Confed-Cup: Bilanz:Das Afrika des Joseph Blatter

Der Confed-Cup ist gelungen, aber ein Härtetest für die WM 2010 war er nicht. Bei einem Thema ist auch der Fifa-Präsident machtlos: Sicherheit.

Ronny Blaschke

Der südafrikanische Fernsehsender SABC, der zu großen Teilen dem Staat gehört, benötigte keine Fanfaren und romantischen Einspieler, um seine Zuschauer in Wallung zu bringen. Ein älterer Herr übernahm diese Aufgabe, mit großen Gesten und noch größeren Worten. "Meine Heimat ist Afrika", sagte Joseph S. Blatter, geboren in der Schweiz. 30 Minuten erhielt der Präsident des Weltfußballverbandes Fifa zur besten Sendezeit, er schmeichelte, schwärmte, jubelte. "Sie sind ein Connaisseur", lobte Blatter den Moderator. "Herr Präsident", erwiderte dieser gerührt. "Wir lieben Sie!"

Confed-Cup: Bilanz: Ein Held am Kap: Fifa-Präsident Joseph Blatter, hier bei der Pokal-Übergabe an Brasilien.

Ein Held am Kap: Fifa-Präsident Joseph Blatter, hier bei der Pokal-Übergabe an Brasilien.

(Foto: Foto: Reuters)

Es ist keine Neuigkeit, dass Blatter den Staatsmann auf Friedensmission gibt, mit Begriffen wie Moral, Solidarität, Verantwortung jongliert. Neu aber ist, dass das Oberhaupt der milliardenschweren Fußballfamilie in einem WM-Gastgeberland ausnahmslos mit offenen Armen empfangen wird. Während seiner Eröffnungsrede für den Confed-Cup, der Generalprobe für 2010, hatte Blatter Tränen in den Augen, so laut war der Jubel.

In Deutschland hatte er sich während der WM 2006 Pfiffe anhören müssen. "Wir Afrikaner haben ihnen viel zu verdanken", sagte der Moderator von SABC. Blatter hatte sich 2000 für eine kontinentale Rotation bei der WM-Vergabe eingesetzt. "Sonst hätte es die erste Weltmeisterschaft in Afrika nicht gegeben", versicherte er. Dafür wird er am Kap als Held gefeiert.

Das Rotationsprinzip ist wieder abgeschafft worden, zwei Mal wurde Blatter, 73, in seinem Amt bestätigt - wichtige Stimmen sammelte er in Afrika -, und nun gilt es, sein größtes Wahlversprechen einzulösen: die Organisation einer erfolgreichen WM, dieser Glanz soll auch auf die afrikanischen Verbandsbosse strahlen.

Doch die Fifa hat sich nicht über Nacht in einen Klub der Wohltätigen verwandelt, ihre Ausrichterverträge bleiben kaum verhandelbar. Die Sponsoren erhoffen sich die Erschließung brachliegender Märkte, ob für die heimische Wirtschaft etwas bleibt? Berichtet wird über diese Hintergründe selten in Südafrikas Medien - so gibt es wohl niemanden, der den Kontrast der Wahrnehmungen besser illustriert als Joseph Blatter.

Beeindruckende Bauten

In seinen Worten kommt die WM einem Rettungspaket gleich, einem sozialen Kitt für eine zerrissene Gesellschaft, die unter Kriminalität, Armut, Aids leidet. Politiker, Funktionäre, Journalisten aus Afrika unterstützen Blatter mit blumigen Worten. In Europa oder Amerika sind die Glieder der Assoziationskette vertauscht. Die WM gilt nicht als Sensibilisierung für Probleme, sie leidet darunter, bringt alle, die sich mit ihr beschäftigen, nach dortiger Interpretation in Lebensgefahr.

Antonio Carlos Nunes de Lima, Delegationschef des brasilianischen Nationalteams, kritisierte Blatter für die Vergabe nach Südafrika: "Nach sechs Uhr ist Ausgangssperre. Es ist, als ob ständiger Krieg sei." Gleichmut gegen Hysterie - beide Perspektiven, die afrikanische und nicht-afrikanische, sehen in der WM nachrangig ein globales Fußballturnier. Das wird bis zum Finale am 11.Juli 2010 so bleiben.

Joseph Blatter hat während des Confed-Cup Argumente für seinen Kurs gesammelt. Die zehn Stadien werden weit vor der WM fertig sein, darunter beeindruckende Bauten wie Soccer City in Johannesburg und Greenpoint in Kapstadt. Die Stimmung in den Arenen ist ausgelassen, von Aggression keine Spur, im Schnitt kamen mehr als 35.000 Zuschauer, darunter mehr als 70.000 Freikarten-Besitzer, die Blatters Fifa begünstigte. Sogar die Auswahl des Gastgebers kickte besser als erwartet. Über kleinere Pannen, Stromausfälle oder einen Streik der Ordner, sieht Blatter hinweg.

Die Generalprobe aber wird ein Pröbchen bleiben, die wichtigsten Fragen konnte der Confed-Cup nicht beantworten. Wenn das Transportsystem, das auf Taxen und Bussen basiert, schon jetzt zusammenbricht, was passiert dann, wenn statt 5000 im kommenden Jahr 450.000 internationale Gäste anreisen? Wo sollen sie übernachten, angesichts der Kapazitäten? Tatsächlich in Privatunterkünften, in den Nachbarländern, auf Kreuzfahrtschiffen? Sorgen, auf die Blatter mit Standardantworten reagiert, mit denen er auch beruhigen kann, doch bei einem Thema ist er chancenlos: Sicherheit.

50 Morde, die tägliche Schreckensbilanz Südafrikas. Keine Zahl wurde häufiger wiederholt. Blatter kann von Tausenden Polizisten und Überwachungskameras sprechen, er wird die Angst im Ausland nicht eindämmen können, jede Kriminalitätsmeldung wird mit der WM in Verbindung gebracht. Sollte 2010 die Kriminalität zu einem großen Thema werden, würde Blatter in Bedrängnis geraten. "Keiner hat mehr zu verlieren als er selbst", sagt Danny Jordaan, Chef des Organisationskomitees.

Blatter hat die Gabe, brisante Themen banal erscheinen zu lassen. Notfalls wird ein anderer Punkt auf die Agenda gesetzt. So stellte er den Afrikanern einen sechsten WM-Startplatz dauerhaft in Aussicht. "Ich möchte die Seele dieses Kontinents entdecken", sagte er zur besten Sendezeit, im Süden von Afrika.

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