Copa América:Wild wie einst Maradona

Copa América: Ein Mann sieht rot: Lionel Messi (im weißen Trikot) ist fassungslos angesichts des Platzverweises gegen ihn und seinen Widerpart Gary Medel.

Ein Mann sieht rot: Lionel Messi (im weißen Trikot) ist fassungslos angesichts des Platzverweises gegen ihn und seinen Widerpart Gary Medel.

(Foto: Victor R. Caivano/AP)

Argentiniens Lionel Messi sieht im Spiel um Platz drei gegen Chile die zweite rote Karte seiner Karriere. Danach holt er zum Rundumschlag aus.

Von Javier Cáceres, Rio de Janeiro

Und dann kam der Moment, in dem sich Lionel Messi in Diego Maradona verwandelte. Nicht auf dem Rasen, wo er das schon hin und wieder getan hat, wo er das eine oder andere Tor des argentinischen Mythos imitiert hat. Sondern abseits davon. Argentinien war soeben Dritter der Copa América geworden, durch ein 2:1 gegen Chile, errungen in einem erwartbar hart geführten Spiel, immerhin standen sich die herzlich verfeindeten Finalisten der beiden vergangenen Südamerika-Meisterschaften gegenüber.

Doch die Bronzemedaille holte Messi nicht ab. Aus diversen Gründen, wie er erklärte, ehe er im Stile Maradonas zum Rundumschlag gegen die Mächtigen des Fußballs ausholte: "Wir müssen nicht Teil dieser Korruption sein, dieser Respektlosigkeiten gegenüber der Copa", sagte Messi. Er meinte den südamerikanischen Fußballverband Conmebol. "Die Korruption, die Schiedsrichter, all diese Dinge verhindern, dass die Leute am Fußball teilhaben, an der Show. Es ruiniert alles ein bisschen", fügte Messi hinzu.

Aktuellen Anlass für Messis Suada bot die rote Karte, die er gesehen hatte. Es war der zweite Platzverweis seiner Karriere. Den ersten hatte ihm Markus Merk aus Kaiserslautern bei seinem Debüt für Argentinien in Ungarn verpasst, keine zwei Minuten nach seiner Einwechslung - und sie war ebenfalls absurd gewesen. Diesmal, in São Paulo, waren 37 Minuten gespielt, als Messi sich an der Grundlinie in der Nähe des chilenischen Tores einen Zweikampf mit Gery Medel lieferte. Messi gab Medel leicht einen mit, und Medel wurde seinem Spitznamen "Pitbull" vollauf gerecht. Dreimal stieß Medel seine Brust an jene von Messi, überzog ihn dabei mit Verwünschungen, doch Messi hielt stand.

Dann kam der paraguayische Schiedsrichter herangerauscht und zeigte beiden Rot. Später schlug Messi den Bogen zum Halbfinale gegen Brasilien, wo der Videoschiedsrichter nicht eingegriffen, Brasilien 2:0 gesiegt und Messi die Conmebol erstmals mit Schiebungsvorwürfen überzogen hatte: "Ich denke, dass man mir das nun in Rechnung gestellt hat", sagte Messi. Er fand: "Mit einer gelben Karte wäre alles erledigt gewesen."

Medel sah das auch so, sein Landsmann Arturo Vidal ebenfalls. "Der Schiedsrichter wollte wichtiger sein als das Spektakel", sagte Vidal: "Wie kann das angehen, dass er die beiden Kapitäne vom Platz stellt, nur weil sie sich ein bisschen schubsen?" Die Conmebol veröffentlichte ein Kommuniqué, in dem Messis Kritik als "unakzeptabel" zurückgewiesen wurde: "Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man."

Da war Messi längst noch einen Schritt weiter gegangen. Er behauptete, dass alles so konstruiert sei, damit Brasilien die Copa América gewinnt; er habe keinen Zweifel, dass die Gastgeber den Titel holen. Das soll Messi schon im kleinen Kreis geäußert haben - lange vor Beginn der Copa. Und die Korruptionsgeschichten rund um den südamerikanischen Verband laden dazu ein, Messis Worten Glauben zu schenken. Für Messi und Argentinien ist die rote Karte perspektivisch eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte: Die Sperre muss er in der WM-Qualifikation absitzen. Die gute: Argentinien ist bei der nächsten Copa América (2020) zusammen mit Kolumbien Co-Gastgeber. Logik und Erfahrung besagen, dass Argentinien dann ebenfalls in den Genuss von Bevorzugungen kommen wird.

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