Süddeutsche Zeitung

Corona-Fälle bei Schweden und Spanien:Angst vorm Abstrich

Vor dem EM-Start fürchten Schweden und Spanier, dass das Virus weiter um sich greift - bislang sind in beiden Lagern vier Corona-Fälle bestätigt. Nach emotionalen Debatten genehmigt Spaniens Zentralregierung die Impfung des Kaders.

Von Javier Cáceres

Der vorerst letzte Corona-Fall verließ das Trainingscamp der Spanier, als die Nacht des Mittwochs längst angebrochen war. Die Uhr zeigte 0:20, als der spanische Verband RFEF bestätigte, dass auch Diego Llorente (Real Sociedad San Sebastián) positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Gemäß Protokoll wurde er isoliert, in einen eigens präparierten Wagen gesteckt und nach Hause kutschiert, um die obligatorische Quarantäne anzutreten. Damit summierten sich die Fälle bei den Spaniern auf zwei, die umgehend den Alarm (und den Alarmismus) in Spanien potenzierten.

"Debüt in Gefahr", titelte die Zeitung As am Mittwoch mit Blick auf die Partie gegen Schweden, sie soll am Montag in Sevilla stattfinden; Kapitän Sergio Busquets sitzt schon seit Sonntag zu Hause, weil er sich das Virus eingefangen hat. Die Gefahr gilt auch deshalb als real, weil Gegner Schweden am Dienstag ebenfalls zwei positive Fälle meldete: Dejan Kulusevski von Juventus Turin und Mittelfeldspieler Mattias Svanberg vom FC Bologna. Und so drängt sich die Frage auf, wer die größere Angst vor den täglichen Nasenabstrichen haben muss. (Am Mittwoch waren alle spanischen Tests negativ.)

Wegen der positiven Fälle musste Spaniens U21 beim Testspiel gegen Litauen einspringen, die Nachwuchsmannschaft siegte 4:0. Das Spiel wurde offiziell als A-Länderspiel gewertet, die Spanier verzeichneten damit 16 A-Debütanten - so viele wie noch nie seit 1941.

Wie sehr die Nerven blank liegen, trat am Rande der Partie gegen Litauen zutage. Weil der staatliche Sender TVE eine Live-Übertragung der Partie "nur" in seinen Spartensender Teledeporte anbot, rastete Verbandschef Luis Rubiales aus. Vor laufender Kamera bezichtigte er die Senderchefs der Respektlosigkeit. Nie hätte Spaniens Nationalelf mehr Unterstützung verdient als in diesen Stunden, sagte Rubiales - und fügte Stunden vor der Bestätigung des positiven Tests von Llorente einen Satz hinzu, der bereits tief blicken ließ: "Es kann sein, dass es weitere positive Fälle gibt, es ist sogar wahrscheinlich."

13 Spieler inklusive Torwart müssen zur Verfügung stehen - dann kann gespielt werden

Wenn es bei den zwei positiven Fällen bleiben sollte, wäre eine Austragung der Partie gegen die Schweden nicht in Gefahr. Gemäß den Turnierregularien der europäischen Fußballunion Uefa muss eine Mannschaft antreten, wenn sie 13 Spieler inklusive Torwart zusammenbekommt. Eine Verlegung innerhalb von 48 Stunden ist theoretisch möglich. Bei Absage wird eine Partie mit 0:3 Toren gegen die Mannschaft gewertet, die nicht antreten kann.

Die Spanier sind vorsichtig optimistisch. Ein Teil der Mannschaft ist genesen, unter anderem der frühere Bayern-Profi Thiago Alcántara. Vereinzelt wurden Spieler bereits geimpft, unter ihnen der Leipziger Dani Olmo. Aber: Das Virus ist tückisch. Der Verband beantragte daher bei den Behörden eine Impfung des gesamten Kaders und des Betreuerstabs. Am Mittwoch wurde sie genehmigt, nach teilweise emotionalen Debatten. Eine Einheit des Heeres soll anrücken, um die Spritzen zu setzen.

Trainer Enrique bereitet sich auf weitere Ausfälle vor

Noch am Dienstag machte sich der "Rat für Öffentliche Gesundheit" einen schlanken Fuß und erklärte, er sei für eine Autorisierung der Impfung der Fußballer nicht zuständig. In diesem Gremium sind die Regionalregierungen vertreten, die teilweise ein gespaltenes Verhältnis zu nationalen spanischen Symbolen und starke regionalistische Interessen haben - zum Beispiel Basken und Katalanen. Am Mittwoch segnete die Zentralregierung die Impfung ab. Das Argument: Eine Nicht-Impfung könnte den EM-Ausschluss aufgrund einer weiteren Ausbreitung des Virus zur Folge haben.

Derweil intensiviert Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique vorbeugende Maßnahmen. Am Mittwoch waren es schon 17 Spieler, die er im Trainingscamp in Las Rozas zusammengezogen hatte, um sofort reagieren zu können, falls Nachnominierungen nötig werden sollten. Die prominentesten Namen der Nachrücker waren Torwart Kepa Junquera (FC Chelsea) und Raúl Albiol (FC Villarreal). Am Mittwoch wurden elf U21-Spieler, die teilweise längst im Urlaub waren, nach dem Spiel gegen die Litauer einbehalten. Sie alle sind in einer "Parallel-Bubble". Die Mitglieder des EM-Kaders wiederum trainieren seit Montag in ihrer eigenen Blase, und dort wiederum nur individuell. Taktische Schulungen erfolgen per Videokonferenz.

Dank der Sonderregeln für die kommende EM kann Luis Enrique bis zum ersten Spieltag abwarten, ob er Spieler ersetzt. Als sicher gilt, dass er bei Busquets bis zur letzten Sekunde warten wird. Derweil steht der Trainer massiv in der Kritik: Einerseits, weil er das Kontingent von bis zu 26 Spielern nicht ausschöpfte, das die Uefa erlaubte, und nun rund 40 Spieler kommandiert; andererseits, weil er trotz der positiven Fälle darauf verzichtete, auch nur einen einzigen Spieler von Real Madrid zu nominieren. Das wird dem ehemaligen Erfolgscoach des FC Barcelona vor allem in Madrid als "antimadridismo" ausgelegt.

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