Süddeutsche Zeitung

Sport nach Corona-Infektion:Das Herz ist besonders anfällig

Hochleistungs- wie Freizeitsportler sollten es nach überstandener Infektion mit dem Coronavirus langsam angehen lassen. So können Leben gerettet werden.

Kommentar von Werner Bartens

Wer die letzten Jahrzehnte nicht unter Waldmenschen verbracht hat, der weiß: Mit Fieber und Infekten ist nicht zu spaßen. Deshalb sollten Sport und andere Anstrengungen vermieden werden, solange die Temperatur erhöht und der Infekt nicht ausgestanden ist. Das trifft auch dann zu, wenn die Temperatur nur gesunken ist, weil fiebersenkende Mittel genommen wurden. Und ja, auch für Leistungssportler gilt diese Weisheit. Nur weil sie mit ihrem Körper Geld verdienen, setzen sie ja nicht die Gesetze der Medizin außer Kraft.

Insofern ist es richtig und wichtig, dass der Eishockey-Profi Janik Möser von den Grizzlys Wolfsburg jetzt auf mögliche Folgen seiner Ansteckung mit dem Coronavirus aufmerksam macht. Der 25 Jahre alte Verteidiger hat eine Herzmuskelentzündung erlitten, die vermutlich auf seine Infektion mit Sars-CoV-2 im Oktober zurückgeht. Der Profi fühlte sich zwar fit, doch sein Belastungs-EKG zeigte Ausschläge, wie sie für eine Myokarditis typisch sind. Jetzt appelliert der Athlet an Profis wie Hobbysportler, eine Infektion mit dem Coronavirus nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ärzte wissen schon lange, dass virale Infekte aller Art das Herz schädigen können, dies ist nicht allein Coronaviren vorbehalten.

Es ist zwar selten, doch gelegentlich erleiden Sportler mitten im Wettkampf einen Herzstillstand. Manche werden noch gerettet, für andere kommt jede Hilfe zu spät. Die Ursache sind fast immer unerkannte Herzfehler oder eben Entzündungen des Herzmuskels nach Infekten, die nicht auskuriert wurden - oder medikamentös unterdrückt, aber nicht geheilt. Als Folge drohen lebensgefährliche Rhythmusstörungen oder Funktionsausfälle des Herzens.

Spätfolgen sind unabhängig von Alter und Fitnesszustand

Obwohl Sars-CoV-2 intensiv erforscht wird, können die Langzeitfolgen einer Infektion nicht seriös prognostiziert werden. Dazu ist die Seuche zu jung. Allerdings ist bekannt, dass die Viren über ACE-2-Rezeptoren in Zellen eindringen, und die befinden sich nicht nur vermehrt in der Lunge, sondern auch in Blutgefäßen und im Herzen. Das zentrale Pumporgan ist also besonders anfällig. Von jenen Patienten, die wegen einer Corona-Infektion stationär behandelt werden müssen, ist bei 20 bis 30 Prozent der Herzmuskel beeinträchtigt, bei zwei Dritteln sind Veränderungen zu erkennen.

Das muss - wie bei Janik Möser - nicht immer zu spüren sein, sondern kann sich vorerst nur im EKG zeigen. Womöglich verschwinden die Auffälligkeiten wieder, womöglich treten aber Beschwerden oder Ausfälle bis hin zum Tod ein. Solche Spätfolgen sind unabhängig von Alter und Fitnesszustand. Ausmaß und Charakteristika von "Long Covid" werden in der Fachwelt derzeit intensiv diskutiert.

Für Freizeitsportler wie Hochleistungskönner heißt das, es nach überstandener Corona-Infektion langsam angehen zu lassen. Hilfreich wäre ein Belastungs-EKG. Das ist wenig aufwendig - und es kann Leben retten. Klubs sollten keinen Zeitdruck ausüben, und Profis sollten keine Heldengeschichten daraus machen, wenn sie nach einer Infektion schnell wieder auf dem Platz stehen. Zlatan Ibrahimovic und Ronaldo haben das Virus verhöhnt, als sie es überstanden hatten. Das war wenig weise. Schlauer wäre es gewesen, sich gründlich untersuchen zu lassen, vor möglichen Komplikationen zu warnen - oder die Klappe zu halten.

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SZ vom 25.11.2020/ebc
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