Copa América:"Danke Gott! Danke Diego! Danke Messi!"

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Endlich ein Titel: Die Argentinier lassen Lionel Messi hochleben. (Foto: Carl de Souza/AFP)

Mit dem Sieg bei der Copa América stillt Lionel Messi die Sehnsucht der Argentinier - und auch seine eigene. Viele sind froh, dass das Pandemie-Turnier endlich vorbei ist.

Von Javier Cáceres und Christoph Gurk, Buenos Aires

Als der Schiedsrichter abpfiff, war die Erleichterung unendlich, bei den Spielern der argentinischen Mannschaft, bei den Fans zu Hause in der Heimat, vor allem aber bei einem: Lionel Messi. Er kniete auf dem Rasen des mythischen Maracaná-Stadions in Rio de Janeiro, die Hände vor das Gesicht geschlagen, Sekunden später stürzten sich seine Mitspieler auf ihn. Acuña, Di Maria, Agüero: Eine einzige, große Umarmung.

Argentinien ist nun also Südamerika-Meister, mit 1:0 hat das Land seinen Nachbarn Brasilien in dessen Heimat besiegt. Für Argentinien ist es der erste internationale Titel seit 28 Jahren, mehr als ein Vierteljahrhundert ohne Endrundensieg, sogar von einem Fluch war die Rede und dass dieser nun gebrochen ist. Nach dem Ende des Spiels rannten Menschen in Argentinien Hauptstadt Buenos Aires auf ihre Balkone und auf die Straße, Tausende zogen ins Stadtzentrum, um bis spät in die Nacht zu feiern.

Südamerika-Meister
:Messi bricht Fluch: Argentinien gewinnt Copa América

Lionel Messi holt seinen ersten internationalen Titel mit der argentinischen Nationalmannschaft: Im Finale der Copa América schlägt Argentinien den Erzrivalen Brasilien - im Maracanã-Stadion in Rio.

Argentinien ist schwer gebeutelt von Covid-19 und zur Pandemie kommt eine brutale Wirtschaftskrise. Umso größer ist die Freude über den Sieg, bei niemanden aber ist sie wohl so groß wie beim Mannschaftskapitän. Zehn Mal war Lionel Messi mit dem FC Barcelona spanischer Meister, vier Mal Champions-League Gewinner, zwölf Mal Fußballer des Jahres in Spanien und sechs Mal Fifa-Weltfußballer.

Und dennoch fehlte immer etwas: Ein Sieg im Trikot der argentinischen Mannschaft; ein Titel für jene Heimat, in der Messi schon so lange nicht mehr lebt, aber dennoch omnipräsent ist. Auf Werbetafeln, Wandgemälden und in den Parks, wo der Rasen schon längst nicht mehr grün ist, weil jeden Tag nach der Schule Fußball gespielt wird, von Jungs, die oftmals allesamt ein Messi-Trikot tragen.

Viele Argentinier hatten immer wieder gehofft, dass es dieser Ausnahmespieler es endlich schaffen würde, einen Sieg für sein Land zu holen. Der letzte Titel für Argentinien bei einer Südamerikameisterschaft stammt von 1993, der letzte WM-Sieg sogar noch von 1986.

Dem Führungstreffer folgte eine Feldschlacht, mit zerrissenen Trikots und blutigen Socken

Damals hatte auch schon ein Ausnahmetalent die Argentinier zu Weltmeistern gemacht, Diego Maradona. Als der Ende des vergangenen Jahres mehr oder minder überraschend starb, traf das Argentinien bis ins Mark, nun sind sich die Fans und Kommentatoren eigentlich sicher, dass Maradona aus dem Himmel heraus geholfen hat. Sekunden nach dem Abpfiff schrie der Moderator des öffentlichen argentinischen Fernsehens heiser ins Mikrofon: "Danke Gott! Danke Diego! Danke Messi!"

Erster Pott seit 1993: Argentiniens Spieler sind Copa-Sieger. (Foto: Nayra Halm/imago)

Schon in der 21. Minute hatte Offensivspieler Ángel di Maria einen langen Pass aus der eigenen Hälfte angenommen. Er lupfte den Ball über den brasilianischen Torwart Ederson, ein Traumtor, dem dann aber eine Feldschlacht folgte, mit zerrissenen Trikots und blutigen Socken - die Brasilianer machten es den Argentiniern schwer, verhindern konnten sie den Triumph des Rivalen im eigenen Stadion aber nicht.

Mit dem Sieg Argentiniens geht auch eine Südamerika-Meisterschaft zu Ende, die von Pannen, der Politik und vor allem der Pandemie geprägt war. Schon Monate vor dem Anpfiff gab es einen öffentlichen Aufschrei, als herauskam, dass der südamerikanische Fußballverband Conmebol einen Deal mit einem chinesischen Impfstoffhersteller geschlossen hatte: Im Gegenzug für Werberechte lieferte dieser 50 000 Dosen seines Covid-19 Vakzins, um so Spieler, Trainer und Funktionäre vor dem Turnier immunisieren zu können - auf einem Kontinent, der wie kaum ein anderer auf der Welt vom Corona-Erreger heimgesucht wird und in einer Region, in der teilweise noch nicht einmal das medizinische Personal ausreichend immunisiert ist.

Nachdem die Copa schon 2020 wegen der Pandemie verschoben worden war, hätte das Turnier nun eigentlich in Kolumbien und Argentinien stattfinden sollen. Kurz nachdem landesweite Massenproteste ausgebrochen waren, trat Kolumbien aber wenige Wochen vor Anpfiff als Gastgeber zurück. Wenig später folgte auch noch Argentinien nach, wegen der angespannten Corona-Lage im Land.

So sprang Brasilien ein - ausgerechnet. Kein Land in Südamerika hat mehr Covid-19-Tote zu beklagen. Vor allem für Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro dürfte die Copa América aber eine willkommene Gelegenheit gewesen sein, um vom viel kritisierten Corona-Management seiner Regierung abzulenken. "Wir wollen Impfungen, keine Meisterschaft", riefen Demonstranten daraufhin vor den Stadien und sogar die Spieler drohten einen Streik an.

Letztendlich beugten sie sich dem Druck der Funktionäre, gleich in der ersten Turnierwoche kam es aber zu mehreren großen Covid-19 Ausbrüchen, mit mehreren Dutzend infizierten Spielern. Auch darum sind viele nun froh, dass die Copa América vorbei ist - niemand aber wohl so sehr, wie Lionel Messi.

Ob Messi das Wagnis eines neuen Vertrags bei Barcelona eingeht?

Er ist nun Südamerika-Meister, seine Zukunft ist aber offen. Messi will beim FC Barcelona bleiben - und der FC Barcelona will ihn halten. Doch dafür gilt es einige schwierige Hürden zu nehmen. Barça ist milliardenschwer verschuldet; und der spanische Ligaverband LFP drängt darauf, dass Barça seine jährlichen Gehaltsausgaben senkt - um circa 200 Millionen Euro. Am Wochenende kursierte in Spanien die Nachricht, der LFP habe bereits sein OK gegeben. Doch das ist nach SZ-Informationen mindestens voreilig.

Richtig ist: Ein paar Spieler hat Barça abgeben können. Aber um der Zahl nahe zu kommen, muss sich der Klub von richtig teuren Spielern trennen, etwa den französischen Großverdienern Antoine Griezmann oder Ousmane Dembélé. Letzterer aber hat sich gerade bei der EM verletzt, dürfte also kaum einen Käufer finden, er fällt für vier Monate aus. Zudem taucht am Horizont offenbar ein weiteres Problem auf.

Barça ist so klamm, dass man Messi einen langfristigen Vertrag anbietet. Faktisch, um die Zahlungen zu strecken. Doch fraglich ist, ob Spaniens Finanzbehörden da mitmachen. Und ob Messi dieses Wagnis eingeht. Denn er wurde vor einigen Jahren schon einmal in einem öffentlichen Prozess wegen Steuertricksereien verurteilt.

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