Corona-Regelung der DFL:Der Fehler steckt im Detail

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Fortuna Düsseldorf erkämpfte sich trotz 14 Corona-Fällen im Kader ein 1:1 gegen Paderborn - der Ausgleich fiel in der Nachspielzeit. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Mit den Infektionszahlen steigen auch die Schwierigkeiten im deutschen Profifußball - was man exemplarisch in Hamburg und Düsseldorf sieht. Der Corona-Regelkatalog der DFL ist nicht mehr zeitgemäß.

Kommentar von Thomas Hürner, Hamburg

Fans des Hamburger SV brauchten zuletzt eine dicke Haut sowie eine Portion Sarkasmus, um das sportliche Abschneiden des in die Zweitklassigkeit gestürzten Traditionsklubs verarbeiten zu können. Diese über Jahre erlernten Eigenschaften wurden in der vergangenen Woche wieder auf die Probe gestellt, denn je näher die für Samstagmittag angesetzte Partie gegen die Erzgebirgler aus Aue rückte, desto auswegloser erschien die Lage des HSV.

In den sozialen Netzwerken gingen die Rothosen-Anhänger alle nur erdenklichen Szenarien durch: Ob das Maskottchen Dino Hermann sein imposantes Hinterteil nicht ausnahmsweise zur Stabilisierung der Hamburger Defensive einbringen könne? Und was ist eigentlich mit Horst Hrubesch? Allein die Präsenz des inzwischen 70-jährigen Kopfballungeheuers, glaubten einige, könnte ausreichen, um im gegnerischen Strafraum für Angst und Schrecken zu sorgen.

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Der Einsatz dieser HSV-Spezialkräfte war am Ende dann doch nicht erforderlich, was für die Deutsche Fußball-Liga (DFL) gewissermaßen schade war, da ein Comeback des Europameisters Hrubesch gewiss den Einschaltquoten-Rekord für ein Zweitliga-Spiel gebrochen hätte. Unter Berufung auf den eigenen Corona-Regelkatalog sagte die DFL das Spiel erst in der Nacht von Freitag auf Samstag ab und provozierte damit Unverständnis und Empörung in der Branche: Die Auer waren sauer, weil sie bereits den Weg in die Hansestadt angetreten hatten; die Hamburger waren wenig begeistert von dieser Zitterpartie - und bei Fortuna Düsseldorf verstanden einige die Welt nicht mehr, weil deren Auswärtsspiel in Paderborn trotz vergleichbarer Umstände per DFL-Beschluss stattfinden musste.

Laut Spielordnung müssen einem Verein mehr als 15 Spieler zur Verfügung stehen

Die neueste Omikron-Variante befindet sich weiter auf dem Vormarsch in Deutschland, mit den Infektionszahlen steigen auch die Verwerfungen im deutschen Profifußball. An diesem Wochenende wurde aufgrund zahlreicher Corona-Fälle im Kader des 1. FSV Mainz 05 nach dem Spiel gegen Dortmund in der vergangenen Woche auch die Partie gegen den FC Augsburg abgesagt. Die DFL beruft sich bei diesen Entscheidungen weiterhin auf ihre zuletzt am 14. Mai 2020 ergänzte Regelung. Und damit wäre man schon beim Kern des Problems angelangt: Der Katalog wurde von den Erfordernissen der Gegenwart (immer ansteckendere Virus-Varianten) überholt und müsste einer seriösen Überarbeitung unterzogen werden.

Laut der gültigen Spielordnung müssen einem Verein mehr als 15 Spieler zur Verfügung stehen, darunter mindestens neun Lizenzspieler und wiederum mindestens ein Torwart. Was zunächst wie ein fairer Kompromiss klingt, durch den während der Pandemie ein Mindestmaß an Betriebssicherheit gewährleistet wird, sieht in der Praxis wieder ganz anders aus. Denn der Fehler steckt im Detail, wie das Beispiel des HSV zeigt: Wenn am Freitagabend nicht noch eine zusätzliche Corona-Infektion hinzugekommen wäre, hätten die Hamburger gerade noch so genügend einsatzfähige Akteure gehabt.

Wobei "einsatzfähig" hier weniger eine Tatsache, als vielmehr eine Definition der DFL ist. Denn die wertet gesperrte und verletzte Spieler auch im März 2022 noch als "zur Verfügung stehend" - beim HSV gingen also der gelbgesperrte Jonas Meffert sowie zwei Spieler, die an einem Kreuzbandriss laborieren, in die 15er-Kader-Rechnung mit ein. Weil auch vier Torhüter darunter waren, kann sich jeder ausmalen, wie eine Startelf gegen Aue ausgesehen hätte - und was man davon in Ingolstadt, Sandhausen oder Dresden gehalten hätte, wo mit den Erzgebirglern gegen den Abstieg angekämpft wird.

Oliver Kahn forderte bereits vor drei Monaten, das Regelwerk zu renovieren

Diese Verlegenheitslösung diente vor zirka zwei Jahren noch dazu, den zwischenzeitlich unterbrochenen Spielbetrieb irgendwie ins Ziel zu bringen. Damals waren die Gesellschaft und die Klubverantwortlichen zu einer Art Solidarpakt bereit, doch neues Wissen erfordert neue Maßnahmen. Der Bayern-Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn zum Beispiel forderte bereits vor drei Monaten, das Regelwerk zu renovieren, damit es nachvollziehbar bleibt. Argumente gäbe es zuhauf: Es entbehrt jeder Logik, wenn langzeitverletzte Fußballer als "einsatzfähig" gelistet werden - und wo es an Logik fehlt, sind Dissonanzen nicht weit, wie der ein oder andere öffentliche Zoff zwischen Klubverantwortlichen zuletzt bewies.

Überdies ist der (Zeit-)Druck aktuell nicht mehr so enorm wie das in den vergangenen beiden Jahren der Fall war, als wegen der Corona-Spielpause und nachzuholenden Großereignissen der Fußball-Kalender überquoll. Die DFL sagt jedoch: Gleiches Recht für alle. In der laufenden Spielzeit die Regeln zu ändern, würde diejenigen benachteiligen, die bereits unter schwierigen Bedingungen antreten mussten.

Fortuna Düsseldorf konnte laut Regelwerk genügend Spieler für die Partie am Samstag gegen Paderborn stellen und schickte via Twitter herzliche Grüße an die DFL: "Los geht's", stand da geschrieben, "wir bieten übrigens Keeper Kai Eisele als Feldspieler auf." Er kam letztlich nicht zum Einsatz, und trotz Rumpfelf errangen sie ein 1:1, den Gegentreffer fingen sich die ermatteten Düsseldorfer erst in der Nachspielzeit. Auch deshalb dürfte jetzt bei den Fortunen die Sehnsucht groß sein nach ausgleichender Gerechtigkeit. Dazu beitragen wird aber eher das Infektionsgeschehen als die Spielordnung der DFL.

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