Christoph Kramer:Experte auf der Bank

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Christoph Kramer kommt in dieser Saison in Gladbach bislang nicht auf Einsatzzeiten. (Foto: Jan Huebner/imago)
  • Christoph Kramer kommt bisher nur auf 18 Minuten Einsatzzeit bei Borussia Mönchengladbach - dabei war er in den vergangenen Jahren immer Stammspieler.
  • Der Spieler sagt: "Es ist eine ungewohnte Situation für mich."

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Für Spielanalysen aus der externen Betrachtung heraus hat Christoph Kramer im Sommer viel Lob bekommen. Der Fußballer hat die Weltmeisterschaft fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen analysiert. Damit musste er noch vor dem WM-Ende allerdings schon wieder aufhören, weil er mit seinem Klub Borussia Mönchengladbach in die Saisonvorbereitung startete und sich dort für seine alte Rolle im Herzen des Spiels empfehlen wollte. Aber Kramer ist in der neuen Saison auch bei der Borussia bislang bloß Beobachter. Nur 18 Minuten hat er in fünf Pflichtspielen auf dem Feld gestanden, 342 Minuten hat er auf der Bank gesessen oder sich am Spielfeldrand aufgewärmt und 90 Minuten hat er krank daheim im Bett gelegen.

"Ich habe einen Hals", hat er neulich gesagt und das nicht anatomisch gemeint. Dem 27-Jährigen missfällt seine Ersatzrolle, aber er bleibt dabei höflich, arbeitet sachlich weiter und lauert auf seine Comeback-Chance, die sich durch Gladbachs 2:4-Niederlage in Berlin jetzt auftun könnte. "Es ist eine ungewohnte Situation für mich, am Anfang der Saison draußen zu sitzen. Das hatte ich bisher noch nicht", sagt Kramer. Wenn die Borussia an diesem Mittwoch gegen defensiv starke und kontergefährliche Frankfurter antritt, darf Kramer ja vielleicht wieder von Beginn an spielen oder wenigstens mehr als die 18 Minuten nach seiner Einwechslung neulich gegen Schalke.

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Es waren nicht Kramers analytische Fähigkeiten, die Gladbachs Trainer Dieter Hecking nach der WM bewogen haben, seinen zentral-defensiven Mittelfeldspieler lieber neben sich auf der Bank zu haben als auf dem Feld. Hecking und der Sportdirektor Max Eberl haben nach einer mauen Saison eine neue Spieltaktik ausbaldowert. Statt des gewohnten 4-4-2 mit zwei zentralen Mittelfeldleuten vor der Abwehrkette lässt Hecking jetzt lieber ein 4-3-3 spielen mit nur noch einem zentral-defensiven Mittelfeldmann und zwei 'Achtern' davor auf den Halbpositionen. Die Borussen versprachen sich von diesem offensiveren System ergiebigere und schnellere Wege in den gegnerischen Strafraum. Kramers Pech ist aber, dass Hecking die Fußballer Tobias Strobl, Florian Neuhaus, Jonas Hofmann und Denis Zakaria bei der Besetzung der drei Positionen bislang für geeigneter hält.

Kramer, 2014 Weltmeister mit der deutschen Mannschaft in Brasilien, ist ja nicht der einzige WM-Sieger, der momentan ein paar fußballerische Akzeptanz-Probleme hat. Mario Götze kommt bei Borussia Dortmund bekanntlich kaum zum Zug, die WM-Spieler André Schürrle und Erik Durm hat der BVB mangels Interesse sogar nach England geschickt und Benedikt Höwedes wurde vom FC Schalke 04 nach Moskau verbannt. Mit die meisten Spielanteile von allen Weltmeistern bekommt zurzeit eigentlich Kevin Großkreutz, aber der spielt mit dem KFC Uerdingen natürlich auch nur in der dritten Liga.

Für Kramer wäre das keine Alternative. Noch nicht. 143 Bundesligaspiele für Gladbach und Leverkusen sowie zwölf Länderspiele hat er bislang absolviert, und am Niederrhein mag auch niemand so recht glauben, dass sich der intelligente und eloquente Solinger für Heckings neues System nicht mehr eignet. Doch die ersten vier Ergebnisse haben dem Trainer Recht gegeben: beim 11:1 im Pokal, beim 2:0 gegen Leverkusen und beim 1:1 in Augsburg bildeten Strobl, Neuhaus und Hofmann das Mittelfeld-Dreieck, beim 2:1 gegen Schalke und jüngst in Berlin waren es Strobl, Hofmann und Zakaria. Bei der ersten Saisonniederlage setzte es jedoch gleich vier Gegentore. Vor allem Strobl und Hofmann machten erstmals in dieser Saison keinen guten Eindruck mehr. Die schwache Rückwärtsbewegung konnte vor allem von den überforderten Abwehrspielern Niko Elvedi und Toni Jantschke nicht mehr aufgefangen werden. Nun muss man schauen, ob der Trainer Hecking daraus gleich Konsequenzen zieht oder ob er seinen Defensivspielern auch gegen Frankfurt wieder das Vertrauen schenkt und die Niederlage in Berlin zum Lernprozess zählt.

Zu einer Startelf hat Kramer in dieser Saison bislang bloß beim Abschiedsspiel des Torwarts Roman Weidenfeller in Dortmund gehört. In Gladbach hatte er vor dieser Saison über vier Spielzeiten hinweg bei 114 Bundesliga-Einsätzen 107 Mal in der Startelf gestanden, da ist es jetzt schon ein ganz schöner Bruch, dass er so gar nicht mehr zur ersten Elf gehört - ein kalter Entzug sozusagen.

Hecking macht Kramer für die Partie gegen Frankfurt keine großen Hoffnungen. Über die maue Leistung der Abwehr- und Mittelfeldspieler in Berlin sagte der Trainer am Dienstag: "Ich bin keiner, der einen Spieler nach einer schwachen Halbzeit direkt rausnimmt."

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