Real Madrid im Clásico:Überlebenskampf eines untoten Trainers

Real Madrid im Clásico: Nur vier Tore in elf Pflichtspielen: Würde der Waliser Gareth Bale (links) häufiger treffen, hätte Reals Coach Lopetegui einige Probleme weniger.

Nur vier Tore in elf Pflichtspielen: Würde der Waliser Gareth Bale (links) häufiger treffen, hätte Reals Coach Lopetegui einige Probleme weniger.

(Foto: Paul White/AP)
  • Ob ein Sieg ihn im Amt halten würde? Der Clásico am Sonntag könnte das letzte Spiel für umstrittenen Real-Trainer Julen Lopetegui werden.
  • Klubchef Pérez sucht offenbar bereits einen Nachfolger - dass auch der Name José Mourinho fällt, stößt bei den Spielern auf Unverständnis.
  • Die Probleme bei Real sind ohnehin tiefer gelagert.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Alle Wege führen nach Moskau. An den Ort, an dem für Julen Lopetegui, den Trainer von Real Madrid, schon so vieles ein Ende genommen hat. Und wo er sich vor gar nicht allzu langer Zeit vorkam wie ein Geisterfahrer des Fußballs.

Am 13. Juni war er in Russland als Trainer der spanischen Nationalelf gefeuert worden. Am Vorabend der Weltmeisterschaft war publik geworden, dass er für die neue Saison bei Real Madrid im Wort stand. Er packte seine Sachen, reiste aus dem Teamlager in Krasnodar ab, ohne Regungen zu zeigen. Als ihm am internationalen Flughafen von Moskau mexikanische Fans mit ihren Hüten voller glitzernder Pailletten entgegenkamen, übermannte ihn die Gewissheit, in falscher Richtung unterwegs zu sein: Jene waren, wie sich wenig später herausstellen sollte, auf dem Weg zu einem Sieg gegen Deutschland, an den sie nie geglaubt hatten - Lopetegui befand sich auf dem Weg nach Spanien.

Dann brach er, wie seine Freunde einem Reporter der Zeitung El País erzählten, in sich zusammen und weinte so bitterlich, wie es nur nach einem zerstörten Traum möglich ist.

Tagtäglich kann Lopetegui nachlesen, dass er ein Verurteilter ist

Anfang Oktober reiste Lopetegui wieder nach Moskau, diesmal als Coach von Real. Und ohne zu ahnen, dass es der Ort sein würde, an dem Real Madrids Vereinsboss Florentino Pérez den Daumen über ihn senkte, nach einer 0:1-Niederlage bei ZSKA Moskau in der Champions League.

Tagtäglich kann Lopetegui seither in martialischen Worten nachlesen, dass er ein Verurteilter ist. Die Zeitung As wähnt ihn im "Todeskorridor"; El País berichtet, dass er in der Vereinsführung längst einen neuen Spitznamen hat: "El Zombie". Am Sonntag muss dieser Untote in Barcelona den Clásico bestreiten und versuchen, als Real-Trainer zu überleben.

Lopetgui steht so sehr im Fokus, dass zwei epochale Abwesenheiten in den Schatten treten. Erstmals seit 2009 findet ein Clásico ohne die Weltfußballer der letzten zehn Jahre statt; Cristiano Ronaldo ist im Sommer aus Madrid nach Juventus Turin abgewandert, Barcelonas Lionel Messi ist verletzt. Liest man die Madrider Medien, stehen die Aussichten auf eine Begnadigung Lopeteguis bei eins zu einer Quintillion. Hört man auf Fabio Capello und dessen Erfahrung als einstiger Real-Coach, ist immer noch alles möglich: Dieser Tage erinnerte sich der Italiener daran, dass sie ihm vor einem Clásico "noch vier Tage als Trainer" gaben; "dann holten wir die Meisterschaft". Nach einem 3:3 in Barcelona.

Um auch am Sonntag ab 16.15 Uhr ein solches Resultat zu erzielen, dürfte eine Zutat entscheidend sein, an der es dem Team Reals zuletzt eklatant gemangelt hat: Haltung. In den vergangenen Tagen häuften sich zwar die öffentlichen Treueschwüre der Spieler für Lopetegui, die Liste reicht von Kapitän Ramos über Isco und Marcelo bis zu Toni Kroos. Doch wirklich durchs Feuer geht man für einen Trainer auch bei Real nicht vor den Mikrofonen in der Mixed Zone, sondern auf dem Platz. Und dort reihte Real Madrid vor dem dürren 2:1-Erfolg am Dienstag gegen Viktoria Pilsen in der Champions League eine Serie von fünf Spielen ohne Sieg und 465 Minuten ohne Tor aneinander.

Die Probleme bei Real Madrid liegen tiefer

Überhaupt scheint das Problem auch anders gelagert zu sein. Reals Belegschaft hat sich offenkundig mit Vereinsboss Pérez überworfen, der das Team für zu satt hält. Ein Symptom: Pérez soll bei zwei Trainern vorfühlen lassen, denen eine disziplinierende Hand attestiert wird: Beim Italiener Antonio Conte, der bis zum Sommer beim FC Chelsea beschäftigt war. Und bei José Mourinho, der bei Manchester United schon länger am Abgrund wandelt und im Winter womöglich frei wäre. Als Übergangslösung käme Ex-Profi Santi Solari infrage, derzeit Trainer bei Real Madrids zweiter Mannschaft, dem FC Castilla.

Vor allem der Name Mourinho löst in der Kabine von Real Madrid Unverständnis aus. Einige Spieler wie Sergio Ramos oder Marcelo können sich noch gut an das erste Regime des Portugiesen erinnern (2010 bis 2013), sie waren damals schon dabei. Sie haben auch nicht vergessen, dass Real erst nach dessen Abschied wieder die Champions League gewinnen konnte, und das gleich vier Mal. Am Freitagabend kam dann ein Tweet des früheren Herthaners Arthur Wichniarek: Ein gemeinsamer Freund traf Conte in Ägypten und versichere nun, dass der Italiener "zu 98 Prozent" neuer Real-Coach wird.

Reals Zugänge spielen bislang eine nachrangige Rolle

Wer auch immer nach dem Clásico auf der Bank sitzen sollte, er hätte mit dem gleichen Problem zu kämpfen wie Lopetegui. Zurzeit liegt die Mannschaft auf dem siebten Tabellenplatz, vier Punkte hinter Spitzenreiter Barcelona. Die Katalanen haben 23 Tore geschossen, die Madrilenen nur 13. Das liegt auch daran, dass Reals wahrer Sportdirektor, Klubchef Pérez, keinen Ersatz für Cristiano Ronaldo besorgt hat - und Gareth Bale ihn nicht vergessen machen kann (vier Tore in elf Pflichtspielen). Pérez, der einst für Figo, Ronaldo (den aus Brasilien), Kaká, Beckham, Owen oder Zidane die Bank sprengte und die Galácticos-Ära begründete, begnügte sich diesmal mit Torwart Courtois, Mariano, Odriozola, Vinícius und Rodrigo, die alle bislang eine nachrangige Rolle spielen.

Das lässt in den Hintergrund treten, dass es bei Barça jenseits der Messi-Absenz auch Probleme gibt. Der frühere Bayern-Profi Arturo Vidal murrt über seine Reservistenrolle, der einstige Dortmunder Ousmane Dembelé ist wegen Undiszipliniertheiten in Ungnade gefallen. Das sind Nebengeräusche, die der Madrider Lärm verschluckt. Doch sie erinnern daran, dass hinter jedem Clásico der Teufel steckt, und niemand vorab weiß, welche Trikotfarben er erwählt.

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