Corona und die Premier League:Klopp bleibt cool

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Muss vermutlich auf den Meistertitel warten: Jürgen Klopp. (Foto: AFP)
  • Der FC Liverpool steht kurz vor der ersten Meisterschaft seit über 30 Jahren - und nun pausiert die Premier League.
  • Trainer Jürgen Klopp äußert sich verständnisvoll. Aktuell habe die Gesundheit Priorität.
  • FA-Chef Greg Clarke geht nicht davon aus, dass die Saison zu Ende gespielt werden kann. Aber was dann die Lösung ist, weiß auch keiner.

Von Sven Haist, London

Wie so häufig hat Jürgen Klopp den richtigen Ton getroffen. Nach den Spielabsagen in der Premier League aufgrund der sich massiv ausbreitenten Coronaviren in Europa wandte sich Klopp als Trainer des Tabellenführers FC Liverpool an die eigenen Fans. In der 386 Wörter langen Mittteilung auf der Vereinsseite hätte Klopp natürlich vorrangig das eigene Wohl und das des Klubs voranstellen können, stattdessen schrieb er, dass es jetzt völlig falsch wäre, über etwas anderes zu reden, als den Menschen zu raten, für einander zu sorgen und alles dafür zu tun, sich gegenseitig vor den Krankheitserregern zu schützen.

Mit seiner Ansprache gab Klopp dem geldgetriebenen Inselfußball die Richtung vor, dass es gerade um mehr geht als gewonnene Spiele und hochgehaltene Pokale. Schon seit seiner Ankunft am River Mersey vor viereinhalb Jahren hat sich der 52-Jährige mit seiner sozialen Gesinnung eine Popularität erworben, die seinen sportlichen Erfolgen um fast nichts nachsteht.

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An diesem Wochenende hätte Liverpool, sofern dieser 30. Spieltag in der Premier League nicht einen Tag vorher zurückgepfiffen worden wäre, erstmals seit 30 Jahren wieder englischer Meister werden können. Der Titel schien bei derzeit 25 Punkten Vorsprung auf das zweitplatzierte Manchester City ja bloß eine Frage der Zeit zu sein - bis Covid-19 die Reds nun auf einmal noch in ein finales Wettrennen gegen die Zeit schickt. Mit unvorhersehbarem Ausgang.

Der FA-Chef rechnet mit einem Saisonabbruch

In der Samstagsausgabe fragte die Times deshalb auf ihrer Sporttitelseite: "Wann wird das Warten vorbei sein?" Selbst wenn sie jedes Spiel gewonnen hätten - Liverpool verlor einmal und spielte einmal Unentschieden - hätte es für den Klub bislang um einen Zähler nicht zum Gewinn der Meisterschaft gereicht. "Natürlich möchten wir keine ausgesetzten Spiele oder Wettbewerbe", sagte Klopp ohne Anflug von Bitterkeit, aber wenn es helfe, dass deswegen nur eine einzige Person mehr gesund bleibe, "tun wir es, ohne Fragen zu stellen." Daher unterstütze der Verein "voll und ganz" die Entscheidung über die vorübergehende Einstellung des Spielbetriebs, die der Sicherheit der Gesellschaft dienen soll. Und wenn es in Liverpool momentan tatsächlich jemanden geben sollte, auf den sich alle einigen können, ist es Jürgen Klopp.

Neben den Partien in der Premier League sind gleichermaßen in einem Ligameeting am Freitagmorgen sämtliche anderen Profispiele im Frauen- und Männerfußball auf der Insel für die nächsten drei Wochen bis zum 3. April gestrichen worden. Bereits ganz ausfallen werden die für Ende März angesetzten Länderspiele der englischen Nationalelf gegen Italien und Dänemark im Wembley, die einst als Vorbereitung auf die Europameisterschaft im Sommer angedacht waren. Inzwischen sind acht Klubs aus der Premier League mit den Viren in Kontakt gekommen.

Als Erstes wurden beim im Vorjahr vom FC Bayern heftig umworbenen Flügelstürmer Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea am vergangenen Montag positive Symptome festgestellt, im Verlauf der Woche erwischte es dann unter anderem Arsenals Chefcoach Mikel Arteta. Beide befinden sich wieder auf dem Weg der Besserung. Gesund blieben derweil die Spieler und der Betreuerstab in Liverpool, nach der Trainingseinheit am Freitag schickte Klopp seine Profis als Vorsichtsmaßnahme für die nächste Zeit mit individuellen Fitnessplänen nach Hause.

Ähnlich rasch wie die Krankheitserreger verbreitete sich auf der Insel am Freitag die Einschätzung des für Klartext bekannten FA-Verbandsvorsitzenden Greg Clarke, der auf der Versammlung der Premier League zuvor mitteilte, dass er nicht davon ausgehe, dass die Saison vollständig zu Ende gespielt werden könne. Seine Annahme basierte auf der abgehaltenen Regierungspressekonferenz am Donnerstag, bei der bekannt gegeben wurde, dass der negative Höhepunkt der Corona-Pandemie in Großbritannien voraussichtlich erst in zehn bis 14 Wochen, sprich Mitte Juni, erreicht sein werde. Das würde die zeitnahe Fortsetzung des Spielbetriebs erschweren sowie die Beendigung der Saison - und damit käme die Premier League an ihre Grenzen: regulativ und finanziell.

In den Ligaregularien findet sich keine Vorgehensweise, wie mit einer abgebrochenen Spielrunde umzugehen wäre. Eine Annullierung der Saison käme daher wohl genauso in Betracht wie Playoff-Spiele um vordere und hintere Platzierungen sowie eine Wertung nach 29 Spieltagen - wobei einige Vereine momentan nicht mal dieselbe Anzahl an Partien bestritten haben. So könnte sich Aston Villa etwa mit einem Sieg im Nachholspiel zuhause gegen Sheffield United aus der Abstiegszone befreien. In jedem Fall müsste die Spielzeit bis Ende Juni vorüber sein, sonst müssten zu allem Überfluss circa 70 auslaufende Spielerverträge in der Premier League kurzzeitig verlängert werden.

Der Betrieb der meisten Klubs ist auf Kante genäht

Und dann wären da noch die Finanzen: Jedes Jahr erhalten die Vereine der Premier League aktuell zusammen etwa drei Milliarden Pfund als Erlös für den Verkauf der nationalen und internationalen Fernsehrechte. Nachdem die Saison bis hierhin erst zu drei Vierteln absolviert ist, wäre es bei einem vorzeitigen Spielende naheliegend, dass die Rechteninhaber (die sich ihrerseits dann vermutlich mit den Ansprüchen der Abonnenten auseinandersetzen müssten) ein Viertel des vereinbarten Preisvolumens, 750 Millionen Pfund, einbehalten.

Das könnte diverse Klubs aus den unterschiedlichen Ligen, deren Betrieb sowieso auf Kante genäht ist, in die Enge treiben. Schließlich würden auch Zuschauer- und Sponsoreneinnahmen verloren gehen, die ebenso bereits in den Etats verbucht sein dürften. Die Auswirkung zwischen einer Saison in der ersten und zweiten Liga lässt sich in England mindestens auf eine hohe zweistellige Millionensumme beziffern, so unterschiedlich ist die TV-Geldverteilung.

Ob, wann und wie die Premier League fortgesetzt wird, lässt sich momentan nicht beantworten. Mit Sicherheit kann nur eines gesagt werden: Der FC Liverpool muss erst mal weiter auf seinen ersten Meistertitel seit 1990 warten.

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