Claudia Pechstein:"Ich verspüre eine unglaubliche Erleichterung"

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Claudia Pechstein ist inzwischen 50 - lief in der vergangenen Saison aber immer noch. Hier im Bild bei der WM in Hamar. (Foto: Vincent Jannink/dpa)

Claudia Pechsteins Kampf um Schadenersatz schien nach einem BGH-Urteil schon vorbei zu sein - doch nun kippt das Verfassungsgericht diesen Entscheid. Die Eisschnellläuferin reagiert emotional.

In den Kampf der früheren Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein um Schadenersatz für ihre zweijährige Sperre kommt überraschend noch einmal Bewegung. Am Dienstag teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit, dass es einer Beschwerde der Sportlerin stattgegeben habe. Das Gericht hob eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2016 auf und verwies die Causa zurück an das Oberlandesgericht München. Dieses kann nun prüfen, ob der 50-Jährigen Schadenersatz und Schmerzensgeld in Millionenhöhe zustehen.

"Ich wurde gedemütigt und öffentlich hingerichtet. Deshalb verspüre ich jetzt eine unglaubliche Erleichterung, meinen Fall vor einem deutschen Gericht unter rechtsstaatlichen Regeln verhandeln zu dürfen", sagte Pechstein.

Doping
:Verfassungsgericht hebt Pechstein-Urteil von 2016 auf

Mit der Entscheidung aus Karlsruhe kann die deutsche Eisschnellläuferin weiter darauf hoffen, Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen ihrer zweijährigen Dopingsperre zu bekommen.

Die achtmalige Olympiateilnehmerin und fünfmalige Olympiasiegerin war im Februar 2009 von der Internationalen Eislauf-Union (ISU) wegen auffälliger Blutwerte für zwei Jahre gesperrt worden. Pechstein bestritt jegliches Doping. Später erklärte sie die Werte mit einer vererbten Blutanomalie. Der Internationale Sportgerichtshof Cas bestätigte die ISU-Strafe, wegen der Pechstein unter anderem die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver verpasste.

Dass das Verfassungsgericht den BGH überstimmt, kommt sehr selten vor

Pechstein reichte deswegen Klage bei den deutschen Zivilgerichten ein und forderte vier Millionen Euro zur Wiedergutmachung. Das OLG München entschied in einem Zwischenurteil 2015, dass sie diesen Weg auch grundsätzlich beschreiten könne; eine von Pechstein unterzeichnete Schiedsvereinbarung, wonach ausschließlich der Cas zuständig ist, sei nichtig. Gegen dieses Urteil ging der Weltverband in Revision, und der Bundesgerichtshof erklärte 2016 Pechsteins Klage insgesamt für unzulässig. Doch dieses BGH-Urteil ist nach dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichtes nun gegenstandslos. Wie es nun vor dem OLG München weitergeht, ist unklar.

Dass das Verfassungsgericht den BGH überstimmt, kommt sehr selten vor. Die zuständige Kammer bemängelte in ihrem Urteil insbesondere einen Punkt: Der BGH habe nicht berücksichtig, dass es in Pechsteins Verfahren vor dem Cas damals keinen Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung gegeben habe. Die Verfahren vor einem Schiedsgericht wie dem Cas müssten aber rechtsstaatlichen Mindeststandards genügen; sonst dürfe der Staat die Entscheidungen nicht anerkennen und vollstrecken. In genau diesem Punkt hatte 2018 auch schon der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof Pechstein Recht gegeben. Er sprach ihr wegen der ausgebliebenen öffentlichen Verhandlung 8000 Euro Entschädigung zu, hatte aber keine grundsätzlichen Zweifel an der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit des Sportgerichtshofs.

Der Cas urteilt seit 1984 als letzte Instanz bei Streitfällen im Sport und steht seit Jahren in der Kritik. Der Hauptvorwurf lautet, dass es kein echtes und kein unabhängiges Schiedsgericht sei.

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