US-Sport:Hauptsache, Hoffnung wecken

US-Sport: Geht die NFL-Saison wie geplant los? Buffalo Bills Kevin Johnson (re.) klaute New York Jets' Robby Anderson im Dezember den Ball

Geht die NFL-Saison wie geplant los? Buffalo Bills Kevin Johnson (re.) klaute New York Jets' Robby Anderson im Dezember den Ball

(Foto: AP)
  • US-Präsident Donald Trump suggeriert in einer Pressekonferenz, die Football-Liga NFL könne wie gewohnt im September starten - mit Zuschauern.
  • Der Gouverneuer von Kalifornia bezweifelt das.
  • Der US-Sport geht recht pragmatisch mit der Corona-Krise um, es gibt keine wilden oder völlig unrealistischen Pläne - nur der Kampfsportverband UFC zieht Kritik auf sich.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Und dann schickte Donald Trump noch eine Botschaft an alle Baseball-Talente. "Ihr werdet den Schläger schwingen, ehe ihr euch verseht", schrieb der US-Präsident bei Twitter über "Little League", die landesweiten Jugendligen, die es seit 1939 gibt und die eine der schönsten Traditionen dieses Landes sind. Der Start in diesem Jahr musste wegen der Coronavirus-Pandemie verschoben werden, doch bald soll es losgehen: "Haltet durch!" Kurz vor dieser Nachricht hatte Trump eine Telefonkonferenz mit Verantwortlichen der wichtigsten amerikanischen Profiligen abgehalten, und Insidern zufolge soll er ihnen eine ähnliche Botschaft vermittelt haben wie den Kindern.

"Ich will die Fans zurück in den Stadien haben", sagte Trump später bei einer Pressekonferenz: "Und die Fans wollen zurück in die Stadien. Sie wollen Basketball sehen, Baseball, Football und Eishockey. Sie wollen auf Golfplätze gehen und frische Luft atmen." Dem Sportsender ESPN sagten Leute, die beim Anruf dabei gewesen waren, dass Trump glaube, die Footballliga NFL könne ihre Saison wie geplant im September starten - mit Zuschauern in den Stadien. Die Reaktion von Gavin Newsom, dem Gouverneur von Kalifornien: "Ich will niemanden hinterfragen - aber ich sehe derzeit nicht, wie das in unserem Bundesstaat möglich sein sollte."

Aktuelles zum Coronavirus - zweimal täglich per Mail oder Push-Nachricht

Alle Meldungen zur aktuellen Lage in Deutschland und weltweit sowie die wichtigsten Nachrichten des Tages - zweimal täglich im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Newsletter bringt Sie auf den neuesten Stand. Kostenlose Anmeldung: sz.de/morgenabend. In unserer Nachrichten-App (hier herunterladen) können Sie den Nachrichten-Newsletter oder Eilmeldungen auch als Push-Nachricht abonnieren.

Es sind noch fünf Monate bis zum geplanten NFL-Start, und diese Aussage von Newsom ist ein Schock für die Kalifornier, von denen die meisten in der vorigen Woche erfahren haben, dass ihre Kinder bis September nicht zur Schule gehen dürfen.

Wann? Das ist die Frage, die sich gerade viele Menschen weltweit stellen. In den USA haben sie für eine Prognose den Profisport als Indikator ausgemacht, weil es nun mal Termine gibt, die jeder Sportfan kennt und die eingehalten oder abgesagt werden müssen. Also: Beginnt die jährliche Talentbörse der Footballliga NFL wirklich am 23. April? Storniert die Basketballliga NBA den Vertrag für die Sommerliga mit den Arenen in Las Vegas deshalb nicht, weil sie dort womöglich vom 1. Juli an die Saison zu Ende spielen möchte? Und was könnte das Gerücht bedeuten, dass die Baseballliga MLB bei den Werbetreibenden der TV-Sender Live-Übertragungen von Mitte Juni an angedeutet haben soll?

Die Rückkehr des Profisports in gefüllte Arenen wird als mögliche Rückkehr zur Normalität für alle anderen gewertet. Erste Partien ohne Zuschauer könnten der erste Schritt sein - deshalb warten viele Amerikaner auf die Ankündigung solcher Termine. NBA-Chef Adam Silver hatte bereits vor dem Telefonat mit Trump erinnert, dass seine Liga am 11. März die erste gewesen sei, die den Betrieb ausgesetzt habe - und er soll gegenüber dem Präsidenten betont haben, dass die NBA deshalb auch gerne die erste Sparte der Unterhaltungsbranche sein wolle, die wieder mit Veranstaltungen beginne. Aber nur "mit der Einwilligung der Gesundheitsbehörden".

Der US-Sport geht pragmatisch mit der Corona-Krise um, es gibt keine völlig unrealistischen Pläne - sieht man mal davon ab, dass der Verband für Ultimate Fighting (UFC) noch immer einen Kampfabend am 19. April veranstalten will, obwohl Leichtgewichts-Weltmeister Khabib Nurmagomedov mittlerweile abgesagt hat. "Er wollte doch niemals kämpfen", sagt UFC-Chef und Trump-Freund Dana White, der am Telefonat mit dem Präsidenten ebenso beteiligt war wie Vince McMahon, Chef der Proficatcher-Vereinigung WWE. Die hat vergangene Woche in Florida die Kämpfe von "Wrestlemania 36" so lange aufgezeichnet, bis es per Dekret verboten wurde. Am Wochenende wurde die Veranstaltung auf dem eigenen TV-Sender für 60 Dollar im Pay-per-View-Format gezeigt.

Der Kampf- und Showsport sieht die aktuelle Krise offenbar vor allem als finanzielle Chance, mit Veranstaltungen möglichst viele Zuschauer vor die Bildschirme zu locken. Das gefällt nicht jedem; der Box-Promoter Bob Arum sagte etwa, dass sich White schämen solle: "Das Letzte, was die Welt in dieser Situation braucht, ist ein Sportereignis ohne Zuschauer, während in den Krankenhäusern Leute sterben." Er verwies darauf, dass ansonsten alle Sportveranstaltungen in den USA abgesagt seien.

Fixsterne MLB und NFL

Die NBA veranstaltet derzeit ein Turnier in der Videospiel-Simulation NBA2K, an dem Prominente wie Kevin Durant, Donovan Mitchell und DeMarcus Cousins teilnehmen. Es soll Abwechslung bieten, und die Zuschauer bekommen einen Einblick ins Privatleben ihrer Stars, die nicht geizen mit kreativen Provokationen für ihre Gegner oder die Akteure, die sie per Controller steuern. Im wirklichen Leben spielt die Liga derzeit ja nur mit dem Gedanken, den Rest der aktuellen Saison in Las Vegas auszutragen, notfalls ohne Zuschauer.

Das führt zunächst zu der Frage, wie das funktionieren soll und warum Profisportler bevorzugt getestet werden sollen, nur damit der Milliardenbetrieb am Laufen gehalten wird? Es führt aber auch zur Frage nach Fairness: Kann eine Spielzeit überhaupt gelten, wenn Partien verspätet gespielt werden und zuvor verletzte Spieler wieder fit sind? Wenn der Spielplan ein anderer ist und das Playoff-Format geändert wird? Sollte man nicht diese Saison für beendet erklären und auch die der Eishockeyliga NHL, die gerade Computer-Simulationen einiger Spiele zeigt und damit Geld für die Angestellten in den Arenen sammelt?

Die Fixsterne beim Blick in die Glaskugel sind deshalb die Baseballliga MLB, deren Saison am vergangenen Woche hätte beginnen sollen, und die Footballliga NFL. Die verkauft sich derzeit als dringend notwendige Abwechslung zur Pandemie, damit die Leute im Supermarkt nicht über leere Regale debattieren, sondern über Wechsel wie den von Spielmacher Tom Brady von den New England Patriots zu den Tampa Bay Buccaneers oder die erwähnte Talentbörse. Die soll per Videokonferenz abgehalten und live im TV gezeigt werden. Das scheint möglich zu sein, doch NFL-Chef Roger Goodell warnt: "Eine öffentliche Debatte darüber ist nicht nützlich und wäre Anlass für Bestrafungen." Heißt übersetzt für jeden NFL-Mitarbeiter und -Spieler: Klappe halten!

Es ist keine hoffnungsfrohe Botschaft, wenn die NFL die sogenannte Draft trotz Bedenken abhalten und Kritiker einfach mundtot machen würde. So wie es keine hoffnungsfrohe Botschaft ist, wenn sich der US-Präsident und der Gouverneur des Bundesstaates mit den meisten Einwohnern nicht auf einen möglichen Termin für den NFL-Start einigen können. Trump predigt derzeit sein "The-Show-Must-Go-On-Mantra", und beim Gespräch mit den Verantwortlichen der Sportligen soll er gesagt haben, wann das sein soll: "So schnell wie möglich - lieber früher als später."

Zur SZ-Startseite

Baseball in den USA
:Das tröstliche Spiel kann nicht mehr helfen

Weltkriege, Wirtschaftskrisen, Terroranschläge: Egal, wie schlimm die Lage war, Baseball wurde in den USA trotzdem immer gespielt. Bis jetzt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: