29. Juli 2004: Jürgen Klinsmann wird als neuer Bundestrainer vorgestellt. Er hat eine gute Idee: Er will Weltmeister werden,und sagt, er wolle "ein Spielsystem aufbauen, das nach vorne gerichtet ist". Oliver Kahn ahnt noch nichts.
29. Juli 2004: In der selben Pressekonferenz sagt Klinsmann über seinen neuen Job: "Da ist eine Freude, die in mir drin ist." Kahn ahnt immer noch nichts.
29. Juli 2004: Und er sagt: "Hier muss klar sein, wer was bestimmt." Huch.
12. August 2004: Vor Klinsmanns ersten Länderspiel in Österreich setzt er Oliver Kahn als Kapitän ab und verkündet "ein kleines Rotationsprinzip". Es gelte folgende Grundkonstellation: "Oliver Kahn ist die Nummer eins, Jens Lehmann die Nummer zwei und Timo Hildebrand im Moment die Nummer drei. Jens ist der Herausforderer, Oliver muss seinen Platz verteidigen." Jetzt ahnt er was.
16. August 2004: Vor der der Partie in Österreich spielt die Mannschaft im Training Handball, Lehmann spielt auch mit. Kahn nicht. Er trainiert verbissen mit Sepp Maier. Wie gesagt, er ahnt was.
18. August 2004: Im Spiel in Österreich rattert erstmals die Rotationsmaschine. Beim 3:1-Sieg in Wien spielt Kahn die ersten 45 Minuten, Lehmann die zweiten. Das Gegentor durch Herrn Amerhauser kassiert Kahn.
8. September 2004: Bei Klinsmanns erstem Heimspiel gegen Brasilien (1:1) spielt Kahn. Er kassiert ein Freistoßtor von Ronaldinho, gut sieht er nicht aus.
6. Oktober 2004: Die deutsche Delegation bricht zum Spiel nach Teheran auf. Lehmann fährt mit, Kahn bleibt zu Hause, ist als Thema trotzdem dabei. Alle reden über ihn, weil er dem Bremer Klose den Finger in die Nase gesteckt hat. Deutschland gewinnt 2:0, und in Klinsmann ist immer noch eine Freude drin.
10. Oktober 2004: In einer Lounge des Flughafens in Teheran essen Klinsmann und Bierhoff mit Sepp Maier zu Abend. Nach dem Essen haben sie einen Torwarttrainer weniger. Maier muss freiwillig zurücktreten, weil er seine Neutralität so zusammengefasst hatte: "Der Lehmann kann sich aufhängen, Kahn ist der Bessere." Maier hat definitiv was geahnt.
10. Oktober 2004: Am selben Abend wird bekannt, dass Andreas Köpke neuer Torwarttrainer wird. Zu seinen aktiven Zeiten hat sich Köpke auch mal einen Kampf ums Nationaltor geliefert - mit Kahn. Jetzt ahnen alle was.
13. Oktober 2004: Oliver Bierhoff sagt, Kahn müsse durch Köpkes Installierung "überhaupt keine Angst haben, ins Hintertreffen zu geraten". Na dann.
13. November 2004: Köpke trifft sich vor dem Länderspiel gegen Kamerun mit beiden Torhütern zu einem Krisengipfel, der in Wahrheit "ein Schnupperkurs" ist (Köpke). Dort schnuppern sie so lange, bis Klinsmann den Kombattanten "eine Riesen-, Riesenlob" ausspricht.
17. November 2004: Deutschland besiegt Kamerun 3:0. Lehmann spielt, und Klinsmann sieht schwere Torwartfehler - von Kameruns Keeper Kameni.
18. November 2004: Nun schnuppern auch Bierhoff und Bayern-Boss Rummenigge, der den "Torwart-Eiertanz" beklagt hatte. Später sagt Assistent Löw, man werde sich "in keinster Weise vom Weg abbringen" lassen. Stimmt.
Dezember 2004: Lehmann verliert seinen Stammplatz beim FC Arsenal. Das macht aber in keinster Weise was.
Dezember 2004: Bei der Asien-Reise spielen Kahn (zweimal) und Hildebrand (einmal). Gegen Südkorea verliert die Elf erstmals in der Ära Klinsmann, in dem wo jetzt keine Freude mehr ist. Aber Kahn kann in keinster Weise was dafür.
Februar 2005: Klinsmann legt die weitere Rotation fest. Die ausstehenden Spiele bis zum Confed-Cup werden aufgeteilt. Lehmann spielt in London wieder.
31. Mai 2005: Beim Eröffnungsspiel der Münchner Arena spielen Kahn und Lehmann, der eine für Bayern, der andere für Deutschand. Lehmann kann sich auszeichnen, indem er Bayerns Schweinsteiger mit einem Check in die Werbebande wirft. Das Münchner Publikum pfeift ihn gnadenlos aus. "Eine Riesensauerei", schimpft Bierhoff und findet, dass Bayerns Verantwortliche das hätten verhindern müssen. Bayerns Verantwortliche finden in Person von Karl-Heinz Rummenigge, dass Bierhoff "sich um seinen eigenen Mist kümmern soll".
15. Juni 2005: Kahn wird 36 Jahre alt und kassiert beim Confed-Cup-Spiel gegen Australien zur Feier des Tages drei Tore. "Kannst nix machen, stehst nur dumm rum", sagt er hinterher.
Juni 2005: In Klinsmann und Bierhoff ist zwar grundsätzlich eine Freude drin, weil nach dem dritten Platz beim Confederation Cup praktisch feststeht, dass Deutschland Weltmeister wird. Nur die Torhüter lassen sich in keinster Weise von ihrer Traurigkeit abbringe. Kahn kassiert im Turnier sechs Tore, kann aber keins davon halten. Auch Lehmann fängt sich drei Treffer gegen Brasilien.
Juni 2005: Was macht eigentlich Torwarttrainer Andy Köpke? Gute Frage.
August 2005: Klinsmann gibt bekannt, dass Kahn und Lehmann bis Jahresende nicht mehr gemeinsam im Aufgebot stehen werden. Die Rotation geht erst recht weiter, und Kahn sagt: "Ich nehme es, wie's kommt. Vielleicht machen wir das auch noch bei der WM. Wäre mal ganz was Neues." Köpke sagt nichts dazu.
31. August 2005: Aber Klinsmann sagt was. Nämlich: "Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, Oliver also ein langes Leistungstief haben sollte oder eine Verletzung dazwischenkommt, dann hat er bei der WM die besten Karten zu spielen." Hm. (Zwischenfrage aus dem April 2006: Sind zwei Fehler gegen Köln ein langes Leistungstief?)
November 2005: Vor dem Spiel in Frankreich äußert Lehmann erstmals Rücktrittsgedanken für den Fall, dass er die Nummer zwei bleibt. Darf er das? In keinster Weise, macht aber nichts.
Februar/März 2006: Klinsmann verkündet für 2006 die Fortsetzung der Rotation. Lehmann kassiert vier Stück in Italien, Kahn mischt gegen die USA Superparaden mit einem unglücklichen Gegentor. Klinsmann sagt, Kahn sei die Nummer eins und Lehmann der Herausforderer. Bierhoff sagt, es steht fifty-fifty.
7. April 2006: Klinsmann sagt, dass Lehmann den Zweikampf gewonnen hat, dass wegen Kahn aber keine Freude in ihm drin ist. Auch Köpke sagt plötzlich was, nämlich "dass Jens Lehmann besser zu unserer Spielphilosophie passt". Die Spielphilosophie stand übrigens schon am 31. Juli 2004 fest.