Confed Cup:Kimmich ist jetzt der Boss

  • Nationalspieler Joshua Kimmich erlebt eine besondere Zeit beim Confed Cup.
  • Beim DFB erhält er jenes Vertrauen, das ihm unter Carlo Ancelotti beim FC Bayern verwehrt wird.
  • Als Profi hat er sich dennoch glänzend entwickelt - bald dürfte er auch beim FC Bayern viel mehr spielen.

Von Martin Schneider, Sankt Petersburg

Es war nach dem Spiel gegen Mexiko, als Joshua Kimmich kurz davor war, Dinge zu sagen, die er danach wohl bereut hätte. Die Spieler müssen in den Stadien des Confed Cups nach jedem Spiel einen schlangenartigen Gang zum Bus entlanglaufen, und der 22-Jährige hat diesen Gang während des Turniers fast immer voll ausgenutzt. Kimmich wollte gerne über das reden, was gerade auf dem Platz passiert war, auf Deutsch, auf Englisch, egal. Auch nach dem Finaleinzug stand er als letzter deutscher Spieler noch vor den Reportern und gab Antworten.

Der Pressemann des DFB drängte schon und raunte etwas von "Bus", als schnell noch jemand fragte, wie das denn komme, dass er hier mit so viel Selbstvertrauen auftrete. "Ich glaube, es ist normal, wenn man seine Spielzeiten bekommt. Wenn man dann den Trainer hat, der auf einen setzt, der einem die Spielzeiten gibt", sagte Kimmich. "Wenn man auf dem Platz steht, bekommt man Selbstvertrauen." Dann musste er zum Bus.

Manch einer machte daraus anschließend "Kimmich stichelt gegen Ancelotti", und in diesem Fall ist das ausnahmsweise mal nicht die branchenübliche Überinterpretation von Fußballeraussagen. Denn genau so war Kimmichs Aussage gemeint: Als Botschaft an seinen Vereinstrainer, der ihn in der vergangenen Saison seiner Meinung nach zu oft auf die Bank gesetzt hatte und ihm zuweilen nicht nur Xabi Alonso, Arturo Vidal und Philipp Lahm, sondern oft auch Rafinha vorgezogen hatte.

Beim Confederations Cup saß Kimmich noch keine Sekunde auf der Bank. Als einziger deutscher Spieler spielte er immer komplett durch. 18 Partien am Stück hat er nun in der Nationalelf über 90 Minuten absolviert - nur Berti Vogts, Gerd Müller und Franz Beckenbauer haben mehr Auftritte ohne Unterbrechung zu bieten. Eine statistische Spielerei natürlich, aber sie passt gerade so wunderbar zu seiner Situation.

Kimmich bekam sogar die Kapitänsbinde, wenn Julian Draxler ausgewechselt wurde. Ein sehr, sehr großer Moment in seiner Karriere sei das gewesen, sagte er. Kimmich ist nun mit 22 Jahren offiziell Führungsspieler der Nationalmannschaft. Wenn nicht noch über Nacht irgendwo in Deutschland ein Mega-Talent aus dem Boden schießt (was in diesen Tagen nicht ausgeschlossen scheint) und wenn er sich nicht verletzt, dann wird er bei der WM im kommenden Jahr Stammkraft sein. Dabei ist er erst seit etwas mehr als einem Jahr überhaupt Nationalspieler.

Auf dem Feld hat er beim Confed Cup schon als Rechtsverteidiger, als Innenverteidiger in der Dreierkette und als Rechtsaußen gespielt. Seine Lieblingsposition ist übrigens das defensive Mittelfeld. Dort, wo sich die Dinge entscheiden. Er legt seinen Job aggressiv aus, manchmal auch mit einem Überschuss an Motivation. In jedem Zweikampf sieht man ihm die frustrierende Saison bei den Bayern an. Kimmich, das wird klar, findet Gefallen am Chefsein, und spielt dazu immer wieder die intelligenten Pässe, diese kleinen Kunstwerke, die ihm sein Förderer Pep Guardiola beigebracht hat.

Aus dem "süßen, süßen Jungen" (Guardiola) ist jetzt der Bundes-Josh geworden - der zudem auch noch torgefährlich ist. Er riskiert als Rechtsverteidiger lange Läufe in den gegnerischen Sechzehner, um zum Abschluss zu kommen. Thomas Müller gab ihm nach dem DFB-Pokalfinale gegen Dortmund den Spitznamen "Daniel Düsentrieb", weil ihm bei seinem Elfmeter (den er ziemlich kläglich verschoss) die Düse ging. Mittlerweile könnte man ihn so nennen, weil er sich selbst zu einer Allzweckmaschine um- und ausgebaut hat.

Bundestrainer Joachim Löw sagte in einem Interview mit dem ZDF, er traue Joshua Kimmich eine "Riesenkarriere" zu. Das habe er im Gefühl. "Joshua ist eines der allergrößten Talente, die ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe. Er hat diesen Biss und diesen Hunger, in jedem Training an seine Leistungsgrenze zu gehen", sagte der Bundestrainer. Während des Turniers bezeichnete er die Spieler Julian Draxler, Jonas Hector, Shkodran Mustafi und eben Kimmich sogar als sein Gerüst. Teammanager Oliver Bierhoff sagt, er erlebe Kimmich als "unglaublich positiven, sehr aktiven, sehr wissbegierigen" Typen.

Beim FC Bayern wird er nach dem Karriereende von Philipp Lahm nun seine Position als Rechtsverteidiger bekommen. Das bekräftigte Carlo Ancelotti beim Trainingsauftakt: "Kimmich spielt hinten rechts". Eine kurze und knappe Antwort. Aber auch Ancelotti sieht, dass der von ihm Verschmähte in Russland groß aufspielt.

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