Confed Cup:Löw mahnt und warnt - und das zu Recht

Deutschland gewinnt den Confed Cup, die Junioren die U-21-EM - doch der DFB macht sich große Sorgen. Das erscheint nur auf den ersten Blick als typisch deutsch.

Kommentar von Philipp Selldorf, Sankt Petersburg

Wie durch Indiskretionen aus der Kabine bekannt wurde, hat sich der Bundestrainer am Halbfinaltag vor die Mannschaft gestellt und sein Leid geklagt. Er sei in einer traurigen und untröstlichen Lage, sagte Joachim Löw, aber es gebe kein Entrinnen - es sei ihm leider unmöglich, mehr als elf Spieler für die Partie gegen Mexiko in die Startformation zu nehmen. Dann hob Löw hervor, dass es wahrhaftig alle 21 verdient hätten, inklusive der drei Torhüter.

Wenn Löw beim Confed Cup ein Problem hatte, aus seinem Aufgebot elf Männer auszuwählen und dadurch zehn Männer zu enttäuschen, dann kommen schwere Zeiten auf ihn zu. Ende Mai 2018 muss er einen Kader von 23 Fußballern benennen, mit denen er zur WM fährt. Diese nicht verhandelbare Obergrenze setzt Löw unter Entscheidungsdruck wie wohl nie zuvor in den dann zwölf Jahren Tätigkeit als oberster Fußball-Lehrer des DFB. Der Kreis der engeren Kandidaten für die 23 Plätze dürfte derzeit bei 40 bis 50 Personen liegen, vorsichtig geschätzt. Zum Vergleich: Als Rudi Völler 2002 zur WM und 2004 zur EM reiste, hatte er noch Schwierigkeiten, das Mindestmaß des Personalbestandes zu erfüllen.

Löw hat den Kreis der WM-Anwärter erweitert

Den drohenden Entscheidungsnotstand hat Löw nicht zuletzt selbst produziert, indem er durch die Wahl der Besetzung für den Confed Cup den Kreis der Anwärter erweitert hat. Lars Stindl, um nur ein Beispiel zu nennen, wäre aus der Ferne betrachtet wahrscheinlich der gute Bundesligaspieler Lars Stindl geblieben; aus der Nähe besehen bietet er sich nun als ernstfallerprobte und vollwertige Lösung für den Angriff der Nationalelf an. Nach aktuellem Stand wird Löw 2018 aus mindestens vier Gruppen das beste Team zusammenfügen müssen: Aus der etablierten, in Urlaub geschickten A-Mannschaft; aus den Teilnehmern der Confed Cup-Expedition; aus den siegreichen U 21ern; aus dem Reservoir der Krankgeschriebenen, Genesenden sowie unbekannten Karrieredurchstartern. Plus hoffentlich Ilkay Gündogan.

Andererseits ist es nicht nur der Versuch, die womöglich überschießende Euphorie in der Heimat zu bremsen, wenn Löw jetzt darauf hinweist, dass eine fast fünf Wochen dauernde Weltmeisterschaft ungleich höhere Herausforderungen stellt als eine Junioren-EM und der Confed Cup mit Australien sowie einer schimärenhaften Vertretung des Afrikameisters Kamerun. Die Erfolge dieses Turniersommers bedeuten nicht zwangsläufig, dass Deutschland auf Jahre hinaus unschlagbar ist; niemand muss bedauern, dass der DFB nicht mehrere Teams zur WM schicken darf, mit denen er dann wie einst im Rennrodeln die drei Siegerplätze auf dem Treppchen belegt.

Beim DFB macht man sich große Sorgen

Selbstredend wird es bei der WM 2018 ebenbürtige Rivalen geben, und die Nachwuchsarbeit im deutschen Fußball ist auch keineswegs so konkurrenzlos gut, dass der Vorsprung durch Ausbildung immer größer wird. Englische Klubs haben Fabelsummen in ihre Fußballschulen investiert, der Effekt deutet sich bereits in den jüngeren Jahrgängen an. Spanien hört nicht auf, verlässlich großartige Ballkünstler heranzuziehen; Frankreich inspiriert mit seinen Akademieabsolventen derzeit die Transfermärkte wie kein zweites Land in Europa; auch Italien findet allmählich aus der Krise.

Beim DFB macht man sich deswegen große Sorgen. Haben wir 2024 zur EM vor der Haustür ein titelfähiges Team?, fragt man sich schon jetzt. Dieses Mahnen und Warnen mitten in der Erfolgsphase ist typisch deutsch und wirkt manchmal ganz schön kleinkariert. Es ist aber auch der Grund, warum Deutschland - nicht nur im Fußball - erfolgreich ist und bleibt.

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