Sport in der Corona-Krise:Wenn nicht mal die Starken überleben

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Die Alpenvolleys Haching waren einer der stärksten Klubs in der Bundesliga - nun mussten sie aufgeben. (Foto: imago images/Bernd König)

Die Volleyball-Bundesliga hat bereits drei Vereine verloren. Die Pandemie könnte auch andere Ballsportarten noch hart treffen - und dort nicht nur die kleinen Klubs.

Kommentar von Sebastian Winter

"Wir schreiben Geschichte" - so lautete der Slogan der Hypo Tirol Alpenvolleys Haching, die im Sommer 2017 in die Volleyball-Bundesliga einzogen. Der Satz war so einprägsam wie einleuchtend - denn nie zuvor hatte eine Mannschaft aus dem Ausland in dieser Liga mitgespielt. Per Wildcard und Lizenznehmer Unterhaching ist der österreichische Dauermeister aus Innsbruck dieses sportliche und finanzielle Wagnis eingegangen, das ohne die Hilfe des umtriebigen Managers und Geldgebers Hannes Kronthaler nicht möglich gewesen wäre. Nun sind die Alpenvolleys selbst Geschichte, sie ziehen sich nicht zuletzt wegen der Corona-Krise zurück. Die sach- und fachgerechte Bewertung ihres grenzübergreifenden Dreijahres-Projekts, das durchaus in die Verlängerung hätte gehen können, ist damit obsolet. Die Alpenvolleys werden ein großes, kaum zu stopfendes Loch in der Liga hinterlassen.

Der Zwölferliga bricht nach dieser Saison ein Viertel der Profivereine weg, nachdem der Traditionsverein TV Rottenburg, der wegen fehlender Sponsorzahlungen bereits vor Ostern aufgab, und der insolvente Klub aus dem unterfränkischen Eltmann bereits verschwunden sind. Die Alpenvolleys sind mit einem Budget von knapp 1,5 Millionen Euro der weitaus reichste und erfolgreichste Klub aus dem scheidenden Trio. Sie waren Top drei, hinter Berlin und Friedrichshafen - quasi der hemdsärmelige Verfolger der Arrivierten.

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Auch im Frauen-Volleyball ist die Lage dramatisch, aber nicht so alarmierend wie bei den Männern

Zuvor hatte es im Ballsport noch die Kleinen getroffen, wie den Tabellenzweiten TuS Bad Driburg, der sein Frauen-Team jüngst aus der Tischtennis-Bundesliga abmeldete. Der Fall der mittelgroßen Alpenvolleys aber taugt nun als Fanal für die größeren Ballsportligen jenseits des Fußballs: Wenn nicht einmal mehr die Starken überleben, wer denn dann?

Volleyball war, was das Zuschauerinteresse angeht, bislang die Nummer fünf im deutschen Männer-Mannschaftssport. Anders als in den oberen Fußball-Ligen kann dort niemand auf Multimillionen aus TV- und Ticketingeinnahmen bauen, auch wenn Sport 1 zuletzt regelmäßig Volleyball-Spiele übertrug. Vor einem sehr ähnlichen Dilemma stehen Basketball, Handball und Eishockey, wenn auch auf wesentlich höherem finanziellen Niveau. Im Eishockey ist die Saison wie im Volleyball längst abgebrochen, vielen DEL-Klubs droht das Aus, wenn die neue Spielzeit nicht wie geplant im September beginnen kann. Hand- und Basketball ringen noch um eine Fortsetzung ihrer aktuellen Runden. Der Schaden könnte sich jeweils auf bis zu 25 Millionen Euro beziffern.

Volleyball ist mehr noch als die anderen abhängig von einzelnen (Haupt-)Sponsoren, von Ehrenämtlern mit Herzblut und Mäzenen im klassischen Sinne. Beispiele wären der bestens mit der Politik vernetzten Kaweh Niroomand in Berlin, der Maserati fahrende Bauunternehmer Kronthaler aus Tirol oder Jörg Krick in Frankfurt, der nun seinen wechselwilligen Sohn, den Nationalspieler Tobias Krick, wohl ins Ausland ziehen lassen muss. Schon fürchten viele am Main, dass der Vater mittelfristig sein Interesse am Sponsoring der United Volleys verliert.

Das Budget gerade der kleineren Vereine ist auf Kante genäht, viel mehr als eine halbe oder Dreiviertelmillion Euro sind oft nicht im Topf. Im Frauen-Volleyball ist die Kluft zwischen Arm und ein bisschen Reicher nicht gar so groß - beim Zuschauerinteresse lag der Sport zuletzt stets auf Platz eins im Frauen-Teamsport, vor Fußball. Auch hier ist die Lage dramatisch, aber nicht so alarmierend wie bei den Männern.

Die Alpenvolleys sind, so sportlich erfolgreich ihr Projekt war, auch an ihrer verwegenen Konstruktion gescheitert: Den Klub bei Heimspielen über Grenzen hinweg auf zwei Standorte aufzuteilen, mit Hauptstelle Innsbruck und Außenstelle Unterhaching, das hat nie wirklich gut funktioniert. Kronthalers Appelle, die Wirtschaft in München und Bayern zu aktivieren (weil er nicht mehr Alleinzahler mit seinem Sponsorennetzwerk sein wollte), verpufften. Immer wieder merkte man dem transalpinen Bündnis an, dass es eben doch aus der Retorte entstand und die Nachhaltigkeit fehlte. Die Corona-Krise war laut Kronthaler der "Todesstoß". Sie hat die zuletzt geknüpften zarten Bande zu Fans wie Unternehmen zerstört.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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