Confed Cup:Die Fußballwelt zu Gast bei Wladimir

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Strippenzieher: Russlands sportbegeisterter Präsident Wladimir Putin will die kommenden Großereignisse in seinem Land auch dazu nutzen, um Stärke zu zeigen.

(Foto: Mikhail Klimentyev/AFP)
  • Confed Cup und WM sollen ein großes Fest werden, das der Kreml entsprechend zelebrieren kann.
  • Doch die beiden Fußball-Sommer sind hochpolitisch. Es gab noch keine WM, an der sich so viel Kritik entzündete.
  • Das betrifft einerseits die allgemeine politische Situation in Russland, andererseits die Vorgänge unmittelbar rund um Confed Cup und WM.

Von Johannes Aumüller, Sankt Petersburg

Wenn sich Witalij Mutko das Mikrofon greift und seine Meinung kundtut, scheinen sich die russischen Wörter "otkrytyj" und "sbobodnyj" einen kleinen Wettkampf zu liefern. Das erste heißt übersetzt "offen" und das zweite "frei", beide Begriffe streut der umstrittene Vize-Premier und Fußballfunktionär auffallend oft in seine Bemerkungen ein. Und am Ende der Pressekonferenz im Bauch der Krestowskij Arena zu Sankt Petersburg kommen "otkrytyj" und "sbobodnyj" handgezählt auf ein gerechtes Unentschieden an Erwähnungen.

Russland sei ein offenes und freies Land, diese Botschaft möchte der enge Vertraute von Staatschef Wladimir Putin in die Welt senden, bevor an diesem Samstag mit dem Spiel Russland gegen Neuseeland (17 Uhr, ARD) der Confed Cup beginnt. Russland ist bereit, alles ist gut hier, die Fußballwelt kann kommen.

Die Fußballwelt, sie ist nun zu Gast bei Wladimir. Zwei Wochen dauert der Confed Cup, die Generalprobe für die WM im nächsten Jahr. Dazwischen liegt im März noch eine Präsidentschaftswahl. Diese beiden Fußball-Sommer sind hochpolitisch - und die Krönung der von der Politführung um Putin ausgerufenen "Dekade des russischen Sports", für die sich das Land so viele bedeutende Sportereignisse sicherte und in der es im internationalen Sport so stark an Einfluss gewann. Confed Cup und WM sollen ein großes Fest werden, das der Kreml entsprechend zelebrieren kann.

Ein Fest? Es gab noch keine WM, an der sich so viel Kritik entzündete. Das betrifft einerseits die allgemeine politische Situation in Russland, vom völkerrechtswidrigen Agieren bei der Annektierung der Krim bis zur immer noch schwierigen Lage von Minderheiten im Land. Und das betrifft andererseits die Vorgänge unmittelbar rund um Confed Cup und WM.

Und die Fifa findet alles in Ordnung

Die Vergabe vor sieben Jahren umrankt immer noch ein Korruptionsverdacht. Die Kosten für den Bau von Stadien und Infrastruktur belaufen sich nach derzeitigem Wechselkurs auf gut zehn Milliarden Euro, so teuer war noch kein WM-Turnier. Als Symbol gilt jene Petersburger Arena, in deren Bauch die Organisatoren Russlands und der Fifa am Freitag aufs Turnier einstimmen möchten: 46 Milliarden Rubel (umgerechnet rund 716 Millionen Euro) kostete sie letztlich.

Nach Meinung von Anti-Korruptions-Experten ist viel davon in dunklen Kanälen versickert. Bei zirka einem halben Dutzend WM-Stadien ist eine sinnvolle und effektive Nachnutzung unklar. Human Rights Watch legte kürzlich einen Bericht vor, der viele Vorwürfe noch einmal bestätigte: Demnach gab es auf den WM-Baustellen 17 Todesfälle, viele Arbeiter erhielten nur verspätet ihren Lohn und mussten unter schrecklichen Bedingungen schuften. Auch nordkoreanische Zwangsarbeiter kamen zum Einsatz.

Aber Vize-Premier Mutko sagt: Alles ist in Ordnung. Und der Weltverband Fifa sagt am Freitag in Person der neben Mutko sitzenden Generalsekretärin Fatma Samoura: Alles ist in Ordnung. "Für die wichtigen Themen gibt es keine Empfehlungen unsererseits. Es sind nur kleinere technische Details, die wir besprechen."

Der Fifa-Boss Gianni Infantino sagt übrigens dazu gar nichts auf dieser Pressekonferenz, weil er gar nicht da ist. Verblüffenderweise ist sein Kalender so getaktet, dass er sich auf der Rückreise eines China-Trips befindet und sich so keine Fragen zu Menschenrechten oder teuren Stadien anhören muss. Aber es ist noch gut erinnerlich, wie er vor einem Jahr nach dem Präsidententreffen mit Wladimir Putin sagte: "Wir fühlen uns in Russland zu Hause."

Die Veranstalter erinnern sich noch genau, wie es war, als sich die Fußballwelt zuletzt zu einem Confed Cup versammelte, 2013 in Brasilien. Das Volk rebellierte auf den Straßen, das Geschehen neben dem Platz war wichtiger als das Geschehen auf dem Platz. Es war der Zorn der Menschen über die Gier der Elite und über die soziale Situation - und darin eingeschlossen der Zorn über die Tatsache, dass sich das Land trotz finanzieller Probleme unbedingt solche milliardenschweren Großevents wie Fußball-WM und Olympische Sommerspiele leisten wollte.

Regimekritiker Nawalny ist während des Turniers unter Arrest

Auch in Russland ist die Stimmung gerade angespannt: Der Unmut der Bevölkerung dokumentiert sich so geballt wie seit vielen Jahren nicht. Die hohen Kosten für die angedachten Fußball-Feste irritieren viele Menschen, weil aufgrund der wirtschaftlichen Lage für viele andere Dinge kein Geld da ist. Lkw-Fahrer streiken, Moskauer Bewohner sind empört über Umsiedlungspläne, und insbesondere die ausufernde Korruption bringt viele junge Menschen auf die Straße. Mehrere Tausend von ihnen demonstrierten im März sowie am 12. Juni in zahlreichen russischen Städten; der Chefprotestler Alexej Nawalny würde gerne bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten März antreten. Der Confed Cup wäre das ideale Terrain für diese Gruppen, um auch in der internationalen Öffentlichkeit verstärkt auf sich aufmerksam zu machen.

Nur hat das Regime alles unternommen, damit es für die oppositionellen Kräfte schwierig wird. Für die Zeit des Confed Cups und der WM ist das Demonstrations- und Versammlungsrecht eingeschränkt worden. So etwas gab es bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi auch schon. Da war Protest nur in einer eigens eingerichteten Demonstrationszone erlaubt - weit ab vom olympischen Geschehen in einem kleinen Park im Schatten einer Autobahnbrücke.

Außerdem verurteilte die Justiz den Rädelsführer Nawalny nach den jüngsten Protesten zu 30 Tagen Arrest. Auch das kommt bekannt vor. Vor den Spielen in Sotschi 2014 musste der Umwelt-Aktivist Jewgenij Witischko, der permanent die Bausünden und Naturschäden rund um die große Sause am Schwarzen Meer thematisierte, in Haft - wegen solcher Lappalien wie der Beschädigung eines Zaunes und Fluchens an einer Bushaltestelle.

DFB in Sotschi und Kasan: Der Spielplan des Confed Cup 2017 in Russland

Gruppe A

Russland - Neuseeland (St. Petersburg) Sa. 17.00

Portugal - Mexiko (Kasan) So. 17.00

Russland - Portugal (Moskau) Mi. 17.00

Mexiko - Neuseeland (Sotschi) Mi. 20.00

Mexiko - Russland (Kasan) Sa., 24.6., 17.00

Neuseeland - Portugal (St. Petersburg) Sa., 24.6., 17.00

Gruppe B

Kamerun - Chile (Moskau) So. 20.00

Deutschland - Australien (Sotschi) Mo. 17.00

Kamerun - Australien (St. Petersburg) Do. 17.00

Deutschland - Chile (Kasan) Do. 20.00

Deutschland - Kamerun

(Sotschi) So., 25.6., 17.00

Chile - Australien (Moskau) So., 25.6., 17.00

Halbfinale

1. Gr. A - 2. Gr. B (Kasan) Mi., 28.6., 20.00

1. Gr. B - 2. Gr. A (Sotschi) Do., 29.6., 20.00

Spiel um Platz 3: So., 2. Juli, 14 Uhr in Moskau.

Finale: So., 2. Juli, 20 Uhr in St. Petersburg.

Diesmal trifft es also Nawalny. Der 41-Jährige ist eine schwierigere Persönlichkeit, als es manchmal im Westen ankommt. Er hat insbesondere früher mit nationalistischen Ressentiments gespielt, und bis heute gibt es auch in oppositionellen Kreisen unterschiedliche Auffassungen, ob sich Nawalny ausreichend verändert hat. In jedem Fall ist er gerade ein Kopf der Protestbewegung, die dem System Putin während des Confed Cups Ärger machen könnte. Da schadet es aus Sicht des Regimes nicht, wenn Nawalny während des Turnieres unter Arrest steht und ein solcher Arrest auch als Signal an andere Regimekritiker dient.

Als am Freitag die Rede auf mögliche Proteste während des Confed Cups kommt, gibt sich Vize-Premier Mutko erst ein wenig schnippisch, dann relativ entspannt. "Ich weiß nicht, was Sie meinen. Brasilien war eine ganz andere Situation. Wir sind ein ruhiges und stabiles Land", sagt er. Natürlich seien Demonstrationen möglich, aber "wir haben Gesetze, und alle sollten sie befolgen". Aber diese Gesetze besagen halt, dass Demonstrationen nur eingeschränkt möglich sind. Die Fifa teilt zum Thema mit, sie unterstütze das Recht auf Demonstrationen, aber sie würde es verstehen, dass bei großen Sportevents "zusätzliche Sicherheitsprozeduren und -regeln" beschlossen werden würden.

Doch womöglich müssen die Veranstalter am Ende noch mit einem anderen Problem zurechtkommen - nämlich einer geringen Zahl von Zuschauern. Von den insgesamt 700 000 verfügbaren Tickets für die 16 Confed-Cup-Spiele in Sankt Petersburg, Moskau, Sotschi und Kasan sind erst knapp 70 Prozent abgesetzt. Nur das dritte Gruppenspiel der Russen gegen Portugal ist bisher ausverkauft, selbst für das Eröffnungsspiel waren am Freitag noch einige Tausend Karten zu haben. Und von den verkauften Tickets wiederum gingen nach Auskunft der Organisatoren nur fünf Prozent an ausländische Fußballfans, also knapp 25 000. Es werden sich also recht wenige ausländische Fans anschauen, wie offen und frei Russland im Jahr 2017 ist.

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