann eine der ersten Integrationsgeschichten des deutschen Fußballs, denn Coşkun Taş gehörte zu den ersten türkischen Fußballern, die in Deutschland richtig Fuß fassten. Der erste Türke überhaupt beim 1. FC Köln war er obendrein, insgesamt nur 18 seiner Landsleute sollen damals in der Stadt gelebt haben, die Angestellten des Konsulats inbegriffen. Die Bundesliga gab es noch nicht, aber Köln spielte in der ersten Liga. Taş sprach kaum Deutsch, wurde aber schnell Stammkraft auf Linksaußen, bildete ein Flügelduo mit keinem Geringeren als Weltmeister Helmut Rahn. Zweimal wurde Taş mit Köln Westdeutscher Meister.

„Das war eine unermesslich große Enttäuschung für mich“

Eine schöne Geschichte, die aber ihr Ende fand, als Coşkun Taş feststellen musste, dass es mit der deutschen Willkommenskultur 15 Jahre nach Kriegsende doch nicht so weit war. Taş hatte fleißig mitgeholfen, den 1. FC Köln ins Meisterschaftsfinale 1960 gegen den Hamburger SV zu schießen, drei Tore in sechs Partien. Doch beim Höhepunkt sollte er außen vor bleiben. Präsident Kremer, Trainer Oswald Pfau und Obmann Heinz Neubauer hatten angeblich beschlossen, das Endspiel nur mit deutschen Spielern zu bestreiten. „Das war eine unermesslich große Enttäuschung“, sagte Taş. Der Verein hätte sogar lieber „einen Spieler eingesetzt, der zehn Tage vorher am Blinddarm operiert worden war“. Köln verlor 2:3 und bekam gewissermaßen die Quittung für den diskriminierenden Akt. Taş verließ den Verein ein Jahr später.

Aus seiner neuen Heimat ließ sich Coşkun Taş aber nicht vertreiben. Er führte fort, was er angefangen hatte, arbeitete in den Ford-Werken, absolvierte eine Trainerausbildung, heiratete eine Deutsche. Und war in verschiedenen Positionen für den Fußballkreis Köln und den Fußballverband Mittelrhein tätig, unter anderem als Ausländerbeauftragter. Auch die deutsche Staatsbürgerschaft nahm er an, 2013 erhielt er den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Kurz vor seinem Tod durfte er noch erleben, dass ein deutscher Fußballer mit türkischem Migrationshintergrund, İlkay Gündoğan, die Nationalelf bei der Heim-EM als Kapitän aufs Feld führte. In dieser Woche ist Coşkun Taş im Alter von 90 Jahren in einem Krankenhaus gestorben.

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