Süddeutsche Zeitung

Corona-Impfung im Sport:Wer mitspielen will, unterwirft sich den Regeln

Die deutsche Basketball-Liga verkündet stolz, dass ihr Personal zu 99 Prozent gegen das Coronavirus geimpft ist. Liegt das an der Einsicht - oder doch am Druck? Im Millionenbusiness Spitzensport wäre eine Impfpflicht Teil des Geschäftsmodells.

Kommentar von Claudio Catuogno

Noch ist kein Privatsender auf die Idee gekommen, eine Sendung namens DSDEUBBLS ins Programm zu nehmen, aber das kann jetzt nur noch eine Frage der Zeit sein. Mindestens auf MagentaTV, wo ab sofort wieder alle Spiele der neuen Basketball-Bundesliga-Saison zu sehen sind, wäre die Sendung das ideale Vorprogramm für die Bällewerfer: "Deutschland Sucht Den Einzigen Ungeimpften BBL-Star" - Stefan Raab, übernehmen Sie! Wobei das keine Castingshow in Raab'scher Tradition sein könnte ("SSDSGPS", "SSDSDSSWEMUGABRTLAD"), eher eine Art Undercover-Recherche mit Stigmatisierungspotenzial. Wo versteckt er sich, der einzige Ungeimpfte? In Oldenburg? In Bamberg? In Bonn?

Ja, wirklich: Nur "ein Spieler ist nicht geimpft", hat Stefan Holz, der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga, zum Saisonstart stolz verkündet, "einer!" Welcher? Vielleicht ist das am Ende nicht entscheidend. Wichtiger für den Geschäftsbetrieb ist die Quote von über 99 Prozent mit Covid-Schutz. Was einen zu der Frage führt, ob Basketballprofis einfach empfänglicher sind für all die guten Argumente pro Impfung als die Gesamtbevölkerung? Oder ob die Zahl nicht auch viel über den Druck aussagt, der seitens der Klubs auf einzelne Spieler ausgeübt wurde?

Das Geschäftsmodell Profiliga steht und fällt ja damit, dass die Akteure alle paar Tage in eine andere Stadt reisen, Flugzeug, Shuttlebus, Hotel, Arena. Die Ansteckungsgefahr ist hoch, unnötige Ausfälle sind zu vermeiden. Und wenn man die weiter vorsichtige Kundschaft an den Ticketschaltern nach dem Impfnachweis fragt, kann man auf der anderen Seite schlecht sagen: Die Jungs auf dem Parkett sind übrigens ungeimpft!

Andererseits: Darf die BBL eigentlich wissen, wer geimpft ist und wer nicht? Gelten für die Klubs nicht die gleichen Regeln wie für einen Restaurantbesitzer, der zwar seine Gäste nach dem Impfstatus fragen darf, aber nicht seinen Koch? Nun, zumindest legen Berufssportler ihren Arbeitgebern ohnehin alle Gesundheitsdaten offen. Und wenn man weiß, was allein an (legalen) Schmerzmitteln in so einen Athletenkörper gelangt, wirkt der Hinweis auf Arbeitnehmerrechte so drollig wie die Impfskepsis an sich: Langzeitfolgen sind im Hochleistungssport quasi Teil des Deals!

Und doch lehnen manche den Piks in den Arm hartnäckig ab: Der Eishockeyprofi Josh Archibald von den Edmonton Oilers etwa setzt gerade seine Karriere aufs Spiel, weil er sich nicht impfen lassen will.

Auch in der nordamerikanischen Profiliga NHL, die am 12. Oktober beginnt, sind offiziell an die 99 Prozent der Profis geimpft. Unverzichtbar ist das vor allem für die kanadischen NHL-Klubs, die für ihre Partien etwa 30 Mal in die USA und wieder zurück fliegen müssen. Ungeimpft müsste Archibald danach jedes Mal für 14 Tage in Quarantäne. Er wird also nicht mitfliegen, in seinem Fall hat die Impfskepsis einen konkreten Preis: 400 000 Dollar Gehaltsverlust.

Und der nächste Schritt, der Impfzwang für Athletinnen und Athleten nämlich, kommt dann spätestens bei den Olympischen Winterspielen 2022. Das Olympiakomitee der USA hat gerade schon verfügt: Wer mit will nach Peking, muss vollständig geimpft sein, Deadline 1. November. Der Deutsche Olympische Sportbund überlegt noch, wie er mit dem Thema umgeht.

Ob das alles so zumutbar ist? Man erinnert sich an den Astronauten Ken Mattingly, der 1969 den (am Ende dramatisch gescheiterten) Mond-Flug der Apollo 13 verpasste, weil er Kontakt mit einem Röteln-Kranken hatte. Die Röteln bekam Mattingly dann nicht. Trotzdem: Nie wäre die Nasa auf die Idee gekommen, Mattingly trotz des Risikos für ein paar Milliarden Dollar ins All zu schießen. Nun ist der Sport keine Raketenwissenschaft, aber ein Millionengeschäft, und wer mitwill auf die Mission, unterwirft sich den Regeln. Sportler, die nach den Sternen greifen, müssen Urin abgeben, Blutdaten offenlegen, Tabletten schlucken oder mit bloß halbverheilten Bändern zurück auf den Platz. So bitter es klingt: Das Grundrecht, frei über ihren Körper zu entscheiden, verwirken viele mit der Vertragsunterschrift.

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